Das Leben des berühmten Malers Marten Heemskerck 347
Glück; denn in diesem Hause hat man — als die Sache ans
Licht kam — eine ganze Grube voll Leichen gefunden. Eine
von den Töchtern dieses Mörders war nach Venedig ent-
wichen und lebte dort bei dem sehr kunstreichen Maler und
Junggesellen Hans von Calcar. Dort wurde sie vor den
Grossen Rat geladen, vor dem sie der Wahrheit gemäss
aussagte, dass sie sich gezwungen gesehen hätte, das grauen-
volle Haus zu verlassen, um nicht länger solche Greueltaten
mit ansehen zu müssen, dass es ihr jedoch wider die Natur
gegangen sei, ihre Eltern zu verraten. Woraufhin sie frei-
gelassen wurde.623 Heemskerck, der nun wieder in sein
Vaterland zurückgekehrt war, hatte seine Malweise ä la
Schoorel, die er früher befolgte, geändert, doch nach dem
Urteil der besten Maler nicht verbessert, ausser in dem
Punkt, dass er die belichteten Partien nicht mehr so hart
abgrenzte. Als ihm von einem seiner Schüler hinterbracht
wurde, man sage, dass er zuerst, als er wie Schoorel malte,
Besseres gemacht habe als nach seinem römischen Auf-
enthalt, antwortete er: „Mein Sohn, damals wusste ich nicht,
was ich machte!" Doch lässt sich der Unterschied in seiner
Malweise in dem Saale des obenerwähnten Prinsen-Hof
an den beiden Flügeln des Tuchbereiter-Altars erkennen, die
auf den Innenseiten die Geburt Christi und die Anbetung der
Könige zeigen, zwei reiche gutgemalte Szenen voller Einzel-
heiten, die verschiedene Porträts einfacher521 Leute und auch
sein eigenes aufweisen.525 Aussen sieht man die Verkündigung
Mariae mit sehr gut ausgeführten, nach der Natur gemalten
Köpfen. Der Engel ist sehr eigenartig und zierlich gekleidet.
Die untersten Zipfel seines Gewandes sind purpurfarbig und
von Jakob Rauwaert gemalt, der zu jener Zeit bei
Heemskerck wohnte, wie ich aus seinem Munde ver-
nommen habe. Aus diesem Werk ersieht man, was
Heemskerck für ein guter Architekt 520 und wie gross
seine Vorliebe zur Anbringung von Ornamenten gewesen ist,
ganz im Gegensatz zu dem bekannten Sprüchwort, das er
viel im Munde führte: „Ein jeder Maler, der gedeihen will,
vermeide Ornamente und Architektur!" Hier findet man auch
Glück; denn in diesem Hause hat man — als die Sache ans
Licht kam — eine ganze Grube voll Leichen gefunden. Eine
von den Töchtern dieses Mörders war nach Venedig ent-
wichen und lebte dort bei dem sehr kunstreichen Maler und
Junggesellen Hans von Calcar. Dort wurde sie vor den
Grossen Rat geladen, vor dem sie der Wahrheit gemäss
aussagte, dass sie sich gezwungen gesehen hätte, das grauen-
volle Haus zu verlassen, um nicht länger solche Greueltaten
mit ansehen zu müssen, dass es ihr jedoch wider die Natur
gegangen sei, ihre Eltern zu verraten. Woraufhin sie frei-
gelassen wurde.623 Heemskerck, der nun wieder in sein
Vaterland zurückgekehrt war, hatte seine Malweise ä la
Schoorel, die er früher befolgte, geändert, doch nach dem
Urteil der besten Maler nicht verbessert, ausser in dem
Punkt, dass er die belichteten Partien nicht mehr so hart
abgrenzte. Als ihm von einem seiner Schüler hinterbracht
wurde, man sage, dass er zuerst, als er wie Schoorel malte,
Besseres gemacht habe als nach seinem römischen Auf-
enthalt, antwortete er: „Mein Sohn, damals wusste ich nicht,
was ich machte!" Doch lässt sich der Unterschied in seiner
Malweise in dem Saale des obenerwähnten Prinsen-Hof
an den beiden Flügeln des Tuchbereiter-Altars erkennen, die
auf den Innenseiten die Geburt Christi und die Anbetung der
Könige zeigen, zwei reiche gutgemalte Szenen voller Einzel-
heiten, die verschiedene Porträts einfacher521 Leute und auch
sein eigenes aufweisen.525 Aussen sieht man die Verkündigung
Mariae mit sehr gut ausgeführten, nach der Natur gemalten
Köpfen. Der Engel ist sehr eigenartig und zierlich gekleidet.
Die untersten Zipfel seines Gewandes sind purpurfarbig und
von Jakob Rauwaert gemalt, der zu jener Zeit bei
Heemskerck wohnte, wie ich aus seinem Munde ver-
nommen habe. Aus diesem Werk ersieht man, was
Heemskerck für ein guter Architekt 520 und wie gross
seine Vorliebe zur Anbringung von Ornamenten gewesen ist,
ganz im Gegensatz zu dem bekannten Sprüchwort, das er
viel im Munde führte: „Ein jeder Maler, der gedeihen will,
vermeide Ornamente und Architektur!" Hier findet man auch