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brirenden Stil eingeführt, in dem früher nur erotische Extasen geschildert
wurden. Sogleich stürzten sich sämtliche Zeitungsberichterstatter über
Kunstsachen wie gierige Hunde auf dieses Muster und noch heute wer-
den allüberall die unschuldigsten Landschafts- und Blumenstücke be-
sprochen wie sinnliche Perversitäten. Ja selbst auf die Darstellung älterer
Kunstperioden hat das abgefärbt. Emil Schäffer bespricht die Werke der
behaglichen breiten Venezianer unter unaufhörlichen wirren Zuckungen, so
dass, wer den Vortrefflichen nicht kennte, in dem Verfasser einen wackeln-
den Schwächling suchen müsste. Aber zur Freude aller seiner Freunde
passt auf niemanden besser als auf ihn der schöne Spruch aus dem Strubel-
peter: »Der Kaspar, der war kerngesund, ein dicker Bursch und kugel-
rund“. Die Decadence war also nur Maske und Mode. Mit dieser ab-
scheulichen Mode bricht nun V. v. Loga vollständig. Er bespricht seinen
Künstler, der besonders die Franzosen zu halsbrecherischen Purzelbäumen
verleitet hatte, mit gemessener Ruhe und zeigt so auf musterhafte Art,
dass sich auch die Kunst des 19. Jahrhunderts wie jedes andere wissen-
schaftliche Thema mit Würde behandeln lasse. Möge er darin viele Nach-
folger finden. Lebensgeschichte und Entwicklung des Malers wird mit
Beseitigung alles Anekdotischen nach den besten Quellen gegeben, die
Werke werden untersucht. Ihr gereinigtes Verzeichnis bildet einen wich-
tigen Teil der wertvollen Arbeit. Die zahlreichen gut ausgewählten Ab-
bildungen repräsentiren alle Stadien von Goyas Entwicklung und alle
Techniken, in denen er sich versuchte. Ein einziger Wunsch wäre auszu-
sprechen, der nach innigerer Verknüpfung des besonders behandelten
Künstlers mit der allgemeinen Entwicklung der Malerei. Denn von der
Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt sich neben der goldigen Glorien-
malerei ein Streben nach weisslicher Helligkeit und impressionistischer Wir-
kung. Männer wie Guardi, Hogarth, Fragonard, David und Goya, in
denen dieses Streben gipfelt, stehen nicht vereinzelt, sie sind nicht Aus-
nahmen. Die Welle, die sie trägt, lässt sich nach rückwärts verfolgen.
Wollte man eine ununterbrochene Reihenfolge aufstellen, so würde man
zunächst bis zu Franz Hals gelangen.
Wien. F r a n z W i c k h o f f.
A. L. Jellinek. Internationale Bibliographie der Kunstwissen-
schaft. I. Jahrgang. Berlin. 8° 1902. Preis M. 15.
Der Wunsch nach einer Bibliographie der Kunstgeschichte wurde oft
ausgesprochen und mit Recht wurde darauf hingewiesen, dass es unserer
Wissenschaft an einer ausreichenden Übersicht der erschienenen und er-
scheinenden Literatur mangelt, wie es in keiner anderen historischen
Wissenschaft mehr der Fall ist. Ein dringendes Erfordernis wäre vor allem
ein retrospektives bibliographisches Handbuch, sei es ausführlicher für ein-
zelne Länder, sei es knapper für das ganze Gebiet der Kunstgeschichte
nach dem Muster der Bibliographien von Dahlmann—Weitz oder Monod.
brirenden Stil eingeführt, in dem früher nur erotische Extasen geschildert
wurden. Sogleich stürzten sich sämtliche Zeitungsberichterstatter über
Kunstsachen wie gierige Hunde auf dieses Muster und noch heute wer-
den allüberall die unschuldigsten Landschafts- und Blumenstücke be-
sprochen wie sinnliche Perversitäten. Ja selbst auf die Darstellung älterer
Kunstperioden hat das abgefärbt. Emil Schäffer bespricht die Werke der
behaglichen breiten Venezianer unter unaufhörlichen wirren Zuckungen, so
dass, wer den Vortrefflichen nicht kennte, in dem Verfasser einen wackeln-
den Schwächling suchen müsste. Aber zur Freude aller seiner Freunde
passt auf niemanden besser als auf ihn der schöne Spruch aus dem Strubel-
peter: »Der Kaspar, der war kerngesund, ein dicker Bursch und kugel-
rund“. Die Decadence war also nur Maske und Mode. Mit dieser ab-
scheulichen Mode bricht nun V. v. Loga vollständig. Er bespricht seinen
Künstler, der besonders die Franzosen zu halsbrecherischen Purzelbäumen
verleitet hatte, mit gemessener Ruhe und zeigt so auf musterhafte Art,
dass sich auch die Kunst des 19. Jahrhunderts wie jedes andere wissen-
schaftliche Thema mit Würde behandeln lasse. Möge er darin viele Nach-
folger finden. Lebensgeschichte und Entwicklung des Malers wird mit
Beseitigung alles Anekdotischen nach den besten Quellen gegeben, die
Werke werden untersucht. Ihr gereinigtes Verzeichnis bildet einen wich-
tigen Teil der wertvollen Arbeit. Die zahlreichen gut ausgewählten Ab-
bildungen repräsentiren alle Stadien von Goyas Entwicklung und alle
Techniken, in denen er sich versuchte. Ein einziger Wunsch wäre auszu-
sprechen, der nach innigerer Verknüpfung des besonders behandelten
Künstlers mit der allgemeinen Entwicklung der Malerei. Denn von der
Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt sich neben der goldigen Glorien-
malerei ein Streben nach weisslicher Helligkeit und impressionistischer Wir-
kung. Männer wie Guardi, Hogarth, Fragonard, David und Goya, in
denen dieses Streben gipfelt, stehen nicht vereinzelt, sie sind nicht Aus-
nahmen. Die Welle, die sie trägt, lässt sich nach rückwärts verfolgen.
Wollte man eine ununterbrochene Reihenfolge aufstellen, so würde man
zunächst bis zu Franz Hals gelangen.
Wien. F r a n z W i c k h o f f.
A. L. Jellinek. Internationale Bibliographie der Kunstwissen-
schaft. I. Jahrgang. Berlin. 8° 1902. Preis M. 15.
Der Wunsch nach einer Bibliographie der Kunstgeschichte wurde oft
ausgesprochen und mit Recht wurde darauf hingewiesen, dass es unserer
Wissenschaft an einer ausreichenden Übersicht der erschienenen und er-
scheinenden Literatur mangelt, wie es in keiner anderen historischen
Wissenschaft mehr der Fall ist. Ein dringendes Erfordernis wäre vor allem
ein retrospektives bibliographisches Handbuch, sei es ausführlicher für ein-
zelne Länder, sei es knapper für das ganze Gebiet der Kunstgeschichte
nach dem Muster der Bibliographien von Dahlmann—Weitz oder Monod.