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Mander, Carel van; Floerke, Hanns [Übers.]
Das Leben der niederländischen und deutschen Maler (Band 1) — München, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.7515#0057

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Das Leben des Malers Hugo van der Goes von Brügge 55

wegung und Ausdruck der Gesichter gleich hervorragend;
denn es hat daran auch die Liebe — wie man sagt — mit-
gearbeitet und Kupido mit seiner Mutter und den Grazien
die Pinsel leiten helfen. Als Junggeselle machte Hugo
nämlich der Tochter des Hauses, in die er sehr verliebt war,
den Hof und gab sie auch in seinem Bilde nach dem Leben
wieder.48 Zu Ehren dieses kunstreichen Werkes hat Lucas
d'Heere ein Lobgedicht gemacht, in dem er eine der ge-
malten Frauen folgendermassen sprechen lässt:

Wir sind hier gemalt, als wenn wir lebten, von Hugo
van der Goes, dem herrlichen Künstler, aus Liebe, die er
in Ehren einer unter uns entgegenbrachte. Ihr liebliches
Antlitz zeigt, wie gross die Liebe war, die ihm die Hand
geführt, wie auch das Bild der Phryne erkennen liess, wie
tiefe Liebe Praxiteles zu ihr empfand. Denn des Meisters
Geliebte hier übertrifft uns alle durch wohlgestaltete Schön-
heit, da sie ihm am höchsten stand. Doch ist jeder Mann
und jede Frau untadlig und voller Kunst, ebenso Pferd und
Esel, und die v/ohlgelungenen, schönen, unveränderlichen,
reinen Farben sind der Betrachtung wert. Kurzum, das
ganze Werk ist schön und gut durchgeführt, und nichts
weiter fehlt uns als die Sprache — ein Mangel, den man
bei Frauen sehr selten antrifft.

Unter anderen schönen Sachen von diesem kunstreichen
Meister, die mir in Brügge vielleicht unbekannt geblieben
sind, befindet sich eine Tafel, die man für eines seiner
allerbesten und hervorragendsten Werke hält, die er gemalt.
Es ist eine Altartafel in der Jakobskirche zu Brügge
und zeigt den Gekreuzigten mit den Schachern, mit Maria
und anderen Figuren, alles so lebendig und mit solchem
Fleiss gemalt, dass nicht allein das gewöhnliche Volk,
sondern auch alle Kenner unserer Kunst grosses Gefallen
daran finden müssen.41 Diese Tafel wurde um ihrer Kunst
willen von dem unverständigen Eifer der Bilderstürmer ver-
schont, als aber dieselbe Kirche zum Abhalten der Predigten
 
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