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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Springer, Anton: Die Aufgaben der graphischen Künste, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0169

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Die Aufgaben der graphischen Künste. — Todesfälle.

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der Forderung eines farbigen Charakters der Buch-
ausstattung nicht der gangbare Farbendruck em-
pfohlen werden. Derselbe gebraucht viel zu starke
Töne, erscheint als ein nachträglicher Überzug der
Zeichnung mit dicker Farbe. Dadurch trennt sich,
von anderen Mängeln abgesehen, die Illustration zu
sehr von dem Texte ab. Wir verlangen im Gegen-
teil den Eindruck, als ob der Künstler die Illustra-
tion gerade für die Stelle des Blattes, welche sie ein-
nimmt, erfunden hätte, als ob wir den Künstler selbst
bei der Arbeit sähen, wie er mit leichter Hand,
nicht als strenger Maler, sondern als Illustrator den
Pinsel führt, in Farben gleichsam zeichnet. In der
Weise wie Aquarellbilder, leicht getuscht, flüßig ge-
färbt, eher an die Skizze, als an ein mühsam aus-
geführtes Bild erinnernd, denken wir uns die neuen
Illustrationen hergestellt und dafür die Mittel des
photomechanischen Druckverfahrens in Anspruch
genommen. Dass wir keinem Hirngespinste nach-
gehen, dafür berufen wir uns zunächst auf Dürers
Vorbild. Seine Randzeichnungen zu dem Gebet-
buche Kaiser Maximilians sind nach einer Seite die
freiesten Improvisationen, nach der anderen Seite
die an den Text auf das innigste sich anschmiegen-
den Illustrationen, welche sich aus der vergangenen
Kunst erhalten haben. Dabei diese Leichtigkeit der
Zeichnung, diese Fülle neuer Formgedanken, bei
scheinbarer Flüchtigkeit diese feste Sicherheit der
Feder! Dürers Beispiel fand keine nennenswerte
Nachahmung. Die graphischen Künste seiner Zeit
schlugen eine andere, man möchte sagen spieß-
bürgerlich gröbere Richtung ein und verhielten sieh
gegen die skizzenhafte, aber geistvolle Illustration
spröde. So blieb es künftigen Jahrhunderten vor-
behalten, an Dürers Beispiel anzuknüpfen.

Wir lenken sodann die Aufmerksamkeit auf so
manche trefflich gelungene französische Illustrations-
proben, welche in Wirklichkeit das leisten, was wir
als die Hoffnung und den Wunsch der Kunstfreunde
in dürftige Worte kleiden konnten. Gewählt aber
wurden diese Beispiele, um zu zeigen, dass keines-
wegs ein Anlass zu schlimmsten Befürchtungen, zu
einer Verzweiflungsklage vorliege, die künstlerische
Thätigkeit auch in der Gegenwart lohnende Auf-
gaben fördere, gerade der Anschluss an das photo-
mechanische Verfahren der Phantasie neue An-
regungen zuzuführen im stände sei. Es ist ein
müßiges Gerede, dass der Künstler fortan zum Hand-
werker herabsinken müsse. Legt er die Hände nicht
selbst mutlos träge in den Schoß, hört er nicht auf
zu kämpfen und zu ringen, so braucht er nicht zu

verzagen. Bleiben wird eine Scheidung zwischen
dem wahren Künstler und dem bloßen Handwerker.
Diese bestand bereits in alten Zeiten und wird nie-
mals aufgehoben werden. Nicht minder thöricht ist
die Meinung, als ob im Bereiche der graphischen
Künste die Erziehung von nun an auf ganz andere
Grundlagen müsse gestellt werden. Die künstlerische
Erziehung bleibt nach wie vor die richtige Grund-
lage eines gedeihlichen Wirkens, schon um ein festes
Gegengewicht gegen die bloße technische Geschick-
lichkeit zu schaffen. Ihre Notwendigkeit wird um
so heller leuchten, je großartiger sich die techni-
schen Fortschritte in Zukunft gestalten werden. Un-
geahnt reiche und mannigfaltige, dabei leichte und
bequeme Mittel werden der Phantasie zur Verkör-
perung ihrer Gebilde dargeboten. Sie können nur
ausgenutzt werden, wenn die Phantasie richtig ge-
schult, der Formensinn unaufhörlich geübt und ent-
wickelt, also die künstlerische Kraft genährt wird.
Leipzig, im Oktober 1890.

TODESFÄLLE.

Charles Verlat, der Direktor der Kunstakademie zu Ant-
werpen ist kürzlich daselbst mit großem Gepränge bestattet
worden. Er hatte zwar weder das Genie noch das Talent
der großen belgischen Künstler von ehedem. Aber er war
doch ein Künstler von feiner schmiegsamer Individualität,
von durchdringendem ästhetischen Reiz. Er machte
seine ersten Studien an der Akademie, die ehemals von
Wappers geleitet wurde; zugleich besuchte er das Atelier
von Nicaise de Keyser. Von Antwerpen ging der Künstler
nach Paris, wo er zwanzig Jahre blieb. Dort wurde schon
der sich entwickelnde Realismus hauptsächlich durch Courbet
gepriesen und man begann die romantischen Bestrebungen
zu vergessen. Eins der Gemälde, die den Ruhm des Künst-
lers befestigten, war die Handreichung (Coup de collier), die
das Museum zu Amsterdam besitzt. Der Künstlerkongress
von 1868 brachte Verlat in Beziehungen mit dem Großherzog
von Sachsen-Weimar. Wie van Dyck der Maler Karls 1., wurde
er der Hofmaler des großherzoglichen Palastes. Er leitete
die künstlerische Erziehung der Prinzessinnen, wurde mit
Liszt bekannt und sah sich endlich an der Spitze der Kunst-
schule zu Weimar, der er fünf Jahre vorstand. Von da
ging Verlat nach dem Orient, wo er die Pyramiden, die
Sphinx, die Ufer des Nils und das Leben im alten Pharaonen-
lande malte. Hierauf begab er sich nach Jerusalem, von
wo seine bedeutendsten Gemälde stammen: Vox populi
vox Dei und das Grab des Heilandes. Am 22. August 1876
wurde er wirkliches Mitglied des akademischen Körpers der
Stadt Antwerpen, am 15. Oktober 1885 vertraute ihm ein
königlicher Erlass die Leitung der Kunstakademie an. Die
verschiedenartigsten Werke, biblische Scenen, Porträts, Genre-
und vor allem Tierbilder sichern Verlat eine besondere Stelle
in der Kunstwelt. Seine Maria im Museum zu Antwerpen
ist ein Werk ersten Ranges. Seine Artenparodien sind sehr
ergötzlich und geistreich. — Verlat hatte Eigenschaften, die
manchem unserer Künstler abgehen: Einbildungskraft, öer
danken, Eigentümlichkeit, Enthusiasmus.

P. d'HONDT.
 
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