DAS GRABMAL.
73
schlicht beredte Dolmetsch der Trauer. Alle diese Formen
kommen nebeneinander vor. Sie geben der alten Gräber-
straße einen, man möchte fast sagen, lebensvollen ja
heiteren Charakter. Die Antike
liebte bekanntlich nicht zu dras-
tisch an den Tod erinnert zu wer-
den, sie kokettirte nicht mit ihm.
Für Gerippe und Totentänze fehlte
ihr der Sinn. Die Kunst sollte
ihr nicht Schmerzen aufwühlen und
im Unerfreulichen paradiren,
ward ihr vielmehr zur Pflicht ge-
macht, das Unvermeidliche zu mil-
dern, zu verklären, zu verdecken.
Baumeister, Maler und Bildhauer
hatten zu wetteifern, um auch das
stille Haus des Todes zu einer
Augenweide, einem wahren Kunst-
werke zu adeln.
Von all den genannten For-
men ist nun die Stele die am häufig-
sten auftretende. Der Sarkophag
dagegen scheint wenigstens der
griechischen Blütezeit fremd ge-
wesen zu sein. Sie wollte eben
so einfach wie die Wohnung des
Lebenden auch die des Abgeschie-
denen haben. Pfeiler und Säule
aber sind nur künstlerische Ge-
staltungen der einfachen Steinset-
zungen, die auch den Kelten als
Grabmal galten, und der einfachen
Bretter, die man auf dem Grabe
im Norden Deutschlands so gut
wie bei den Indianern Nordameri-
kas aufzurichten pflegte.
Die pfeilerartige Stele oder
Steinplatte mit Palmetten- oder
Giobelbekrönung gewährt bei aller
Schlichtheit dem Plastiker doch
Baum zur Darstellung des Ver-
ewigten. Wir sehen ihn da in
flachem Belief, allein oder mit
seinem Ehegemahl, häufig wohl
auch nur eine Inschrift. Aber
schon auf den mykenäischen Stelen
tritt neben die einfache Spiral-
ornamentirung die Darstellung
einer Jagdsceue. Es wird, wie
dies späterhin an den Sarkophagen
noch deutlicher erkennbar, schon in
der ältesten griechischen Grab-
plastik versucht, Leben und Treiben
des Verstorbenen durch charakte-
risirende Bilder zu kennzeichnen.
Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 5.
Wir sollen ihn in den bedeutsamsten Augenblicken
seines Lebens kennen lernen in einer Art Genrebild, das
zugleich doch historisch ist. Hier sehen wir ihn als
»bt.kh»%k« *
^ZZ>r
Hauptportal für die Georgenkirche, ausgeführt in der Kunstschlosserei von Ferd. Paul Krüger,
entworfen von Geh. Reg.-Rat und Professor J. Otzen, Berlin.
10
73
schlicht beredte Dolmetsch der Trauer. Alle diese Formen
kommen nebeneinander vor. Sie geben der alten Gräber-
straße einen, man möchte fast sagen, lebensvollen ja
heiteren Charakter. Die Antike
liebte bekanntlich nicht zu dras-
tisch an den Tod erinnert zu wer-
den, sie kokettirte nicht mit ihm.
Für Gerippe und Totentänze fehlte
ihr der Sinn. Die Kunst sollte
ihr nicht Schmerzen aufwühlen und
im Unerfreulichen paradiren,
ward ihr vielmehr zur Pflicht ge-
macht, das Unvermeidliche zu mil-
dern, zu verklären, zu verdecken.
Baumeister, Maler und Bildhauer
hatten zu wetteifern, um auch das
stille Haus des Todes zu einer
Augenweide, einem wahren Kunst-
werke zu adeln.
Von all den genannten For-
men ist nun die Stele die am häufig-
sten auftretende. Der Sarkophag
dagegen scheint wenigstens der
griechischen Blütezeit fremd ge-
wesen zu sein. Sie wollte eben
so einfach wie die Wohnung des
Lebenden auch die des Abgeschie-
denen haben. Pfeiler und Säule
aber sind nur künstlerische Ge-
staltungen der einfachen Steinset-
zungen, die auch den Kelten als
Grabmal galten, und der einfachen
Bretter, die man auf dem Grabe
im Norden Deutschlands so gut
wie bei den Indianern Nordameri-
kas aufzurichten pflegte.
Die pfeilerartige Stele oder
Steinplatte mit Palmetten- oder
Giobelbekrönung gewährt bei aller
Schlichtheit dem Plastiker doch
Baum zur Darstellung des Ver-
ewigten. Wir sehen ihn da in
flachem Belief, allein oder mit
seinem Ehegemahl, häufig wohl
auch nur eine Inschrift. Aber
schon auf den mykenäischen Stelen
tritt neben die einfache Spiral-
ornamentirung die Darstellung
einer Jagdsceue. Es wird, wie
dies späterhin an den Sarkophagen
noch deutlicher erkennbar, schon in
der ältesten griechischen Grab-
plastik versucht, Leben und Treiben
des Verstorbenen durch charakte-
risirende Bilder zu kennzeichnen.
Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 5.
Wir sollen ihn in den bedeutsamsten Augenblicken
seines Lebens kennen lernen in einer Art Genrebild, das
zugleich doch historisch ist. Hier sehen wir ihn als
»bt.kh»%k« *
^ZZ>r
Hauptportal für die Georgenkirche, ausgeführt in der Kunstschlosserei von Ferd. Paul Krüger,
entworfen von Geh. Reg.-Rat und Professor J. Otzen, Berlin.
10