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Musikers Rritz desseu älteste Tochter Louise und den !
herzoglichen Dragoner-Major Blasius von Böller tot
auf dem Boden liegen. Der aufgenommene That-
bestand und die ärztliche Obduktion ergaben, daß
beide durch getrnnkenes Gift vom Leben gekommen
waren. Bkan spricht von einem Liebesverhältnis,
welches der Dater des Blajors, der bekannte präsident
von Böller, zu beseitigen versucht habe. Das Schick-
sal des wegen seiner Ättsamkeit allgemein geachteten
Blädchens erregt die Teilnahme aller fühlenden
cheelen.« Aber nur ein chchiller konnte daraus ein
Drama schaffen, wie sein den Geist der ganzen Zeit
spiegelndes gewaltiges »Rabale und Liebe«. Lbenso
giebt es für die Aufgabe, ein silbernes Tafelservioe
zu komponiren eine Reihe von Lösungen, aber nur
dem wirklich künstlerisch emxfindenden, xhantasiereichen
Meister wird es gelingen, etwas wirklich Schönes zu
schaffen, das den Schein gefälliger Ljeiterkeit atmet,
die der frohen chtimmung der Tafelgenossen entsxricht.

Dichter, Maler und Bildhauer brauchen um ihren
chtoff nicht verlegen zu sein, sie mögen nur in die
volle Mirklichkeit greifen, sie finden ihn dort in kjülle
und Fülle. Der Aunsthandwerker muß sich aber seinen
Stoff erst selber bilden, ehe er an Schönheitsgestaltung
denken kann, muß, bevor er Rünstler ist, ein ^and-
werker sein. Die wurzel des Aunsthandwerkes liegt
im ksandwerk. Dieses ist der Boden, auf dem das
Aunsthandwerk allein zu gedeihen im 5tande ist.
Notwendige Bedingung ist, daß dieser kernig, gesund
und kräftig ist. Mo das bsandwerk darniederliegt,
kann auch von einem Aunsthandwerke keine Nede sein.
Nur der chchein desselben kann dann geschaffen werden.
Aber wie der ertragsfähigste Boden nichts nützt, wenn
nicht der erwärmende Strahl der Sonne die keimende
pflanze trifft, so würde auch aus dem gesündesten
bjandwerk kein Aunsthandwerk hervorgehen, wenn
nicht die Märme des lebendigen Runstgefühls hinzu-
treten würde. wo dieses fehlt, wird sich das Hand-
werk nie gedrungen fühlen, aus der Nützlichkeitssxhäre
herauszutreten.

Ls kann gar keine Frage sein, daß diejenigen
Gegenstände, die einen ganz bestimmten xraktischen
Zweck erfüllen sollen, in erster Linie praktisch und
zweckentsprechend gebildet sein müssen, und daß, wo
diese Bedingungen nicht erfüllt sind, die Schönheit
keinen eigentlichen Mert hat. Mas kann mir z. B.
eine noch so anmutig geformte und zierlich bemalte
Milchkanne nützen, wenn sie bei der kleinsten Be-
wegung des Tisches umfällt oder einen Ausguß hat,
der den Znhalt statt in meine Tasse nebenbei auf
das Tischtuch leitet, oder welche aus einem Nlaterial
gebildet ist, das die Flüssigkeit aufsaugt oder gar
durchläßt u. dergl. mehr. Vder was soll's, wenn
mir ein künstlerisch begabter Schreiner einen Aleider-
schrank liesert, der mit den wunderbarsten Zntarsien
und Schnitzereien geschmückt ist, an dessen Front zier-
liche Säulen in reicher pracht vortreten, dessen Schloß-
bleche und Thürgriffe Äluster der Runstschlosserei sind,
aber die innere Linrichtung ist eine solche, daß ich
weder meine lVäsche lagern, noch meine Rleidungs-
stücke aufhängen kaun ' Die Linzelheiten behalten
natürlich al» solche ihren künstlerischen wert, das
Ganze aber ist verfehlt und trotz aller Runst ein
stilloses werk. ksabe ich einen solchen Schrank, so

werde ich ihn trotz aller Schönheitsliebe täglich vcr-
wünschen und froh sein, wenn ein anderer, völlig
zierloser an seine Stelle tritt. Aber selbst wenn jcne
eben berührten Nlängel nicht vorhanden wären, würde
eine so reiche Ausstattung mir nicht willkommen sein,
da sie mit der Linfachheit des Zweckes in zu großem
Midersxruch stehen würds. Line luxuriöse und eine
schäne Ausstattung sind durchaus nicht identische Dinge,
vielmehr wird der Lurus, wo er nicht am platze ist,
eher häßlich als schön wirken. So wird sich der
wirklich schöne Gegenstand auch in Bezug auf den
Neichtum der Ausstattung stets den gegebenen äußern
verhältnissen anxassen.

wie wir nur bei gewissen Gelegenheiten Fest-
kleider anlegen, so soll auch das uns täglich umgebende
Gerät einen andern Anstrich haben wie jenes, dessen
wir uns an festlichen Tagen bedienen, und je mehr
der Gegenstand al» ein dienender erscheint, mit um
so geringerer Freiheit darf sich auf ihm die Schönheit
bewegen. Line Bratpfanne so reich auszustatten wie
einen Tafelaufsatz wäre eine Lächerlichkeit, und doch
braucht auch die Bratxfanne der chchönheit nicht zu
entbehren, aber niemals darf sich die Schönheit vor-
drängen und dadurch einen falschen chchein erwecken.

Zene beiden soeben angeführten Gegenstände
stehen an den äußersten Grenzen des kunstgewerblichen
Gebietes, und ihre Forinen müssen daher einmal die
Nähe der Runst, des andere Ntal jene des Handwerks
ahnen lassen. Line gut gearbeitete Bratpfanne behält
als solche ihren wert und wird, wenn ihr auch jede
künstlerische Durchbildung fehlt, wohl kaum von einer
Hausfrau oerschmäht werden; an einem Tafelaufsatze,
der ja zuweilen die Gestalt einer Figurengrupxe an-
nimmt, kännen wir dagegen eher die Zweckform als
die künstlerische Ausstattung entbehren. Aber überall,
wo der 5inn für das Zweckmäßige ausgebildet und
zugleich das Gefühl für das Schöne lebendig ist, wo
das Handwerk blüht und gedeiht und zugleich die ächte
Runst gepflegt wird, da wird es weder an dem einen
noch an dem anderen fehlen, da hat auch das Runst-
handwerk eine Stätte; da reißt sich das Handwerk
los von den beengenden Fesseln des Zweckes, der
stets nur jene eine Form anerkennt, die dem begriff-
lichen Denken entspringt und überläßt die vollendung
des werkes der phantasie, die für den einen Zweck
eine rNannigfaltigkeit von Formen zu findeii weiß.
Hat nicht der Dichter, von dem unsere Betrachtungen
ihren Ausgang nahmen, und der auch hier am
Schlusse wieder zu worte kommen möge, alle denen,
die mit lebendigem Runstgefühl begabt, der Zweck-
mäßigkeit zu dienen berufen sind, aus der Seele ge-
sxrochen, wenn er sagt:

Traurig herrscht der Begriff, aus tauseudfach wechselndeu

Formen

Bringt er dürftig nnd leer immer nur eine hervor,

Aber von Leben rauscht es und Lust, wo bildend die Schönheit
therrschet; das ewige Lius wandelt sie tansendfach uen.

» Äber Mcbzetcbnen im Ikunstgewerbe hat kserr
Bildhauer Franz Riefhaber in der Tischler-Innung zu
Magdeburg einen vortrag gehalten, dem wir auf wnnsch
verschiedener unserer Leser einiges entnehnien. Redner begann
folgendermaßen:

„lvenn Sie Ihre Blicke auf die wirtschaftlichen Lrwerbs-
gebiete aller Rnltnrvölker r'ichten, so miiffen Sic bekennen,

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