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Sammlungen
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damerstraße 38, eröffnet wird, sind gegen 900 Bilder und
Plastiken angemeldet worden. Die Einsendung der Kunst-
werke, die hier anonym erfolgt, bietet für die Künstlerschaft
gewisse wesentliche Vorzüge. Jedes Werk muß die drei-
fache Jury des Berliner Künstlerbundes passieren, so daß dem
Wunsche der Künstler nach unparteiischer Beurteilung voll-
auf Rechnung getragen wird. Bei der letzten Ausstel-
lung wurde der dritte Teil der gesamten Werke ver-
kauft. Die Herbstausstellung wird besonderes Interesse
dadurch bieten, daß dem Humor und der Satire ein eigener
Platz eingeräumt wird.
Ausstellung japanischer Farbenholzschnitte im
ethnographischen Museum zu Leiden. Eine erfreuliche
Neuerung hat die graphische Abteilung des ethnographischen
Museums in Leiden eingeführt; dort werden jetzt aus dem
großen Bestände an japanischen Farbenholzschnitten wech-
selnde Ausstellungen veranstaltet. Die erste derartige Aus-
stellung fand in den Monaten Juni, Juli und August statt.
Der neue Konservator, Dr. Visser, der mit der Ordnung
der Sammlung betraut ist, hatte hierzu einen illustrierten
Führer geschrieben, der das Verständnis und den Genuß
dieser für das große Publikum im Anfang so fremdartigen
Kunst sehr erleichterte. Die Sammlung, die ungefähr 3000
japanische Farbendrucke zählt, setzt sich aus zwei Grund-
stöcken zusammen, aus den Sammlungen des 1815 im Haag
gegründeten und 1883 aufgelösten »Kabinet van Zeldzaam-
heden«, in das die Privatsammlungen Royer und besonders
Cock Blomhoff und van Overmeer Fischer aufgegangen
sind, und der Sammlung des deutschen Naturforschers von
Siebold, die 1837 vom niederländischen Staate angekauft
und in Leiden als ethnographisches Museum eingerichtet
wurde; hierzu wurde später außerdem die deutsche Samm-
lung Vogel erworben. — Der älteste der in der augenblick-
lichen Ausstellung gezeigten Holzschnitte ist vom vierten
Matabei (1640-1730); er stellt einen als Bettelmönch ver-
kleideten Dämon dar, in kräftigen, bunten Farben. Der
Druck selbst stammt jedoch aus jüngerer Zeit; denn die
Matabeis verstanden noch nicht mit Farben zu drucken;
sie bemalten die Holzschnitte nur mit der Hand. Von dem
Begründer der Torii-Schule, von Kiyonobu (1644-1729),
der nach der Überlieferung die ersten eigentlichen Farben-
drucke anfertigte, besitzt das Museum keine Arbeiten, wohl
aber ein Blatt von Okumura Masanobu, zwei Schauspieler
in weiblichen Rollen darstellend. Ein anderer Künstler der
Torii-Schule, Hishikawa Kiyoharu, war durch eine Dar-
stellung einer Prozession vertreten, eine meisterhafte Kom-
position, in der die dichtgedrängte Volksmenge, die die
lange Straße erfüllt, und die verschiedenen Typen im Vorder-
grund besonders gut wiedergegeben sind. Von Torii III,
Kiyomitsu, (1735-1785) waren zwei Holzschnitte ausge-
stellt; auf dem einen sieht man eine Dame, die eine Katze
mit einem Papierstreifen spielen läßt, auf dem andern ist
der Riesenknabe Kintaro mit seinem Bären abgebildet.
Das bedeutendste Mitglied der Torii-Schule, Kiyonaga
(1742-1815), war im ganzen durch 15 Blätter vertreten, die
sowohl in der vornehmen Farbengebung wie der Feinheit
der Zeichnung die hohe Kunst dieses Meisters zeigten.
Besonders hervorheben muß ich hier die auch im Katalog
reproduzierte Besuchsszene, die durch die Anmut der Be-
wegungen dieser Damen und die Zartheit der Linienführung,
so namentlich in dem Faltenwurf der weiten Gewänder,
yon der höchsten Distinktion ist; von einem mehr intimen,
Ja gemütlichen Charakter ist eine andere Vorstellung des-
selben Meisters: im Garten vor dem Hause sitzt eine an-
gelnde Dame, neben ihr stehen ein Herr und eine Dame,
der erstere eine Tonpfeife rauchend, im Hause sieht man
an dem geöffneten Fenster ein anderes Pärchen in ange-
regter Unterhaltung; reizend ist hier auch das Landschaft-
liche, der hohe Ahornbaum und die Kiefern, die in dem
Garten stehen. Voll Leben und meisterhaft in der Cha-
rakteristik der Masse Figuren ist von demselben Meister
eine dreiteilige große Darstellung einer feierlichen Prozession
nach dem Tempel des Gottes Sanno in Yedo. Der letzte
in der Reihe der hier vertretenen Toriis ist Torii V., Kiyo-
mine (1786-1868), während von dem letzten dieser Schule,
Torii VI., der erst 1892 starb, das Museum keine Holzschnitte
besitzt. — Nur lose mit der Toriischule verbunden ist die
große Gestalt des Suzuki Harunobu (1618-1770), der
sich von Toriis schon durch seine Stoffwahl unterscheidet,
da er fast nie Schauspieler, sondern nur Frauen darstellt;
er war durch 30 Blätler am reichhaltigsten in der Aus-
stellung vertreten. Eine reizende Arbeit von ihm ist eine
Winterszene: ein kleines Mädchen hat einen großen Hund
aus Schnee gemacht und ist gerade damit beschäftigt, ihm
auch ein Auge zu malen, zwei größere Mädchen stehen
dabei und schauen zu. Eine andere gute Probe seiner
Kunst ist eine Wochenbettstube, die durch die treue, bis
in Einzelheiten sorgfältige Beobachtung an ähnliche Vor-
stellungen (Geburt der Maria) aus der Kunst der deutschen
oder niederländischen Primitiven erinnert; dieselbe Freude
an den kleinen Dingen und Zügen der Wirklichkeit spricht
daraus. — Den Reigen der Ausstellung beschließen zwei
Schüler Harunobus, Isoda Shobei, der bekannter ist unter
dem Namen Koryusai (f 1781), der durch sechs Blätter
vertreten war, darunter eine sehr kräftig gezeichnete Dar-
stellung des Spaziergangs einer Kurtisane, und dann Su-
zuka Harushige, sein Sohn. m. d. h.
Chemnitzer Kunsthütte. Während die Palmie'-Oe.
dächtnis-Ausstellung noch bis Mitte Oktober dauern wird,
sind für die Oktoberausstellung folgende Kunstwerke ein-
getroffen: Gemälde-Kollektionen von Graf Leopold von
Kalckreuth, Fritz Oßwald (München), Rosa Schaffner (Chem-
nitz) und Meta Voigt (Leipzig); ferner Einzelbilder von
Karl Hansel (Dresden), Max Benndorf (Leipzig) und Stephan
Kolbe (Neustadt); endlich Aquarelle von Otto Engelhardt
(Burg), und Radierungen von A. F.Schinnerer (Tennenlohe).
SAMMLUNGEN
Der nun seit einem Vierteljahr als Leihgabe in der
Alten Pinakothek zu München ausgestellte »Laokoon«
von Greco, der früher den Palacio de Santelmo des Her-
zogs von Montpensin zu Sevilla zierte, gehört zu den merk-
würdigsten Schöpfungen des Toledaner Meisters. Bei dem
Tod des Künstlers im Jahre 1614 stand das Bild noch im
Atelier Grecos, wie wir aus dem »Inventar der Mobilien«
wissen, das der Sohn des Malers am 12. April 1614 ver-
faßt hat. Es wird dort »ein großer Laokoon« aufgeführt,
neben zwei kleineren Darstellungen des gleichen Sujets,
die heute leider verschollen sind. Der »Laokoon« gehört
der Spätzeit des Künstlers an. Er zeigt in interessantester
Weise, wie stark Greco bis in die letzten Jahre hinein sich
neben koloristischen Problemen auch mit rein formalen
beschäftigt hat. Man sieht eine Reihe aufs heftigste be-
wegter nackter männlicher Gestalten, die in höchst eigen-
artiger, unerhört kühner Weise in den Raum eingeordnet
sind. An »historischer Treue« der Darstellung war dem
Künstler sehr wenig gelegen. Das Laokoonmotiv war für
ihn eben nichts mehr als ein Motiv, eine Anregung. Ob
der Meister mit der hier vorliegenden Lösung der schweren
Aufgabe schon ganz zufrieden war, möchten wir dahin-
gestellt sein lassen. Trotz dem Rhythmus, der diese Kom-
position belebt, trotz den eigenartigen Stellungen und der
seltsamen Raumwirkung (man wird mehrfach etwas an
Marees erinnert) wirkt das Ganze doch noch etwas pro-
Sammlungen
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damerstraße 38, eröffnet wird, sind gegen 900 Bilder und
Plastiken angemeldet worden. Die Einsendung der Kunst-
werke, die hier anonym erfolgt, bietet für die Künstlerschaft
gewisse wesentliche Vorzüge. Jedes Werk muß die drei-
fache Jury des Berliner Künstlerbundes passieren, so daß dem
Wunsche der Künstler nach unparteiischer Beurteilung voll-
auf Rechnung getragen wird. Bei der letzten Ausstel-
lung wurde der dritte Teil der gesamten Werke ver-
kauft. Die Herbstausstellung wird besonderes Interesse
dadurch bieten, daß dem Humor und der Satire ein eigener
Platz eingeräumt wird.
Ausstellung japanischer Farbenholzschnitte im
ethnographischen Museum zu Leiden. Eine erfreuliche
Neuerung hat die graphische Abteilung des ethnographischen
Museums in Leiden eingeführt; dort werden jetzt aus dem
großen Bestände an japanischen Farbenholzschnitten wech-
selnde Ausstellungen veranstaltet. Die erste derartige Aus-
stellung fand in den Monaten Juni, Juli und August statt.
Der neue Konservator, Dr. Visser, der mit der Ordnung
der Sammlung betraut ist, hatte hierzu einen illustrierten
Führer geschrieben, der das Verständnis und den Genuß
dieser für das große Publikum im Anfang so fremdartigen
Kunst sehr erleichterte. Die Sammlung, die ungefähr 3000
japanische Farbendrucke zählt, setzt sich aus zwei Grund-
stöcken zusammen, aus den Sammlungen des 1815 im Haag
gegründeten und 1883 aufgelösten »Kabinet van Zeldzaam-
heden«, in das die Privatsammlungen Royer und besonders
Cock Blomhoff und van Overmeer Fischer aufgegangen
sind, und der Sammlung des deutschen Naturforschers von
Siebold, die 1837 vom niederländischen Staate angekauft
und in Leiden als ethnographisches Museum eingerichtet
wurde; hierzu wurde später außerdem die deutsche Samm-
lung Vogel erworben. — Der älteste der in der augenblick-
lichen Ausstellung gezeigten Holzschnitte ist vom vierten
Matabei (1640-1730); er stellt einen als Bettelmönch ver-
kleideten Dämon dar, in kräftigen, bunten Farben. Der
Druck selbst stammt jedoch aus jüngerer Zeit; denn die
Matabeis verstanden noch nicht mit Farben zu drucken;
sie bemalten die Holzschnitte nur mit der Hand. Von dem
Begründer der Torii-Schule, von Kiyonobu (1644-1729),
der nach der Überlieferung die ersten eigentlichen Farben-
drucke anfertigte, besitzt das Museum keine Arbeiten, wohl
aber ein Blatt von Okumura Masanobu, zwei Schauspieler
in weiblichen Rollen darstellend. Ein anderer Künstler der
Torii-Schule, Hishikawa Kiyoharu, war durch eine Dar-
stellung einer Prozession vertreten, eine meisterhafte Kom-
position, in der die dichtgedrängte Volksmenge, die die
lange Straße erfüllt, und die verschiedenen Typen im Vorder-
grund besonders gut wiedergegeben sind. Von Torii III,
Kiyomitsu, (1735-1785) waren zwei Holzschnitte ausge-
stellt; auf dem einen sieht man eine Dame, die eine Katze
mit einem Papierstreifen spielen läßt, auf dem andern ist
der Riesenknabe Kintaro mit seinem Bären abgebildet.
Das bedeutendste Mitglied der Torii-Schule, Kiyonaga
(1742-1815), war im ganzen durch 15 Blätter vertreten, die
sowohl in der vornehmen Farbengebung wie der Feinheit
der Zeichnung die hohe Kunst dieses Meisters zeigten.
Besonders hervorheben muß ich hier die auch im Katalog
reproduzierte Besuchsszene, die durch die Anmut der Be-
wegungen dieser Damen und die Zartheit der Linienführung,
so namentlich in dem Faltenwurf der weiten Gewänder,
yon der höchsten Distinktion ist; von einem mehr intimen,
Ja gemütlichen Charakter ist eine andere Vorstellung des-
selben Meisters: im Garten vor dem Hause sitzt eine an-
gelnde Dame, neben ihr stehen ein Herr und eine Dame,
der erstere eine Tonpfeife rauchend, im Hause sieht man
an dem geöffneten Fenster ein anderes Pärchen in ange-
regter Unterhaltung; reizend ist hier auch das Landschaft-
liche, der hohe Ahornbaum und die Kiefern, die in dem
Garten stehen. Voll Leben und meisterhaft in der Cha-
rakteristik der Masse Figuren ist von demselben Meister
eine dreiteilige große Darstellung einer feierlichen Prozession
nach dem Tempel des Gottes Sanno in Yedo. Der letzte
in der Reihe der hier vertretenen Toriis ist Torii V., Kiyo-
mine (1786-1868), während von dem letzten dieser Schule,
Torii VI., der erst 1892 starb, das Museum keine Holzschnitte
besitzt. — Nur lose mit der Toriischule verbunden ist die
große Gestalt des Suzuki Harunobu (1618-1770), der
sich von Toriis schon durch seine Stoffwahl unterscheidet,
da er fast nie Schauspieler, sondern nur Frauen darstellt;
er war durch 30 Blätler am reichhaltigsten in der Aus-
stellung vertreten. Eine reizende Arbeit von ihm ist eine
Winterszene: ein kleines Mädchen hat einen großen Hund
aus Schnee gemacht und ist gerade damit beschäftigt, ihm
auch ein Auge zu malen, zwei größere Mädchen stehen
dabei und schauen zu. Eine andere gute Probe seiner
Kunst ist eine Wochenbettstube, die durch die treue, bis
in Einzelheiten sorgfältige Beobachtung an ähnliche Vor-
stellungen (Geburt der Maria) aus der Kunst der deutschen
oder niederländischen Primitiven erinnert; dieselbe Freude
an den kleinen Dingen und Zügen der Wirklichkeit spricht
daraus. — Den Reigen der Ausstellung beschließen zwei
Schüler Harunobus, Isoda Shobei, der bekannter ist unter
dem Namen Koryusai (f 1781), der durch sechs Blätter
vertreten war, darunter eine sehr kräftig gezeichnete Dar-
stellung des Spaziergangs einer Kurtisane, und dann Su-
zuka Harushige, sein Sohn. m. d. h.
Chemnitzer Kunsthütte. Während die Palmie'-Oe.
dächtnis-Ausstellung noch bis Mitte Oktober dauern wird,
sind für die Oktoberausstellung folgende Kunstwerke ein-
getroffen: Gemälde-Kollektionen von Graf Leopold von
Kalckreuth, Fritz Oßwald (München), Rosa Schaffner (Chem-
nitz) und Meta Voigt (Leipzig); ferner Einzelbilder von
Karl Hansel (Dresden), Max Benndorf (Leipzig) und Stephan
Kolbe (Neustadt); endlich Aquarelle von Otto Engelhardt
(Burg), und Radierungen von A. F.Schinnerer (Tennenlohe).
SAMMLUNGEN
Der nun seit einem Vierteljahr als Leihgabe in der
Alten Pinakothek zu München ausgestellte »Laokoon«
von Greco, der früher den Palacio de Santelmo des Her-
zogs von Montpensin zu Sevilla zierte, gehört zu den merk-
würdigsten Schöpfungen des Toledaner Meisters. Bei dem
Tod des Künstlers im Jahre 1614 stand das Bild noch im
Atelier Grecos, wie wir aus dem »Inventar der Mobilien«
wissen, das der Sohn des Malers am 12. April 1614 ver-
faßt hat. Es wird dort »ein großer Laokoon« aufgeführt,
neben zwei kleineren Darstellungen des gleichen Sujets,
die heute leider verschollen sind. Der »Laokoon« gehört
der Spätzeit des Künstlers an. Er zeigt in interessantester
Weise, wie stark Greco bis in die letzten Jahre hinein sich
neben koloristischen Problemen auch mit rein formalen
beschäftigt hat. Man sieht eine Reihe aufs heftigste be-
wegter nackter männlicher Gestalten, die in höchst eigen-
artiger, unerhört kühner Weise in den Raum eingeordnet
sind. An »historischer Treue« der Darstellung war dem
Künstler sehr wenig gelegen. Das Laokoonmotiv war für
ihn eben nichts mehr als ein Motiv, eine Anregung. Ob
der Meister mit der hier vorliegenden Lösung der schweren
Aufgabe schon ganz zufrieden war, möchten wir dahin-
gestellt sein lassen. Trotz dem Rhythmus, der diese Kom-
position belebt, trotz den eigenartigen Stellungen und der
seltsamen Raumwirkung (man wird mehrfach etwas an
Marees erinnert) wirkt das Ganze doch noch etwas pro-