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Hllüstrirtk SalßmonllttsHaü.

^ Herausgköer: IerstmaM Kvmarms. ^

Lweiles

Gktober-Dett l8Sl.

IkunstgevverblL

etraebtungen.

(b F--rt,etzu>ig.)

Die Dereine gegen Unwesen im kfandel und Ge-
werbe oersuchen ihr Glück durch öffentliche Bekämps-
ung unsoliden Geschäststreibens. Auch die Buchhändler,
die Goldschmiede, die Uürschner gehen durch An-
kündigungen in den Zeitungen vor. Ganz ohne Nutzen
sind solche veranstaltungen ja nicht; es würde wohl
falsch sein, sie fallen zu lassen. Aber der erwachsene
Uiensch ist schlecht zu erziehen. Und wie kommt es
denn, daß so viele Nlänner aus unsern besten Ureisen
den Bestrebungen um ein edleres Uunstgewerbe gleich-
giltig gegenüberstehen?

von der chchule kommt es her und der Zugsnder-
ziehung. Denken wir daran, daß das Runstgewerbe
in Deutschland erst seit anderthalb Zahrzehnten wieder
etwas leistet, denken wir an die lange Zeit, in der
es gänzlich schlief — können wir dann erwarteu,
daß die väter des jetzigen Geschlechts auf die Züngeren
einen guten Geschmack hätten vererben sollen?

Die Schule aber ist sich ihrer pflichten gerade in
dieser Beziehnng noch nicht bewußt geworden. Der
Zeichenunterricht hat auf den Gvmnasien noch immer
eine klägliche Stellung inne. Aus dem, das der Nedner
besucht hat, nahmen von tüv Schülern an diesem
wahlfreien Fache nicht mehr teil, als zwei oder drei
— mit einer Art von Uütleid sah man auf die sonder-
baren chchwärmer, die in der Freizeit, von t 2 - 2 Uhr,
hinter dem Zeichenbrett hockten, während sich die
Andern auf dem Sxielplatze tummelten! Der Zeichen-
lehrer gehörte zu den „mythischen Gestalten", die
keiner kannte, und seine Aollegen dachten nicht
daran, auf die kvichtigkeit seines Unterrichtes je hin-
zuweisen. Sehr viel anders ist es in den „Gelehrten-
schulen" auch jetzt noch nicht geworden. Auch heute
noch unterstützt der Staat Aunstakademien, Runstge-
werbeschulen, Museen, er zieht j)roduzenten der
Erzeugnisse des chchönen heran, aber er versäuint es
so gut wie gänzlich, auch für Uunstkonsumen t e n
zu sorgen, auch das verständnis und die Freude am
Schönen heranzubilden.

Ueber die Bedeulung, die der Zeichenunterricht
für die Aus übende n iin Uunstgewerbe in den letzten

sZahrzshnten gewonnen hat, braucht kaum etwas ge-
sagt zu werden. lvsnn das deutsche Uunstgewerbe
sich so bedeutend gehoben hat seit jenen Tagen, da
es aus den kveltausstellungen zum Gespött geworden
war, so geschah das vor allem dadurch, daß wir den
Zeichenunterricht in unserem Dienste verbesserten, um-
gestalteten. kvenn auch heute noch in kunstgewerb-
lichen Schulen in der alten geistlosen kveise VorlageN
nachgezeichnet werden, so handelt es sich denn doch
dabei um Nachzügler einer alten Richtung. Zn ge-
werblichen Lehranstalten sieht man ja nun endlich
mehr im Zeichnen, als eine „mechanische ksandfertig-
keit"; man ist sich bewußt geworden, daß auch der
Zeichenunterricht geistige Aräfte entwickeln kann,
man sieht in ihm auch das Nttttel, dem Geiste des
Schülers die ästhetischen Bildungselemente zuzuführen.
Die große iLrkenntnis, die uns damit aufgegangen
ist, hat sich sür das Aunstgewerbe und das ksandwerk
überhaupt höchst bedeutsam erwiesen, soll sie aber ihr
volles Ljeil ausgießen, so muß sie auch den Gelehrten-
schulen bewußt werden, so muß auch in den
Gymnasien der Zeichenunterricht im neuen Änne
Naum gewinnen. Hier aber steht es noch so mit
ihm, daß cr in der fünften und in der vierten Rlasse
über je zwei Stunden wöchentlich verfügt — über
ganze zwei Stunden wöchentlich in zweien der drei
untersten Rlassen! Ls folgen dann noch sechs bis
sieben Zahre des Nnterrichts, in denen der Gymnasiast
keinen Zeichenstift in die Ljand nimmt, wenn er nicht
will. Nnd wie selten will er — „Zeichnen" ist ja
kein „hjauptsach", wie z. B. Lateinisch, im „Zeichnen"
etwas zu leisten, ist ja nicht nötig, um versetzt zu
werden! Das ist so, weil es heißt: „der Gymnasiast
braucht das Zeichnen nicht." hjier treffen wir aus
einen punkt, wo der vielgerühmte Zdealismus des
Gymnasiums in die Brüche geht. kvenn man dem
Gvmnasium sagt: wozu Luer Latein und Griechisch,
wir brauchen es doch im Leben nicht, so erhält man
die Antwort: welch banausische Standpunkte! fragt
man aber: warum vernachlässigt Zhr den Zeichen-
unterricht?, so heißt es: weil ihn der Gymnasiast nicht
 
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