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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 58.1942-1943

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Gorke, Manfred: Der Kirchhof beim Frühlingsbeginn: noch ein wiedergefundenes Bild Caspar David Friedrichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.16491#0131

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lieh besprochen, und unser Bild ist in der Nr. 19 des
Blattes (5. X. 1822) auf pag. 76, wie folgt erwähnt:
., Außerdem sahen wir von Friedrich vier kleine land-
schaftliche Partien: ... ein melancholisches Nacht-
stück, das man den Eingang in das Mittelalter nen-
nen könnte, und den wirklichen Eingang zum Kirch-
hofe im Dorfe Plauen."

Sechs Jahre später finden wir das Bild bei der Kunst-
ausstellung des Kunstvereins zu Halberstadt wieder.
Es ist im Katalog dieser Ausstellung vom Jahre 1828
als Nr. 52 verzeichnet, und zwar unter anderem Titel
wie in Dresden. In Halberstadt heißt das Bild „Der
Kirchhof beim Frühlingsbeginn". 1850 war das Bild
nochmals in Halberstadt ausgestellt und ist in dem
Katalog der Ausstellung von 1850 als Nr. 44 ver-
zeichnet.

Zum vierten Male begegnen wir dann dem Bild in
Königsberg, wo in den Ausstellungen der Jahre 1852
bis 1857 eine größere Anzahl von Bildern Friedrichs
zur Ausstellung gelangte (s. A. Bohde „C.D.Fried-
rich in Königsberg" a. a. O.). Im Jahre 1857 — auf
dieser Ausstellung ist Friedrich zum letzten Male in
Königsberg vertreten — ist unser Bild in der Ausstel-
lungsabteilung des Schauspielhauses (Konzertsaal) an-
läßlich der Veranstaltung des Königsberger Kunst-
vereins ausgestellt. Der Katalog dieser Ausstellung
1857 verzeichnet das Bild als „Nr. 72 Der Kirchhof bei
Frühlingsanfang, Höhe 1 Fuß 5 Zoll, Breite 1 Fuß."
Im „Kunstblatt" 1857, pag. 77, wird unser Bild von
dem Königsberger Universitätsprofessor August Ha-
gen ausführlicher als in dem Dresdener Bericht von
F. Ch. A. Hasse (1822) besprochen:
„Friedrichs Bild, einen Kirchhof darstellend, steht in
geistiger Verwandtschaft mit einem Bilde von Ruys-
dal . . . Bei Friedrich führt uns zwischen wirklich ab-
gestorbenen Bäumen der Weg zu den ausgetretenen
Stufen des Friedhofes, der eine Kirche umgibt. Wir
sehen in jenen hinein, und auf den Grabhügeln be-
grüßt uns das erste Frühlingsgrün."
Auf der Bückseite des Bildes trägt die Leinwand unten
in großer kalligraphischer Pinselschrift die Angabe
„für F. Kramer / in Halberstadt. / 1822".
Wohl sind die Beziehungen zwischen C. D. Friedrich
und Dr. W. Körte in Halberstadt, dem Friedrich im
Jahre 1821 vier Harzlandschaften mit einem Begleit-
schreiben übersandte, bekannt. Wer ist nun dieser
„F. Kramer in Halberstadt", für den 1822 unser Bild
bestimmt war?

Unzweifelhaft haben wir es hier mit dem Goethe-
Freund Dr. Friedrich Matthias Gottfried Cramcr
(1779—1856) zu tun, der zusammen mit dem kunst-
begeisterten Halberstädter Apotheker Dr. Lucanus
jene erste Halberstädter Kunstausstellung im Jahre

1828 ins Leben rief, bei welcher auch unser Bild in
der Kapitelstube des ehemaligen Liebfrauenstifts am
Domplatz ausgestellt war, und der dann 4 Jahre spä-
ter unter den Mitbegründern des Halberstädter
Kunstvereins zu finden ist. Jedenfalls hat Friedrich
ein Jahr nachdem Dr. Körte von ihm die vier Harz-
landschaften erhalten hatte, im Jahre 1822 unser
Bild an den Dr. F. Cramer nach Halberstadt gesandt.
Es ist als sicher anzunehmen, daß Dr. Cramer bei sei-
nem Freund Körte die vier Bilder Friedrichs bereits
im Jahre 1821 gesehen hatte, und daß sich dann bei
ihm der Wunsch regte, auch ein Bild Friedrichs zu
besitzen. Auf jeden Fall ist es diesen beiden Halber-
städter Kunstfreunden zu danken, daß Friedrich auf
den Halberstädter Ausstellungen vertreten war.
Die Kirche des Vorortes Plauen, die seit dem Jahre
1905 den Namen „Auferstehungskirche" führt,
stammte in ihrer Urform aus dem Jahre 1467 und
erhielt im Jahre 1700 die Gestalt, in der Friedrich
sie sah. 1878 erfolgte der Ausbau der Sakristei, 1895
der Umbau des Turmes und 1902 wurde der sechste
und letzte Umbau vorgenommen. Die alte Kirchhof-
mauer schwand, und 1907 wurde die Einfriedigung
und die Anlage jener großen Treppenanlage vorge-
nommen, die man heute sieht. Ein verändertes Bild
bietet sich also jetzt dem Beschauer dar. Nur die alten
verwitterten Grabsteine erzählen noch von der Zeit,
als Caspar David Friedrich hier Einkehr hielt.
Friedrich sah mit seinem „geistigem Auge" diesen
Eingang zum Friedhof der schlichten Dorfkirche.
Schatten herrscht diesseits der Pforte. Auf braunen
Schollen liegen feine, durchsichtig graue Schleier. Zu
beiden Seiten der aneinandergefügten, ausgetretenen
Quadern ragen dürre Bäume, deren stumpfe Aste sieb
zu einem aufhellenden, gotischen Bogen verflechten.
Ein Sonnenstrahl bricht durch das schmale Tor und
ruht auf dem Rasenpolster zur Linken des Eingangs.
Doch von Stufe zu Stufe wird es heller, und in zart
leuchtendem Grün liegt Sonnenlicht. Frühling und
ewiges Leben kündend, auf dem hügeligen Rasen des
alten Friedhofes, wo wir zwei Kreuze und einen schrä-
gen Grabstein sehen. Weiße Wolken ziehen am licht-
blauen Himmel dahin. Vergangenes und irdisches
Leben diesseits des Einganges in den Frieden und zu-
kunftsfrohes Ewigkeitsleuchten jenseits der schmalen
Pforte, die hinüberführt. Ein Bild, wie es nur Caspar
David Friedrich aus den Tiefen seiner Seele hervor-
zaubern kann. In seinem Nachlaß fanden sich die
'\ erse:

Sinnet und grübelt wie ihr auch wollt
Geheimnis bleibet euch ewig der Tod
Aber Glaube und Liebe sieht
Freude und Licht jenseit dem Grabe.

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