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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 58.1942-1943

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Christoffel, Ulrich: Poussin und Claude: ihre Jahres- und Tageszeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.16491#0080

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Nicolas Poussin. Der Frühling oder AdarrMjnd Eva

Louvre, Paris

Poussin und Claude. Ihre Jahres- und Tageszeiten. Von Ulrich Christoffei

Der Normanne Nicolas Poussin und der Lothringer
Claude Gelee, der eine seit 1624, der andere von 1614
bis 1625 und dauernd seit 1627 in Rom tätig, tra-
fen sich bei dem deutschen Maler und Verfasser der
..Teutschen Akademie" Joachim von Sandrart, der
mit ihnen hinauszog zu den Wasserfällen von Tivoli.
Sandrart verehrte den „scharf-und tiefsinnigen Geist"
Poussins, und dem einfachen, milden Claude brachte
er ein freundliches Wohlwollen entgegen. In ihrem
Ideal der Naturbetrachtung und Darstellung und in
ihrer Liebe zu dem Goldenen Zeitalter der Bibel und
der griechischen Mythen übereinstimmend, waren
Poussin und Claude als Charaktere wieder so verschie-
den, daß eine tiefere Freundschaft zwischen ihnen
nicht entstehen konnte. Poussin war ein Denker, der
die künstlerischen Aufgaben der Formzeichnung
und Bildordnung bewußt aufgriff, gleichzeitig aber
das Gedachte mit seinem dionysischen Temperament
flammend durchdrang. Claude, ein Naturkind, träu-
mend der schönen Erscheinung der Landschaft hin-
gegeben, fragte nicht nach dem Grund der Dinge oder

dem Warum der Form. Harmonisch gestimmt, glich
er einem klaren Spiegel, der nicht ahnte, daß die
Größe der Zeitempfindung in ihm ihr Bild suchte.
Poussin, in sich zerrissen, vielschichtig und düster,
verlangte nach einer Synthese des Persönlichen in
der Kunst. Die menschliche Figur als das plastisch
begrenzte und in sich ruhende Endliche wollte er mit
dem Naturunendlichen der Landschaft versöhnend
vereinigen.

Beide, der Idealist und der Schwärmer, wie Sonne
und Mond sich fliehend und anziehend, lebten einsam
in Rom, unbekümmert um das Leben der Menschen
und das Treiben der Künstler, wie ihr A^orläufer Adam
Elsheimer nur der eigenen Kunst zugetan. Fern der
Heimat vertraten sie doch den Geist ihres Volkes. Sie
waren malerische, dichterische, musikalische Naturen.
Mit einer ursprünglichen Sinnlichkeit und Farbigkeit
des Empfindens verbanden sie den zeitgegebenen
Hang zu der durchsichtigen und bestimmten Teilung
und Gliederung der Fläche und zum kubischen Bau
des Raumes. Beide zeichneten vor der Natur und

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