Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 8.1965

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Hartmann, Elmar: [Rezension von: Johannes Urzidill, Amerika und Antike]
DOI Artikel:
Marg, Walter: Klassische Philologen in Philadelphia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33070#0025

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wieder leitmotivartig bei Urzidil auf. Die moralische Kultur ist auf die Statik und
Überlieferung, die materielle auf unverwurzelte Triebe angewiesen (S. 74). Seite 55
heißt es: „Die Verflüditigung der Latinität (von der des Griechischen ganz zu schwei-
gen) ist im Bildungssystem und in der Erziehung der Amerikaner nicht schlimmer als
sonstwo in unserer Zeit, ja sie ist vermöge der steten Gegenwart des Lateinischen und
Griechischen in der Umgangssprache sogar um einen Grad weniger bedenklich ... Mit
Recht empfindet man dieses Abnehmen (der Latinität in der Schulung) als ein Abwei-
chen von den ideologischen Daseinsgrundlagen Amerikas und überhaupt des Abend-
landes, zu dem man sich gegenwärtig mehr rechnet denn je. Auch ist ja klar, daß jedes
Streben nach vertiefter Durchbildung im Geiste der Antike dem Materialismus ent-
gegenwirkt, der unter denkenden Amerikanern längst unter schwerem Verdacht steht.“
In der „New York Times“ stand ein lateinischer Artikel über das Thema: „Quatenus
mortua lingua Latina?“ Darin hieß es: „Latein ... sei für jeden wichtig, der englisch
zu schreiben und logisch zu denken wünsche.“ Für uns Europäer sind vor allem folgende
Gedanken beachtenswert (S. 85): „. . . im amerikanischen Unbewußten macht sich mehr
Antikisches geltend als etwa im Bewußtseinsleben der meisten Europäer, die überall -
und besonders in Deutschland - seit der Phase der Klassik immer wieder vergeblich zur
Übung jener Humanität aufgerufen wurden, die den Kern der Unabhängigkeitserklä-
rung und Verfassung bilden, . . . Diese Humanität wurde nicht - wie in Europa - von
einer amoklaufenden Romantik ins Lächerliche gezogen und verdampft, so daß dann
notwendigerweise in den entstandenen Leerraum die entbundenen Mächte der Bestiali-
tät einfallen mußten . . . (S. 86): sicher ist doch, daß ohne amerikanisches Eingreifen und
hilfsbereites Wirken Europa den klassischen Namen, den es noch trägt, längst eingebüßt
und von seinen verschiedenen selbstgezüchteten rasenden Bullen in die Abgründe der
äußersten Barbarei verschleppt worden wäre.“

Nur beiläufig sei hier noch angefügt, daß der Verfasser auch über das Wesen der
„Labyrinthe des amerikanischen Erziehungssystems“ spricht. Im Hinblick auf unser
deutsches Bildungslabyrinth, in dessen Irrgängen der Minotaurus des Pragmatismus
wütet, sind diese Bemerkungen nicht uninteressant. Das, was dem Büchlein von Urzidil
eine besondere Glaubwürdigkeit verleiht, ist, daß es, wie der Verfasser ausdrücklich
(S. 9) versichert, dabei „nicht um den Nachweis einer a priori aufgestellten These“ geht.

Eine sehr sinnvolle Widmung wurde diesem gedankenreichen Opusculum vorange-
stellt: „Den Adlern über Delphi und ihren Verwandten über den Rocky Mountains“.

Als sprachlicher Schönheitsfehler ist mir aufgefallen (S. 53) „das (!) Parthenon.

(Johannes Urzidil wurde 1898 in Prag geboren; er ging 1939 nach England und
später in die USA. Er ist Essayist, Schriffsteller und Lyriker.)

StR. Dr. Elmar Hartmann, 585 Hohenlimburg, Ziegelstr. 2

Klassische Philologen in Philadelphia

Wenn bei dem Entschluß, einen internationalen Kongreß für die „klassischen Stu-
dien“ zum ersten Male nach den Vereinigten Staaten zu laden, die Wahl auf die Staats-
universität von Philadelphia in Pennsylvania gefallen ist, so mag der Name mitgespielt
haben. Philadelphia, Bruderliebe, wie der Quäker William Penn seine Gründung 1683
genannt hat, ist nicht nur ein griechisches Wort und hat nicht nur einen Vorgänger in
einer Gründung des griechischen Ptolemäerkönigs Philadelphos, sondern ist auch leiten-
der Begriff griechischer Philosophie und Lebenskunst; ein BegrifT, der dann so eng mit
der christlichen Lehre kongruieren konnte. Das Treffen der klassischen Studien nach den
Vereinigten Staaten zu legen, gab es gute Gründe, mehr als der Durchschnittseuropäer

5
 
Annotationen