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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Maas, Max: Archäologische Nachlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0088

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Archäologische Nachlese

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Gouvernement, wurde ein schön und reich ornamen-
tierter Tempel (sechs auf acht Säulen) aus der Zeit
Hadrians bloßgelegt. — Im Gelamgebirge fand die
Expedition der Herren Prof. N.J. Marr und J. J. Smirnoff
eine Reihe kolossaler, aus Stein gearbeiteter Fische,
welche ursprünglich senkrecht in der Erde standen
und wohl Fetische der Urbevölkerung waren. — Im
Dorfe Kasinskoje im Alexandrowschen Bezirke des
Stavropolsehen Gouvernements fand ein Bauer in
seinem Gemüsegarten eine große Reihe massiver Gold-
gegenstände (Halsringe, Spiralarmringe, glockenförmige
Gegenstände, alles aus hellenistischer Zeit), welche
zusammen 16 Kilo wiegen. — Aus Tuapse im
Tschernomorschen Gouvernement stammen ein golde-
ner schön gedrehter Halsring, ein goldener Hals-
schmuck in Form eines Halbmondes, zusammen mit
60 Goldmünzen des Lysimachos. — In einem antiken
Steingrabe der Halbinsel Taman wurden gefunden:
drei grauschwarz gefirnißte hellenistische Gefäße mit
eingeschnittenen oder aufgeschlämmten Ornamenten
aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., ein Fingerring mit
geschnittenem Stein, ein reicher Halsschmuck feinster
Arbeit, Broschen, Ketten, Ohrringe usw.

Im alten Tanais wurde bei im Vorjahre bereits
begonnenen Ausgrabungen von A. A. Müller reiche
Ausbeute gewonnen. Den Ehrenplatz unter den
Funden nimmt ein mit Gold bekleidetes Schwert,
dessen Scheide mit gestanzten Figuren und Ornamen-
ten verziert ist, ein. Diese Scheide ist in die zweite
Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. zu datieren. Andere
Funde, Goldplatten mit Verzierungen und Reste von
Eisenwaffen, ferner eine rotfigurige attische Lekythos
sind noch bemerkenswert.

In Kertsch (Panticapaeum) kamen bei den Aus-
grabungen der Nekropole durch Schkorpin Sachen
von ganz hervorragender Bedeutung zum Vorschein,
in erster Linie eine prachtvolle grüne Glasamphora
mit verschieden wirkenden Farben ornamentiert. Diese
Vase, die mit Oliven und Weinranken, zwischen denen
man Vögel sieht, bemalt ist, ist ein Unikum. Ferner
sind zu notieren: ein großer Kranz in Form eines
breiten Bandes, ein weiterer Kranz in Form eines
Bandes, das mit gestanzten Darstellungen verziert ist,
ein Kranz mit Apiumblättern, verschiedene Ringe für
die Finger oder das Ohr, ein «Medaillon mit einem
Cameo: alle diese Gegenstände sind aus Gold. Zahl-
reich sind auch geschnittene Steine und vorzügliche
figürliche Terrakotten und viele Vasen, die alle aus
der Nekropole stammen. Aus Kertsch erwarb die
Kaiserliche Archäologische Kommission ferner den
Bronzeboden des Schallgehäuses einer Lyra in Form
einer Schildkrötenschale mit gestanzten flachen Relief-
figuren. Zur Lyra gehören auch 16 Saitenschlüssel
aus Bein. Aus gleicher Stätte erwarb sie noch Ohr-
ringe, ein Goldkränzchen, eine Silbermünze des Archon
Hygiainon (3. Jahrhundert v. Chr.), einen großen
goldenen Kranz und u. a. auch drei schwarzfigurig-
jonische Vasen.

In der Nähe von Sebastopel wurden von N. M.
Petschonkin Reste einer befestigten Ansiedlung aus-,
gegraben, die vom vierten vorchristlichen Jahrhundert

bis in die frührömische Zeit existiert haben muß.
Es handelt sich wohl um die »Alte Chersones«
des Strabo.

Pharmakowsky selbst setzte seine Ausgrabungen
in Olbia fort, wo namentlich das im Vorjahr ent-
deckte Peristylhaus weiter untersucht wurde. Es stand
am Kreuzungspunkte zweier Straßen, in deren Mitte
sich die Wasserkanäle unter dem Pflaster fanden; der
das Wasser von dem Peristylhof ableitende Kanal
mündete in diesen Straßenkanal. Das Peristylhaus
selbst hatte zwei Bauperioden; die spätere zeigte stark
barbarischen Geschmack. Aufgedeckt wurden ein
Tyroreion und ein Zimmer, dessen Fußboden mit
Mosaik aus der früheren Bauperiode noch belegt
war, jedoch nur in einem, möglicherweise sakralen
Zwecken dienenden, Teile des Zimmers. — Von der
Stadtmauer von Olbia wurden nur Fundamente auf
einer Strecke von ungefähr 23 m gefunden. Im
Norden sprang ein viereckiger Turm aus der Linie
der Stadtmauer gegen den zu Fluß vor. — Die Aus-
grabungen an dem Peristylhaus und dessen nächster
Umgebung trugen zu der Feststellung der Tatsache
bei, daß Olbia unmittelbar nach der getischen Zer-
störung nicht zu existieren aufgehört hat, vielmehr
daß die zerstörten Bauten, obgleich in sehr schlechter
Weise, umgebaut und restauriert worden sind. —
Südlich von der Area, wo sich das Peristylhaus be-
findet, wurden die erste und Teile der zweiten und
dritten Schicht einer neuen Area in Angriff genommen.
In der dritten Schicht fand sich ein Wasserleitungs-
kanal, dessen Wände und Decke aus Stein bestanden
und in dem die Tonröhren lagen.

Nicht weniger als 1691 Inventarnummern ergaben
die Funde bei den Ausgrabungen in der Stadt Olbia,
wozu 81 — meist archaische — Gräber der Nekropole
521 Nummern lieferten. Aus der Nekropole stammen:
ein Halsband aus goldenen Rhomben, drei Paar Ohr-
ringe aus Elektrum, Goldperlen, Ohrgehänge, phöni-
kische Alabastra, schwarzfigurige Vasen, ein bronzener
Gürtelendenbeschlag, ein Bronzespiegel, alles archaisch.
Weiter erwarb die Kaiserlich Archäologische Kom-
mission aus Olbia: eine archaische Glasperle in Form
eines bärtigen Kopfes, eine Goldmünze Philipps II.,
eine schwarzfigurig-jonische Oinochoe, eine attische
schwarzgefirnißte Lekythos, eine große schwarz-
gefirnißte Amphora aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.,
einen grünglasierten Becher mit der Darstellung tan-
zender Skelette u. a. m.

Die Ausgrabungen auf der Insel Berezanj waren
im Jahre 1910 wegen eines Mißgeschicks, von dem
der Expeditionsleiter Prof. E. v. Stern betroffen wurde,
unterbrochen. Angekauft wurden aus Berezanj: eine
archaische-jonische Terrakottaschüssel, eine ebensolche
Oinochoe und verschiedene andere Gefäße.

Interessante Resultate ergaben noch die Aus-
grabungen des Herrn A. A. Spitzin bei Nemiro in
Podolien, wo Überreste einer alten Stadt liegen. Die
Gegenstände stammen teils aus der neolithischen,
teils aus der älteren Kupferzeit, teils aus der Hall-
stattperiode.

In Ai-Todor (Krim) wurden von dem Großfürsten
 
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