Das Leben der Maler PieterVlerick vonCourtray u.Carel vonYpern 401
würde, was für die Kunst eine zu grosse Schande gewesen
wäre. Darum schafften sie ihn nächtlicherweile heimlich aus
der Stadt und in einer Schute auf der Lei nach einem Kloster
namens Groeningen, welches eine Freistätte ist. Sie ver-
banden und trösteten ihn, so gut sie konnten; doch war die
Wunde nicht allzutief, da das Messer auf eine Rippe ge-
kommen und daran abgeglitten war. Zeitweise schien es
besser mit ihm zu stehen und er wieder zu Verstand zu
kommen und sich zu besinnen; denn er beklagte seine Tor-
heit und sagte: „Was habe ich getan!" Dann aber kamen
wieder Verzweiflung und Raserei über ihn und er verlangte
nach Papier, zeichnete allerlei Spukgestalten und sagte, er
sei verdammt. Diejenigen, die auf ihn aufpassten, nämlich
der zu Brügge geborene Maler O 1 i v i e r B a r d und andere,
hatten alle Mühe, ihn festzuhalten, mit solcher Gewalt wand
und wälzte er sich dann auf seinem Lager, so dass die Wunde
jedesmal wieder aufbrach und schlimmer wurde. Als er ein-
mal einige Tage und Nächte auf diese Weise getobt hatte,
starb er. Dies geschah um das Jahr 1563. oder 64. —
Einige wollten wissen, dass er in Rom oder sonstwo in
Italien eine andere angetraute Frau hatte und immer schwer-
mütig und bekümmert darüber umherging, dass er so treulos
gewesen, seine erste Frau auf diese Weise betrogen und ver-
lassen zu haben. Kurz, er ist also elend und unglücklich
gestorben und wurde in dem genannten Kloster begraben.
Ich habe hier den Schüler dem Meister vorangestellt, weil es
sich gerade so machte, und man wird es mir umso leichter
nachsehen, da der Schüler seinen Meister in der Kunst über-
troffen hat und da er mein Lehrer gewesen ist. Nach der
Zeit seines Todes gerechnet, musste Carel allerdings lange
vorher eingereiht werden.
van Mandel', Schllder-Boeck.
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würde, was für die Kunst eine zu grosse Schande gewesen
wäre. Darum schafften sie ihn nächtlicherweile heimlich aus
der Stadt und in einer Schute auf der Lei nach einem Kloster
namens Groeningen, welches eine Freistätte ist. Sie ver-
banden und trösteten ihn, so gut sie konnten; doch war die
Wunde nicht allzutief, da das Messer auf eine Rippe ge-
kommen und daran abgeglitten war. Zeitweise schien es
besser mit ihm zu stehen und er wieder zu Verstand zu
kommen und sich zu besinnen; denn er beklagte seine Tor-
heit und sagte: „Was habe ich getan!" Dann aber kamen
wieder Verzweiflung und Raserei über ihn und er verlangte
nach Papier, zeichnete allerlei Spukgestalten und sagte, er
sei verdammt. Diejenigen, die auf ihn aufpassten, nämlich
der zu Brügge geborene Maler O 1 i v i e r B a r d und andere,
hatten alle Mühe, ihn festzuhalten, mit solcher Gewalt wand
und wälzte er sich dann auf seinem Lager, so dass die Wunde
jedesmal wieder aufbrach und schlimmer wurde. Als er ein-
mal einige Tage und Nächte auf diese Weise getobt hatte,
starb er. Dies geschah um das Jahr 1563. oder 64. —
Einige wollten wissen, dass er in Rom oder sonstwo in
Italien eine andere angetraute Frau hatte und immer schwer-
mütig und bekümmert darüber umherging, dass er so treulos
gewesen, seine erste Frau auf diese Weise betrogen und ver-
lassen zu haben. Kurz, er ist also elend und unglücklich
gestorben und wurde in dem genannten Kloster begraben.
Ich habe hier den Schüler dem Meister vorangestellt, weil es
sich gerade so machte, und man wird es mir umso leichter
nachsehen, da der Schüler seinen Meister in der Kunst über-
troffen hat und da er mein Lehrer gewesen ist. Nach der
Zeit seines Todes gerechnet, musste Carel allerdings lange
vorher eingereiht werden.
van Mandel', Schllder-Boeck.
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