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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1882

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Friedrich, Carl: Geschichte der Elfenbeinschnitzerei, [4]
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frühen und fortgeschrittenen Kultur empfingen. Als ein
Volk aber von eigenartigen Geistesanlagen machten sich die
Etrusker bald los von den Fesseln der alten Traditionen
und der überkommenen konventionellen Kunstformen; sie
suchten alsbald, wenn auch anfangs noch roh und unbe-
holfen, ihrem angeborenen Natursinne Ausdruck zu geben,
in der Darstellung der Muskeln, der paare und Gewandung
die Wirklichkeit nachzuahmen. Die griechische Kunst kam
ihr in diesem Streben in der Folge zu so daß sie in

kurzer Zeit eine gewisse pöhe, namentlich in kunstgewerblicher
Beziehung erreichte, bis sie endlich mit der römischen Kunst
eins wurde und in derselben vollständig aufging.

Dieser ganze Entwicklungsgang läßt sich an den Elfen-
beinskulpturen, so spärlich deren Reste auch sind, dennoch deut-
lich genug erkennen. So wurde z. B. vor etwa zwanzig
fahren in Palestrina, dem alten Präneste, eine Elfenbein-
schnitzerei gefunden mit dem Relief zweier kämpfender
Löwen, das noch vollständig das Gepräge der assyrischen
Kunst trägt. Ueberhaupt scheinen die Phönizier den Etrus-
kern anfangs weniger Rohmaterial als vielmehr fertige
Produkte geliefert zu haben, wie dieß eben ihre national-
ökonomischen Rücksichten erheischten. In den letzten Jahren
sind mehrere Stücke veröffentlicht worden,») die ihrem
ganzen Eharakter nach als importirte Maare gelten müssen.
Dagegen macht sich an einigen anderen Arbeiten neben dem
allgemeinen ägyptischen oder orientalischen Gepräge schon
der Einfluß des heimischen Kunstbetriebes bemerkbar IO) und
von da an muß es als ausgemacht gelten, daß die Phö-
nizier nicht mehr bloß fertige Produkte in Etrurien ein-
führten , sondern ebenso auch unverarbeitetes Elfenbein.
Das wichtigste Denkmal, welches uns die etruskische Kunst
bereits als selbständig gewordene kennen lehrt, sind jene
vier in Korneto (Tarquinii) ausgegrabenen Elfenbeintafeln,
welche perr Professor Vr. Heinrich von Brunn, eine
der ersten Autoritäten auf diesem Gebiete, publizirt hat. ”)
Sie trugen Spuren von Vergoldung und Bemalung. Die
Reliefe, mit denen sie geschmückt sind, geben zum Theil
Szenen des wirklichen Lebens, zum Theil mythologische
Gegenstände. Diese Schnitzereien zeigen die etruskische Kunst,
wie gesagt, bereits auf der Stufe technisch und stilistisch
selbständiger Durchbildung. (Fig. s.)

Von da an scheint das Elfenbein, wie bei den übrigen
Völkern, so auch in der Gunst der Etrusker fortwährend
gestiegen zu sein. Die technischen Schwierigkeiten, welche der
spröde Stoff bietet, hatten sie überwinden gelernt, ja es zur
Meisterschaft in der Bearbeitung gebracht, wie sie auch
Meister des Erzguffes und anderer Künste waren. Wir
staunen heutzutage noch über die technische Vollendung ein-
zelner Arbeiten, die in etruskischen Gräbern, hauptsächlich
zu Thiusi, Kalvi und palestrina gefunden wurden und jetzt
im brittischen Museum, in der Sammlung Eastellani und
in der Barberini - Bibliothek zu Rom aufbewahrt werden.
Da sind zunächst eine ziemlich große weibliche Büste aus

9) The Archaeologia, vol. XLI, pl. V. VIII. — Annali dell’
Inst. 1866, tav. GH.

10) Monumenti dell’ Inst. X. 31. 3. — Ibid. tav. 38a. (Text:
Annali dell’ Inst. 1876 und 1877.)

11) Mon. dell’ Inst, VI. 46 (Text! Annali dell’ Inst. 1860,
p. 478). — Line der Tafeln auch bei Lübke, Geschichte der Plastik,
3. Aust. S. 293, Fig. 188 abgebildet.

der Zeit der römischen Republik und ein kleiner Pferdekopf
zu nennen,12) beide in ihrer Vortrefflichkeit an die griechischen
Werke der besten Zeit, erinnernd. Sehr interessant ist so-
dann der Kops einer Gorgo, nach Maskell's Vermuthung
wahrscheinlich einst ein Knopf für ein Frauenkleid. Von
bewunderungswürdigem Ausdruck sind ferner zwei neben
einanderliegendene Löwen, resp. Köpfe, da von den Leibern
nur Theile erhalten sind; ebenso ein anderer Löwenkops,
der den Abschluß einer Spiegelhandhabe gebildet haben
mag. Erwähnung verdient endlich noch eine etwa dem
2. Jahrhundert v. Ehr. ungehörige, sehr feine Knaben-
statuette. I3 14) Einzelne dieser Werke sind von solcher Schön-
heit und von so geistvoller Ausführung, daß man sich ver-
sucht fühlen könnte, an griechische Künstlerhände zu denken.
Indeß braucht man zu diesem Auskunftsntittel nicht zu
greifen, wenn man sich erinnert, wie hoch das Elfenbein
bei den Etruskern in Ehren stand. Wissen wir doch aus
Dionys von palicarnaffus, daß sogar die Attribute der
etruskischen Könige, Szepter und Thron, aus diesem kost-
baren Stoffe bestanden.

* *

*

Von den Etruskern ging die Elfenbeinschnitzerei zu
den Römern über. Schon König Tarquinius hatte, dem
Beispiele der Etruskerkönige folgend, Szepter und Thron
sich aus Elfenbein fertigen lassen. Auch nach der Ver-
treibung der Könige liebten die Römer die einmal ange-
nommene Zierde des Elfenbeins, wie wir aus den aller-
dings spärlichen Nachrichten schließen können. So wissen
wir, daß der Stuhl, welchen der Senat dent Könige por-
senna bei Gelegenheit des Friedensschlusses schenkte, mit
plastischen Ornamenten aus Elfenbein geschmückt war.'ff
Ans demselben Stoffe war der Stab, mit welchem M.
Papirius den Gallier schlug, der ihn mit Barte zupfte.
Aus Elfenbein waren überhaupt die Szepter (scipicmes),
sowohl jene, welche Königen zum Geschenke gemacht wurden,
wie die der Konsuln; ebenso die kurulischcn Stühle der
Konsuln und Senatoren. 2111 diese Dinge hatten die Römer
von den Etruskern überkommen und anfangs jedenfalls
sogar von ihnen bezogen.

Bald aber machte sich in Rom der griechische Einfluß
geltend, namentlich seitdem Griechenland eine römische
Provinz geworden war ((^6 v. Ehr.). Seitdem kamen
mit den übrigen Kunstschätzen auch zahlreiche werthvolle
Elfenbeinskulpturen nach Rom und Italien. Es gehörte
bald zum guten Tone, in seinem Pause den Schmuck elfen-
beinerner Skulpturen zu haben. Wie mit Bedauern spricht
Poraz davon, daß seine Wohnung nicht von Gold und
Elfenbein erglänze. In der letzten Zeit der Republik und
am Anfänge der Kaiserzeit war der Verbrauch dieses kost-
baren Stoffes in Anbetracht der damaligen beschränkten
Verkehrsverhältnisse ein ganz enormer. Bei einem Triumph-
zuge Läsars sollen ganze Städte in Elfenbein geschnitzt mit

12) Maskell, Ivories ancient and mediaeval, 187;, p. 20. —
Derselbe, Catalogue of ivories in the South Kensington Museum,
1872, Preface, p. XX.

13) vgl. auch Dr. J. V. Westwood, Fictile ivory casts in the
South Kensington Museum, N. 1. 2. 5., p. 343, 354.

14) Die Denkmäler der Llfenbeinplastik des Großherzogi. Mu-
seums in Darmstadt, von bsofrath Dr. G. Schäfer. Darmstadt 1872,
Aug. Klingelhöffer, S. 16.
 
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