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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 8.1965

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Nr. 2
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Marg, Walter: Klassische Philologen in Philadelphia
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Hubig, Horst: Lateinunterricht in den Primen der "Regelform" im Saarland
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https://doi.org/10.11588/diglit.33070#0028

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Alles in allem: zwar ein Kongreß über alte Sprachen und Kulturen, aber über alt-
lebendige. Er bot keinen Anlaß zu Kulturpessimismus; wenn auch keinen zu Selbstzu-
friedenheit.

Walter Marg, 65 Mainz, Postfach 606

(Dieser Beitrag erschien unter dem Titel „Vergil in den USA“ am 10. 10. 1964 in der
Stuttgarter Zeitung)

Lateinunterricht in den Primen der „Regelform“ im Saarland

(= Latein ab Quarta, nach Obersekunda mit Erteilung des „Kleinen Latinums“, ab-
wählbar gegen Englisch, bei Weiterführung in den Primen „Großes Latinum“)

Die Gestaltung des Lateinunterrichts in den Primen der Regelform möchte ich unter
das Motto stellen: “Ceterum censeo imprimis colendum esse Ciceronem“.

Die Motive für das Hauptgewicht. der Cicerolektüre sind ebenso zahlreich wie vor-
dergründig. An keinem nichtgriechischen Autor der abendländischen Literatur können
wir die Konzentration der Bildungsinhalte so eindrucksvoll und leicht faßbar durch-
führen, die eines der wesentlichen Ziele der Oberstufenreform darstellt. Griechentum,
Römertum, Christentum, wo wird dieser Dreiklang unserer Kultur ein zweites Mal so
sehr bewußt wie bei der Interpretation Ciceros durch einen Lehrer, der dem Schüler
selbst bei knapper Textauswahl die humanitas Europas in großen Zügen aufzuzeigen
versteht? Die existentielle Bezogenheit ist immerzu gegenwärtig, ob über Definition
und Sinn der Tugend oder über das Wesen von Lust und Schmerz oder über die Not-
wendigkeit der politischen Betätigung oder gar über Tod und Unsterblichkeit der Seele
und den Begriff der Göttlichkeit abgehandelt wird, über Vorsehung und Zufall, Offen-
barung und nihilistische Sinnlosigkeit unserer Existenz. Wo ferner wird ein Primaner
in dieser konzentrierten Weise in die Grundzüge der Dialektik auf der einen und der
Rhetorik auf der anderen Seite eingeführt? Oder ist ein Bildungsideal denkbar, das
der Dialektik der Erkenntnis oder der Rhetorik des Überzeugungsvermögens entraten
känn?

Und erst die sprachliche Seite: Auch ein Schüler, der mit Quarta Latein bekommen
hat und deshalb niemals an die Leistungen dessen ganz heranreichen kann, der Latein
seit Sexta betreibt, wird mit Freude feststellen können, daß sich ihm Cicero weniger
als irgendein anderer entzieht.

Was nun die Auswahl der Texte betrifft, so ist sie natürlich schier unendlich variier-
bar, je nachdem, ob Lehrer und Klasse mehr zum Philosophischen, Rhetorischen oder
Geschichtlichen neigen, sofern man diese drei Gesichtspunkte bei Cicero überhaupt
trennen kann. Denn in allen philosophischen Schriften bleibt Cicero ja in wesentlichem
Maße auch Redner und Dialektiker und Jurist und Geschichtskenner auf einmal, und
dann erst seine Briefe als Musterbeispiel für die Betrachtung zeitgenössischer Geschichte
aus der notgedrungen subjektiven Schau eines gebildeten und in alle wesentlichen Ge-
genwartsfragen engagierten Mannes!

Doch scheint es mir bei aller Variierbarkeit der Textauswahl im Prinzip unentbehr-
lich zu sein, zunächst eine Schulausgabe zu benutzen, die dem Schüler möglichst rasch
einen Überblick über den Begriff der Philosophie und die Systematik ihrer Unter-
teilungen vermittelt. Sehr empfehlenswert ist beispielsweise eine Ausgabe wie die des
Freytag-Verlages Miinchen: „Römische Philosophie und Briefliteratur“, die kurze, aber
besonders charakteristische Ausschnitte aus verschiedenen ciceronianischen Werken ent-

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