Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 58.1942-1943

DOI Artikel:
Grohmann, Will: Zu einigen Blättern von Josef Hegenbarth
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16491#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Josef Hegenbarth. Illustration zur Geschichte von der abgehauenen Hand
aus Hauffs Märchen „Die Karawane"

Zu einigen Blättern von Josef Hegenbarth. Von W. Grohmann

J. Hegenbarth gehört zu den Künstlern, für die alles
zur Fabel, zum Märchen, zur phantastischen Ge-
schichte wird. Es ist nicht so, daß die Literatur, E. T.
A. Hoffmann, W. Hauff, Des Knaben Wunderhorn,
der Orient ihn anregten, seine Phantasie zieht kon-
geniale Dichter an, an denen seine Ausdruckskraft
sich entfalten kann wie die des geborenen Landschaf-
ters an der Natur. Das Poetische wird ihm wie den
Romantikern zum „absolut Reellen", das Märchen
zur erlösenden und erlösten Welt. Wenn er Dichtern
wie E. T. A. Hoffmann besonders nahe steht, so des-
halb, weil er wie dieser nicht die Blaue Blume sucht,
die nebelhafte Ferne, sondern sehenden Auges die
Alltagswelt überschreitet, um nur intensiver in das
Wunderland zu schauen.

Der gestalterische Vorgang vollzieht sich ganz ana-
log. Ob Hegenbarth Lieder und Kinderreime aus dem
„Wunderhorn" paraphrasiert wie „Des Königs Ladis-
laus Ermordung", Hauffs Märchen der „Karawane"
(Die Geschichte von Kalif Storch, Die Geschichte von
der abgebauenen Hand) oder den „Goldenen Topf"
von Hoffmann, Auge und Hand, beide formgeübt,
gehen von der Wirklichkeit aus, durchstoßen wäh-
rend des Arbeitsvorganges die Schale des Gewohnten
und schaffen eine neue Welt, in der es nichts aus-
macht, durch die Luft zu spazieren, mit Tieren sich zu
unterhalten, oder auch einmal auf dem Wege der
Metamorphose eine andere Gestalt anzunehmen. Das
Entscheidende ist, wie das erfolgt. Dem Zeichner und
Maler stehen nur die Mittel der Sichtbarkeit und des
Sichtbarmachens zur Verfügung, und diese müssen
glaubhaft sein. Ein Storch ist schließlich ein Storch

und ein Thron ein Thron. Handelt es sich wie im
vorliegenden Fall um schwarz-weiße Tuschpinsel-
bzw. Federzeichnungen, bleibt nicht mehr als Kontur.
Flächen, schwarz-weiße Kontraste und die unend-
lichen Stufungen von Licht und Schatten. Aber man
kann auch damit zaubern, und Hegenbarth tut es.
Da ist zunächst die Bewegung und Dramatik des Ge-
schehens. Es genügen ein paar Striche wie in der
Ballade, und man sieht die Gewalt des Vorgangs, die
Erschütterung, den Schrei. Gespensterhaft packt eine
Hand zu und entscheidet über Schicksal und Leben.
Das gelänge nicht, beherrschte Hegenbarth nicht die
Kunst der Andeutung. Erstaunlich, mit wie wenig
eine Stadt im Orient hinphantasiert ist oder ein Thron-
saal mit seinen gotischen Fenstern, ein prächtiger
Umzug oder eine figürliche Szene. Dabei kommt ihm
die schöpferische Kraft des Lichtes zu Hilfe, das Un-
nötiges verschluckt, ohne daß man es vermißte, und
Uberfluß hervorzaubert, ohne daß man ihn fassen
könnte. Es ist wie im Märchen, das Wirkliche und das
Uberwirkliche leben so voneinander, daß man die
Grenzen nicht mehr sieht. Wunderbar, wenn dann
ein tiefes Schwarz wie eine Posaune dazwischenfährt
und mit seinem Kontrast zum Licht Handlung oder
Ausdruck mit Spannung lädt. Das Ganze könnte
dann immer noch arabeskenhaft wirken oder illustra-
tiv im schlechten Sinne, käme nicht ein Sinn für Ab-
rundung hinzu. Die Blätter sind immer geschlossen,
so offen sie sich geben. Die Linien und Flächen haben
stets eine Mitte, die aus dem Formgefühl kommt,
nicht aus dem Gegenstand, sei es, daß eine Kurve wie-
der nach innen zurückschwingt oder eine Helligkeit

122
 
Annotationen