Das Leben des Malers Hugo van der Goes von Brügge 53
da er über eine bedeutende Begabung und grossen Verstand
verfügte, ein hervorragender Maler geworden ist. Er hat von
seinem Meister die Kunst der Ölmalerei gelernt. Seine Werke
fallen in die Zeit um 1480.*1 In der St. Jakobskirche zu
Gent war von ihm ein sehr hübsches und kunstreiches Bild-
chen, das an einem Pfeiler hing, nämlich das Epitaph eines
gewissen Wouter Gaultier. Das Mittelstück stellte eine
sitzende von vorne gesehene Maria mit dem Kinde dar, eine
kaum anderthalb Fuss hohe Figur, die ich oftmals und mit
grosser Bewunderung der Feinheit, mit der sie und auch die
Pflänzchen und kleinen Steine des Bodens ausgeführt waren,
gesehen habe. Besonders bewundernswert war die anmutige
Sittsamkeit in den Zügen der Maria, wie denn die alten
Meister überhaupt eine besondere Gabe hatten, die Gesichter
von Geistlichen und heiligen Personen mit solch ernster
Frömmigkeit zu erfüllen.42 In derselben Kirche befand sich
auch ein Glasfenster mit einer Kreuzabnahme, ein sehr kunst-
reiches Stück, doch ich bin im Zweifel, ob die Zeichnung
dazu von ihm oder von seinem Meister Johannes stammte.
Ferner war noch in Gent im Kloster der Liebfrauen-
Brüder eine Tafel von Hugo mit der Legende oder Ge-
schichte der heiligen Katharina, ein kunstreiches und schönes
Werk, trotzdem es aus seiner Jugend stammte. Ferner ist
dort von Hugo auch ein besonders gutes Stück zu sehen,
das noch jeder Künstler und Kunstverständige mit Recht sehr
gerühmt hat. Dieses befindet sich in einem von Wasser um-
gebenen Hause beim Muydebrücklein in Gent, nämlich im
Hause von Jacob Weytens, und ist in Ölfarbe auf den
Mauergrund des Kaminmantels gemalt. Dargestellt ist die
Begegnung Abigails mit David. Besonders bewundernswert
sind hier die grosse Sittsamkeit, die in diesen Frauengestalten
zum Ausdruck kommt, und ihre züchtigen und lieblichen Ge-
sichter. Ihre Sittsamkeit erscheint so nachahmenswert, dass
die Maler unserer Zeit die Frauen, die sie malen, zu ihnen
in die Schule senden sollten, damit sie sie ihnen ablernten.
Und was David betrifft, so sitzt er sehr stattlich zu Pferde
— kurz und gut, das Werk ist in Zeichnung, Erfindung, Be-
da er über eine bedeutende Begabung und grossen Verstand
verfügte, ein hervorragender Maler geworden ist. Er hat von
seinem Meister die Kunst der Ölmalerei gelernt. Seine Werke
fallen in die Zeit um 1480.*1 In der St. Jakobskirche zu
Gent war von ihm ein sehr hübsches und kunstreiches Bild-
chen, das an einem Pfeiler hing, nämlich das Epitaph eines
gewissen Wouter Gaultier. Das Mittelstück stellte eine
sitzende von vorne gesehene Maria mit dem Kinde dar, eine
kaum anderthalb Fuss hohe Figur, die ich oftmals und mit
grosser Bewunderung der Feinheit, mit der sie und auch die
Pflänzchen und kleinen Steine des Bodens ausgeführt waren,
gesehen habe. Besonders bewundernswert war die anmutige
Sittsamkeit in den Zügen der Maria, wie denn die alten
Meister überhaupt eine besondere Gabe hatten, die Gesichter
von Geistlichen und heiligen Personen mit solch ernster
Frömmigkeit zu erfüllen.42 In derselben Kirche befand sich
auch ein Glasfenster mit einer Kreuzabnahme, ein sehr kunst-
reiches Stück, doch ich bin im Zweifel, ob die Zeichnung
dazu von ihm oder von seinem Meister Johannes stammte.
Ferner war noch in Gent im Kloster der Liebfrauen-
Brüder eine Tafel von Hugo mit der Legende oder Ge-
schichte der heiligen Katharina, ein kunstreiches und schönes
Werk, trotzdem es aus seiner Jugend stammte. Ferner ist
dort von Hugo auch ein besonders gutes Stück zu sehen,
das noch jeder Künstler und Kunstverständige mit Recht sehr
gerühmt hat. Dieses befindet sich in einem von Wasser um-
gebenen Hause beim Muydebrücklein in Gent, nämlich im
Hause von Jacob Weytens, und ist in Ölfarbe auf den
Mauergrund des Kaminmantels gemalt. Dargestellt ist die
Begegnung Abigails mit David. Besonders bewundernswert
sind hier die grosse Sittsamkeit, die in diesen Frauengestalten
zum Ausdruck kommt, und ihre züchtigen und lieblichen Ge-
sichter. Ihre Sittsamkeit erscheint so nachahmenswert, dass
die Maler unserer Zeit die Frauen, die sie malen, zu ihnen
in die Schule senden sollten, damit sie sie ihnen ablernten.
Und was David betrifft, so sitzt er sehr stattlich zu Pferde
— kurz und gut, das Werk ist in Zeichnung, Erfindung, Be-