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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 8.1965

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Gesellschaft für humanistische Bildung macht auf folgendes aufmerksam
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https://doi.org/10.11588/diglit.33070#0031

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Gesellschaft für liumanistische Bildung
macht auf folgendes aufmerksam

Die Mainzer „Allgemeine Zeitung“ brachte am 4. November 1964 folgenden Artikel:
Kein Platz mehr jür Homer? Eltern und Kirchen gegen die Kürzung des Griechisch-
Unterrichts.

Entscheidende Beschlüsse der Hamburger Ministerpräsidentenkonferenz zur Schul-
und Bildungspolitik sind von Pädagogen und Eltern in Rheinland-Pfalz nicht mit Be-
geisterung aufgenommen worden. So sehr sich weite Kreise aus pädagogischen Erwägun-
gen nach wie vor gegen den Schuljahrbeginn im Herbst wenden, so groß ist auch der
Widerstand gegen eine Kürzung des Griechischunterrichts an den Altsprachlichen Gym-
nasien.

Elternbeiräte dieser Schulen in Rheinland-Pfalz haben sich entschieden gegen die
„Verwässerung“ des humanistischen Bildungsideals gewandt, wie sie ihrer Auffassung
nach in Hamburg beschlossen worden ist. Die Eltern hoffen, daß der Landtag als letzte
Entscheidungsinstanz in der Frage des Griechischunterrichts eine Ausnahmeregelung für
Rheinland-Pfalz beschließt, und daß der Unterricht in dieser alten Sprache auch in Zu-
kunft in Untertertia und nicht erst in Obertertia beginnt.

Pfarrer Rohrbach, Elternbeiratsvorsitzender des Mainzer Rabanus-Maurus-Gym-
nasiums, hat sich in dieser Frage zum Sprecher der Humanistischen Gymnasien gemacht.
Ein Beginn des Griechischunterrichts in der Obertertia bedeute eine Verletzung der
rheinland-pfälzischen Landesverfassung, die im Paragraphen 38 die Gleichberechtigung
des klassisch-humanistischen Bildungsideals neben den anderen Bildungszielen garan-
tiert. Der Sprecher der Eltern erinnerte daran, daß Mathematik und neue Sprachen in
den anderen Schultypen ohnehin schon einen ungleich größeren Raum in der Gesamt-
schulzeit einnähmen. Die in Hamburg beschlossene Kürzung des Griechischunterrichts
führe nun dazu, daß der bisherige Lehrstoff der Oberprima zusätzlich wegfallen müsse.

Auch bei einer etwaigen Verstärkung der Stundenzahl des Griechischen werden die
mit dem Unterricht verbundenen Lehrziele, die Einführung in die fundamentalen For-
men der Philosophie, des politischen Denkens und der dichterischen Aussage kaum mehr
erreicht, sagen die Elternsprecher - und sie sind sich der Unterstützung der altsprach-
lichen Pädagogen gewiß.

In einem Protestbrief an Kultusminister Dr. Orth heißt es: „Es ist nicht abzusehen,
wie die Lehrkräfte ihre Sache noch mit Überzeugungskraft und Liebe vor Eltern und
Schülern werden vertreten können, wenn ihnen in immer steigendem Maße die Voraus-
setzungen für eine fruchtbare und sinnvolle Arbeit genommen werden, zumal so außer-
ordentliche Bildungsfaktoren wie das Französische und Griechische durch die Anord-
nung ihrer allgemeinen Abwählbarkeit in den Augen der öffentlichkeit schon weitge-
hend diskreditiert worden sind.“ Das bezieht sich auf das Düsseldorfer Abkommen der
Kultusminister, nach dem schon vor längerer Zeit Griechisch als Pflichtfach aufgehoben
wurde. Der Schüler kann fortan in Untertertia auch Französisch wählen. In Sexta be-
ginnt er nach der bisher noch gültigen Regelung mit Latein, in Quarta mit Englisch.

Das kurze Aufeinanderfolgen zweier Fremdsprachen in Quarta und Untertertia mag
einer der Gründe für die Hamburger Beschlüsse in dieser Frage gewesen sein. Aber auch
der Nachwuchsbedarf in den naturwissenschaftlichen Zweigen zwingt die Kulturpolitiker
zu einer „Vernachlässigung“ des Altsprachlichen Gymnasiums. Angesichts dieser Not-
wendigkeiten glauben sich die Verfechter der humanistischen Bildung fast resignierend
auf verlorenem Posten. Sie beklagen, „daß dem Pragmatismus und Utilitarismus und
dem Gesetz der größeren Zahl in unserer Zeit alles und jedes preisgegeben wird“.

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