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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 8.1965

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Nr. 2
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Hermes, Eberhard: Die Satzgliedlehre von Glinz im Licht der lateinischen Grammatik
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https://doi.org/10.11588/diglit.33070#0023

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1. Der Begriff ,Prädikativum c gehö-rt nicht zu den alten grammatischen Termini.
Becker hat ihn nach dem Französischen gebildet (,predicatif c: Girard 1747. Marouzeau:
„. . . concerne le predicat ou fait fonction de predicat".), um die adverbale Sinnbezie-
hung eines Nomens zu bezeichnen. Mit einem spätlat. ,praedicativus, -a, -um' hat der
Terminus von Haus aus nichts zu tun. Da ,prädikativ c keine formale, sondern eine
funktionale Kategorie meint, rnüßte man, wollte man ganz korrekt verfahren, eigent-
lich von ,attributum praedicatitvum c sprechen. Es handelt sich nämlich um ,prädikativen
Gebrauch c eines Nomens, wenn dieses kraft Bedeutungsbeziehung zwischen Attribut
und Adverbiale steht: Milites laeti redierunt. „Fröhlich“ ist weder Modus der Rück-
kehr noch eine Eigenschafl, die dem im Substantiv Gemeinten ohne Rücksicht auf den
Verbvorgang zukommt, wie das Rot der roten Rose. Formal ist nur die attributive
Beziehung kenntlich gemacht. Weil aber der „Bereich des objektiv different Gemeinten“
über den „Bereich des different Geformten“ hinausgeht (Steinthal, demnächst in ,Der
Altsprachl. Unterr. 1 Reihe VIII Heft 2), ist es sinnvoll und nützlich, den prädikativen
Gebrauch eines Nomens vom rein attributiven zu unterscheiden.

2. Daß in den von Deutschen verfaßten lateinischen Schulgrammatiken die ,prädi-
kative' Sinnbeziehung zu einem Problem wurde, hängt mit einem bezeichnenden Unter-
schied der beiden Sprachen zusammen:

a) Parvi pueri nobis occurrerunt.

b) Pueri laeti erant.

c) Pueri laeti domum redierunt.

d) Pueri suaviter cecinerunt.

Die kleinen Jungen . . .

. . . waren fröhlich.

. . . kehrten fröhlich zuriick.

. . . sangen lieblich.

(Beispiele von Ronicke, Miinster)

Die Grenze zwischen flektierter und unflektierter Verwendung des Nomens liegt im
D zwischen a und b, im L dagegen zwischen c und d. Man könnte nun genauso, wie im
L die formal nicht in Erscheinung tretende adverbale Sinnbeziehung eines durch die
Form adnominal bezogenen Nomens ,attributum praedicativum 1 nennen mag (Bei-
spiel c), im D die formal nicht feststellbare adnominale Sinnbeziehung mit ,adverbiale
attributivum c bezeichnen. Wenn das nicht geschieht, so hat das seinen Grund darin, daß
es sich um die Muttersprache handelt, wo keiner (es sei denn ein D lernender Aus-
länder) auf den Gedanken käme, „fröhlich“ sei ein Modus des Vorgangs und nicht
vielmehr der Zustand des Subjekts (vgl. DUDEN-Grammatik § 901ff.).

3. Die ,Prädikatshaltigkeit c ist kein auszeichnendes Merkmal unserer Kategorie. Die
logische Grammatik bezeichnet nämlich konsequent auch das reine Attribut als ,poten-
tielles PrädikatL Cato senex litteras Graecas didicit; hier ist der ,Relator c didicit das
einzige ,aktuale c Prädikat, während logisch gesehen senex in der gleichen Weise wie
Graecas ,prädikatshaltig c ist, d. h. mit seinem Beziehungswort zu einem eigenen Satz
ausgeformt werden könnte (F. Schmidt, Logik der Syntax, Berlin 41962). Der ,prädi-
kative Gebrauch c läßt sich nur durch Feststellung der Bedeutungsbeziehungen im jewei-
ligen Satz verstehen. Daher kann der Versuch der eindeutigen Definition eines ,Prädi-
kativums c eher Verwirrung stiften als klärend wirken. Fließende Übergänge zum attri-
butiven Gebrauch und zwischen (notwendiger) Sinnergänzung und (freier) Sinnerwei-
terung gehören zum Wesen der Kategorie.

4. Es handelt sich um ein grammatisches Hilfsmittel zu differenzierter Sinnerfassung,
wenn die funktionale Leistung einer Nominalform im Satzverband als ,prädikativer
Gebrauch' bestimmt wird.

Eberhard Hermes, Paderborn

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