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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

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Kleinpaul, J.: Das Kunstgewerbe auf der internationalen Kunstausstellung Dresden 1901, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0036

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28 DAS KUNSTGEWERBE AUF DER INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNG DRESDEN

PROF.
K. GROSS,

DRESDEN

Fach. Unter der Anrichteplatte
ist in der Mitte der Raum frei.
Hier kann eine massive schöne
Silbertruhe untergestellt werden.
Diese wurde deshalb selbständig
und beweglich ausgestattet, damit
sie — wenn die Besitzer ver-
reisen — Aufnahme in einem
Depot finden kann. Das Treff-
lichste sind aber wohl der grosse
Esstisch und die Stühle. Ersterer
ist ausserordentlich massiv ge-
arbeitet, dabei ausziehbar und die
Stützen wachsen gleichsam in
weicher Rundung auf dem Boden
auf, um die Last zu tragen,
ohne die Tafelnden zu beengen.
Ein besonderes Lob verdienen
aber die Stühle. Sie sind freilich
wohl etwas schwer, mit dunkel-
grünem Lederpolster überzogen
und zum Hin- und Herbewegen
nicht geschaffen. Ihren besonderen
Zweck aber erfüllen sie in ge-
radezu idealer Weise. Das will
schon etwas besagen, bedenkt
man den Ernst, mit dem wir
Deutschen an ein Geschäft wie
das Essen gehen. Diese Stühle haben sehr breite,
bequeme Sitzflächen und sichere, kräftige Lehnen,
deren Vorteile man erst recht erkennt, wenn's ans
Rauchen und Trinken geht.

Dazu kommt noch ein leichter Kredenz, mit zinn-
beschlagener Platte und handlichen Griffen beim
Herumreichen der Gläser. Dann beachte man auch
die grosse Standuhr in der Ecke, deren mächtiges,
metallgetriebenes Zifferblatt das Auge, und deren
herrlicher Schlag das Ohr weither durch die Säle
lockt. Das veranlasst uns, auch an den übrigen Mö-
beln dem reichen metallenen Beschlag Aufmerksam-
keit zuzuwenden, der durchgängig den Dresdener
Werkstätten entstammt, besonders auch den handlichen
Schlüsseln nach Künstlerentwürfen. Zieht man nun
auch eins der Fächer auf, so wird man über die
leichte Beweglichkeit und den ausgezeichneten Ver-
schluss wohl erstaunen und
auch als Laie begreifen, wie-
viel feine Beobachtung und
akkurater Fleiss zu dieser
Einrichtung gehört. Alles in
allem ist sie ganz dazu an-
gethan, dass eine gebildete
deutsche Familie sich darin
wohl und behaglich fühlt.

Ganz anders ist es dann
mit dem Damensalon der
»Münchener Werkstätten«
und von Berhard Pankock
bestellt. Das ist ein Puppen

SCHMUCK-
NADEL
GES. GESCH.

Hier gab nicht der Typus das
Mass an, sondern die Individuali-
tät. Hier war's anscheinend nicht
darauf abgesehen, etwas herzu-
stellen, was möglichst vielen, und
womöglich allen wohl gefällt, —
hier entschied allein die künst-
lerische Laune, freilich einer
starken und dabei feinen Natur,
— die Caprice. Nicht jede Frau
passt in diesen Salon. Es ist
ein unendlich aparter Rahmen,
welche Persönlichkeit belebt ihn,
füllt ihn aus? Diese Frage deutet
auf eine ausserordentliche Be-
schränkung, und diese Beschrän-
kung auf — Decadence. In dieser
Richtung ist auf keinen Fall
weiter zu kommen und es ist
bewundernswert, mit welcher Be-
weglichkeit die Arbeiter der Mün-
chener Werkstätten den Absichten
des Künstlers folgten. Er hat
schier Unglaubliches möglich ge-
macht, eine kunstgewerbliche
Sehenswürdigkeit, eine Rarität.

Das Material ist ungefärbtes
helles Mahagoni auf silberigem
im Muster bläulich und grünlich changierendem
Stoffhintergrund. Die Bezüge der Stühle und
des Sofas, ebenso die Farben der Teppiche be-
wegen sich in Grauweiss, Graugrün, Graublau.
Ausserdem sind noch verschiedene seidengewebte,
blau und braun glänzende Sterngruppen scheinbar
willkürlich und regellos darauf hingestreut. Das alles
macht einen selten lichten, gewählten und — hin-
sichtlich des Materials — gediegenen Eindruck. Nun
kommt ein Hauptmoment: die unendlich feine und
ausgeklügelte Konstruktion. Tisch, Stühle, Kommode
scheinen auf ihren am untern Ende bleistiftdünnen
Stützen beinahe gar nicht mehr zu stehen. Erst wenn
man die Bewegung der Linien fasst, gewinnt man
Vertrauen, und dann packt uns Bewunderung. Be-
sonders der Tisch wird da zum Meisterwerk. Die
Platte schwebt scheinbar. Die Füsse der Umsitzen-
den werden kaum beengt, es
ist ein Ideal von graziöser
Eleganz, das in solch einen
Damensalon wohl passt. Das-
selbe gilt von dem Schreib-
tischchen und der seltsam
nach allen Seiten zu rund
gewölbten Kommode. Dieser
dürfte man freilich am wenig-
sten zumuten, Lasten zutragen.
Die Piece de resistance
des Salons bildet jedoch
an der Rückwand, gegen-

über dem reich und originell

stübchen, kostet allerdings die SCHÜLERARBEIT, MODELLIERT UNTER LEITUNG gegliederten Fenster mit
Kleinigkeit von. 12000 Mark. VON PROF. K. GROSS, DRESDEN hellen Milchglaseinlassungen,
 
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