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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

DOI Artikel:
Plehn, Anna L.: Erste Ausstellung für Kunst im Handwerk München 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0082

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74

ERSTE AUSSTELLUNG FÜR KUNST IM HANDWERK MÜNCHEN 1901

SCHMUCKSCHALE, ENTWURF: PAUL HAUSTEIN
AUSFÜHRUNG: VEREIN. WERKSTÄTTEN F. K. I. H.

gehauenen Quadern und Blöcken, die, in rohgehauenen
Bossen zwischen den glatten Flächen hervorquellend,
die Schönheit der künstlerisch gewollten Linien durch
die barocke Zufallsbildung hervorheben. Der Auf-
satz mit der Wasserleitung wiederholt oberhalb der
glatten Flächen des Bassins die knorrigen Formen
der Bossen in stilisiert emporwachsenden Gebilden.
Auch hier ist die Versuchung, welche für die meisten
Plastiker sehr gross wäre, wenigstens an dieser Stelle
die realistische Gestalt eines Brunnenmännchens an-
zubringen, tapfer zurückgewiesen. Das besagt natür-
lich nicht, dass sich der Brunnen von nun an für
alle Zeiten jeden figürlichen Schmuck versagen werde —
hat doch eben jetzt Ludwig Habich in seiner wunder-
vollen Brunnennische mit der Gestalt des Durstenden
gezeigt, wie wohl auch an solcher Stelle die un-
versiegliche Freude an der körperlichen Schönheit
ihren neuen Ausdruck finden kann. Aber dass es
auch ohne solche Zugaben geht und dass gerade ein
Plastiker seine Freude an der ganz abstrakten Form
so selbstbewusst auslebt, das hat für unsere Zeit, die
ihre Kulturformen erst bilden will, eine ganz besondere
Bedeutung.

Aber nicht an den Menschen allein, auch an die
Tierwelt wird gedacht. Eine Anlage, welche Menschen,
Pferden, Hunden und Vögeln jedem seine gesonderte
Trinkstelle anweist, vereinigt das Motiv von der im
Steingerüst hängenden Schale mit mehrfachen, sym-
metrisch eingefügten Höhlungen. Hiermit ist aus-
drücklich an die Bestrebungen von Tierschutz- und
Mässigkeitsvereinen gedacht. Endlich gilt mir als
ein ganz besonderer Vorzug dieser Brun-
nen, dass sie so gut in massivem Gestein,
wie auch in Beton ausführbar sind,
durch welche Eigenschaft die Möglich-
keit ihrer sehr weiten Verbreitung ge-
geben ist.

Wie des Brunnens, nimmt Obrist
sich des Grabdenkmals an, das er gleich-
falls ohne Zuthaten dessen, was man
sonst unter eigentlicher Bildhauerarbeit
verstand, als die Umfassung der Grab-
stätte behandelt, mit einem zu Häupten
aufragenden Stein, an den sich die
Inschriftentafel lehnt. Auch die Aschen-

urne musste diesen, mit den Gebräuchen der kom-
menden Zeit rechnenden Geist beschäftigen.

Sollte nicht dieses bildende Schaffen, das so ganz
die direkte Nachahmung einer Naturform verschmäht,
einen entschiedenen Einfluss auf den mitschaffenden
Freundeskreis gehabt haben? In der Konstatierung
dieser Vermutung liegt keine Minderung anderer
Einzelverdienste. So viel ist jedenfalls sicher, dass
neuerdings in allem Gerät, das in den »Vereinigten
Werkstätten« produziert wird, der naturalistische
Schmuck immer mehr zurücktritt. Es ist wahr, dass
es für ähnliche Tendenzen schon von Anfang an Bei-
spiele gegeben hat. So die bekannten Leuchter von
Riemerschmid, den ganz schlanken, hohen und den
Handleuchter mit dem an zwei Stielen über ein ein-
wärts gewölbtes Blatt sich neigenden Kelch. Bei-
läufig bemerkt, scheint mir der letztere die Ver-
längerung der Richtung nach oben durch die Kerze
besser zu vertragen, als das an sich schon sehr hoch
aufgerichtete erste Exemplar. Auch die Dekorations-
motive der Keramiker, Schmuz-Baudiss und der
Familie von Heider, blieben bei aller Betonung der
naturalistischen Anregung doch von eigentlichem
Realismus frei. Dagegen trat die Kleinplastik von
Sophie Burger-Hartmann, Theodor von Gosen und
Ignatius Taschner damals noch mit Vorliebe als
Aschenschalen, Serviettenringe und Briefbeschwerer
auf, während sie doch nichts anderes sind und waren
als kleine Menschenfigürchen, welche durch irgend
einen Ansatz der Aufgabe ungefähr dienstbar gemacht
waren, nach der sie schliesslich benannt wurden.
Als Schmuckstücke lässt sich auch gar nichts gegen
diese zum Teil reizenden Sächelchen sagen, nur kann
man sie nicht als Gebrauchsgegenstände ansehen,-
unorganisch, wie die Verbindung von Naturform und
Konstruktion geblieben ist. Zum Glück fängt diese

TINTENFASS,

ENTWURF:

PAUL HAUSTEIN,

ZIERVASE, ENTW.

ELSE SOPOTKA

AUSFÜHRUNG: VER

WERKSTÄTTEN

FÜR KUNST IM

FfANDWERK,

MÜNCHEN
 
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