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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Lützow, Carl von: Oscar Roty
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0049
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OSCAR ROTY.

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Chirurgen Gosselin gewidmet ist, im Avers dessen
scharf gefassten Charakterkopf, im Beyers ein ernstes
Bild seiner Wissenschaft. Eine jugendliche Frauenge-
stalt sitzt nehen dem im Hintergründe stehenden Leichen-
teil, auf dem der halb enthüllte Körper des Toten
ruht. Feierliche Stille liegt über dem Ganzen ausge-
breitet. — Zu einem reichen Lebensbilde voll feiner
geistiger Beziehungen und Anschauungen gestaltet sich die
Darstellung auf dem nebenstehend reproduzirten Plättchen
für Christofe, deren beide Seiten in je drei zusammen-
hängende Felder zerfallen. Der Avers zeigt in der
Mitte den an seinem Arbeitstische sitzenden Gefeierten,
dem die "Wissenschaft in der hoch erhobenen Linken ein
antikes Silbergefäß als Vorbild zeigt, dabei auf die gal-
vanische Batterie hinweisend, welche auf dem Tische
steht. Das zarte Wesen mit dem lieblichen, beseelten
Köpfchen ist eine echt Koty'sche Gestalt. In ihrem ge-
bauschten Gewände
kündigt sich ihr
himmlischer Ur-
sprung an. Beiwerk
undlnschriften geben
die nähere Erläute-
rung. Nicht minder
schön und sinnreich
stellen sich die bei-
den schmalen Flügel-
bilder dar: links die
leicht bekleidete In-
dustrie mit Hammer
und Ambos, im Hin-
tergrund eine Fabrik
mitrauchenden Schlo-
ten ; rechts die Kunst,
völlig nackt, in para-
diesischer Land-
schaft. Der Revers führt uns in dem Silber- und Gold-
arbeiter die beiden Hauptzweige von Christofle's Thätig-
keit vor und fügt zu dem lorbeerbekränzten Wappen-
schild und den Jubiläumsdaten in langer Inschrift alles
Wissenswerte. In ähnlicher Weise Wirklichkeit mit
Poesie verflechtend, feiern andere Plaquetten und
Medaillen Eoty's die Verdienste Pasteur's, Chevreuü's,
des Kunstgelehrten G. Duplessis, des Schauspielers
Mounet-Sully u. s. w.

Die offizielle Welt nimmt keinen großen Kaum
in der Kunst des Meisters ein. Herrscherbildnisse fehlen
fast gänzlich. Eine Ausnahme macht der Kopf des
Fürsten von Monaco auf einem Goldstück zu hundert
Francs. Zu den herrlichsten Gebilden des Künstlers
zählt der Profilkopf der „Kepublictue Franchise" auf
einer großen Bronze-Medaille: ein Mädchenantlitz.von
knospenhafter Schönheit, durch den Flügelhelm an be-
kannte Vorbilder der Renaissance gemahnend, allein
trotzdem ganz originell in Typus und Durchbildung.

Auf einer anderen kleineren Medaille in Silber sehen
wir Frankreich als jugendliches Weib mit der Jacobiner-
niütze dargestellt, zur Seite der Nordamerikanischen
Union, die ein Sternendiadem auf dem Haupte trägt.
Beide sitzen, Hand in Hand, in einem Boote, welches
dem Hafen von New York zusteuert; im Hintergründe
ragt die Kolossalstatue der Freiheit empor, mit der
Leuchte in der hocherhobenen Rechten. Die Medaille
wurde zum ■ Andenken an die Einweihung des bekannt-
lich in Frankreich ausgeführten Riesenbüdwerks ange-
fertigt. Hier und auf anderen ähnlichen Medaillen lesen
wir wohl die, Namen der damaligen Präsidenten der
Republik, Grevy und Carnot, in den beigefügten In-
schriften. Aber deren Bildnisse selbst kommen nicht vor.
Diesem kühlen Verhältnis zu den Staatenlenkern
steht die intensivste Wärme der Empfindung für Familie
und Haus gegenüber. Nicht nur in jener idealen madonnen-
haften Form, die wir
oben kennen lernten,
sondern als schlichtes,
naturwahres Bildnis
führt uns Roty in
einer seiner schönsten
Plättchen die ju-
gendliche Gattin vor
Augen, und jeder Zug
zeugt von der Innig-
keit und Sorgfalt, mit
der er dieses Werk
durchgebildet hat.
Zwei andere Plätt-
chen führen uns die
Kinder des Künstlers
vor, einen etwa vier-
jährigen Knaben und
ein etwas älteres
Mädchen. Auf der unten abgebildeten, etwas größeren
Tafel schauen die greisen Eltern Roty's treuherzig sich
an. Die meistens in lateinischer Sprache ahgefassten
Inschriften verstärken noch in sinniger Weise den Cha-
rakter von Herzlichkeit und bürgerlicher Einfachheit, der
in diesen Darstellungen sich ausprägt.

Besondere Beachtung verdient in Roty's Arbeiten
das landschaftliche Element. Es giebt kaum ein Ge-
biet der Natur, das er nicht in den engen Rahmen
seiner Kunst einzubeziehen verstände. Gebirge und Meer,
Wald und Wiese, Blumenflor und Tierstaffage: für alles
findet er den entsprechenden Raum; das Auge durch-
misst beim Betrachten seiner kleinen Landschaftsbilder
die luftigsten Höhen, die weitesten Fernen. Ungemein
reizvoll sind seine Scenen bäuerischen Genres, in der
Art Millet's. Wir führen auf einer unserer Tafeln davon
ein Beispiel vor. Die Medaille giebt das Bild eines
Wirtschaftshofes, in dessen Hintergrunde eine Bäuerin
die Hühner füttert; links im Vordergrunde treibt der

Die" strickende Schäferin
 
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