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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1882

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Huttler, Anton: Das Buch als Gegenstand des Kunstgewerbes, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7026#0052

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Das Buch als Gegenstand des Nnnstgewerbes.

Von Dt\ puttler.

(Schluß.)

ir haben gesehen, daß die Erfindung des
Buchdruckes bereits in die Verfallzeit der go-
thischen Kunstperiode hineinfiel; in Italien war
das neue Kunstleben der Renaissance über
ein halbes Jahrhundert bereits erwacht; in den Italien
zunächst gelegenen deutschen Ländergebieten und den gro-
ßen Emporien, welche mit Italien in regem Verkehre
standen, dämmerte gleichfalls schon das Morgenlicht
einer neuen Kunstepoche und so ist es begreiflich, daß die
Typographie als Kunst der dahin sterbenden Gothik keine
neuen Blüthen abzulocken vermochte; und wenn sich auch
die gothische Schrift und der gothisch verzierte Initial-Buch-
stabe, sowie das gothische Ornament und die Umrahmung von
Titelseiten in den Wiegendrucken des f5. Jahrhunderts und
selbst bis zu Anfang des \6. am längsten noch in Frank-
reich und am Niederrhein, sowie in Holland und Belgien
erhalten hat, so sah man doch all diesen Schöpfungen das
Ermatten des treibenden Kunstprinzips an, das vielfach bereits
mit den Elementen des neu aufkommenden Styles sich
versetzte.

Eine vortreffliche Leistung aus dieser Zeit ist noch die
Umrahmung der in Köln gedruckten niederländischen Bibel
von f^82 und eine ganz eigenthümliche Blüthe trieb die
gothische Kunstform in den französischen sogenannten
Divres 6'beures, beliebten und vielverbreiteten Gebet-
büchern, bei denen jede Seite eine eigene Umrahmung meist
mit den Bildern aus der Lebens- und Leidensgeschichte
Ehristi und ihren alttestamentlichen Gegenstücken, Todten-
tänzen oder blos phantasievollen Ornamenten-Schmuck
aufwies.

Wie das von der Typographie verwendete gothische
Ornament nur spärlich mehr in stylgerechter Reinheit sich
erhielt, sehr bald aber in einen Uebergangsstyl überging, in
welchem es sich äußerlich und innerlich mit den Formen
der Renaissance amalgamirte, bis die letztere sich vollends
durchrang und zur Alleinherrschaft gelangte, so verhielt es
sich ähnlich auch mit der Schrift. Fast sofort nach Ent-
stehung der Buchdruckerkunst und nachdem dieselbe durch
deutsche Meister in aller Herren Länder, vorzugsweise nach
Italien verpflanzt wurde, erhielt die alte gothische Mönchs-
schrift eine kräftige Rivalin an der auch im Buchdruck
wieder auflebenden römischen, sogenannten Antiqua-Schrift.
Es geschah das zunächst in Italien. Als die Erfindung
Gutenbergs dort in Venedig, Mailand, Florenz, Foffom-
brone, Rom und Subjaco Wurzel schlug, stand das Kunst-
leben Italiens int Geiste der Renaissance bereits in höchster
Blüthe. Unmöglich konnte aber dort die aus Deutschland
von den ersten Meistern importirte gothische Schrift mit der
klassischen Ornamentik sich mischen, und gelang es dort den
deutschen Meistern, zuerst eine wahrhaft prachtvolle, klassische
Antiqua-Schrift für den Buchdruck herzustellen, die später
von einzelnen großen Meistern der Buchdruckerkunst, wie
den Aldinen in Venedig, der Familie Stephanus in Paris,
der Plantinischen Offizin in Antwerpen, den Elzeviren im

Einzelnen noch vervollkommnet worden ist, in ihrem Grund-
prinzip aber nlustergiltig für alle Zeit dastehen wird.

Während in Italien also sonach schon seit den An-
fängen des Buchdruckes die römische Antiquaschrift zur un-
bestrittenen Herrschaft gelangte, dauerte es noch lange, bis
dieselbe in anderen Ländern sich einbürgerte, und in Deutsch-
land ist ihr das sogar leider nie ganz gelungen. Einzelne
Buchdrucker, welche sehr früh den Versuch dazu wagten,
scheinen dabei sogar sehr üble Erfahrungen erlebt zu haben.
Schon {^72 finden wir von dein ersten Buchdrucker Augs-
burgs Günther Zainer zwei Werke, namentlich das eine
mit einer wunderbar schönen Antiqua gedruckt, die er
offenbar aus Italien bezogen, aber der noch ganz in der
Gothik steckende konservative Sinn seiner deutschen Lands-
leute perhorreszirte feine Neuerung in dem Maße, daß er
diese Schrift niemals inehr zur Anwendung brachte, dafür
aber wieder zu einer zieiiilich klobigen Gothik griff. Noch
dreißig Jahre später passirte gleiches Schicksal deni be-
rühmten Augsburger Buchdrucker imd genialen Meister
Ehrhard Ratdold. Derselbe war schon am Anfang der
70 er Jahre des (5. Jahrhunderts nach Venedig überge-
siedelt und man verdankt gerade seiner Druckerei die pracht-
vollsten im Style der edelsten Renaissance mit Zierbuch-
staben und Ornamenten versehenen Druckleistungen.

Von all diesem herrlichen Apparat konnte er nach
seiner Rückkehr nach Augsburg keinen Gebrauch machen,
er niußte sich dem herrschenden Zeitgeschniacke anbequemen
und feine in Augsburg gedruckten Werke zeigen wieder die
gothische Schrift, die er allerdings durch Milderung der
scharfen Kanten und Ecken in etwas der Antiquaschrift zu
nähern suchte.

Ueberhaupt zeigen die Druckwerke aus der Uebergangs-
zeit, auch wenn sie in gothischen Lettern gehalten sind, eine
Art Annäherung an die römische Schrift, so daß man mit
Recht von einer Semigothik reden kann.

Frühe schon wurde die eigentliche streng gothische
Schrift nur mehr für Kirchenbücher angewendet. Für
wissenschaftliche Werke dagegen eine bedeutend kleinere, der
Schreibschrift, und darum auch der Antiqua sich nähernde,
aus welcher in Deutschland nach und nach sich unsere so-
genannte Schwabacher herausbildete, während in den ro-
manischen Ländern der Uebergang zur antiken Schrift sich
vollständig vollzog.

Soviel von der Entwickelung der Schrift. Wir wenden
uns nun zu der Ornamentirung des Buchdruckerzeugnisses
in der Renaissancezeit.

Selbstverständlich weist der Ursprung dieser Kunstepoche
auf Italien hin. Ein volles Säkulum war in Italien die
Sonne jenes Geistestages aufgegangen, den Ulrich von
Putten nnt dem Iubelruf begrüßte: „O Jahrhundert, die
Geister erwachen, die Studien blühen, es ist eine Lust zu
leben!"

Und merkwürdiger Weife war es in Italien das ganze
Volk, das von diesem neuen Geiste sich tragen ließ. Die
 
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