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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 10.1967

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Nr. 1
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Kahlenberg, Käthe: Zur Diskussion gestellt: Die Bassariden, Gedanken zu einer Aufführung der Berliner Festwochen Oktober 1966
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https://doi.org/10.11588/diglit.33074#0007

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Vase aus dem Anfang des 5. Jahrhunderts, Berlin, Antiken-Abteilung, Samm-
lung Preußischer Kulturbesitz.)

Der Chor tritt im ersten Satz zum Empfang des neuen Königs „in den
traditionellen weißen Gewändern des klassischen Altertums auf, wie man es sich
vorstellt“, im vierten Satz dagegen, auf dern Kithairon, sind die Mänaden ge-
kleidet in „schwarze, kurze Röcke, rote Wollstrümpfe, Ballettschuhe, Blusen mit
Rehfellmustern, das Haar wie Brigitte Bardot, die Brauen mit Efeu bekränzt“,
die männlichen Begleiter in „schmutzige Werktagshosen, Sporthemden mit Reh-
fellmustern, langes Haar und Bärte“.

Im Bühnenbild ergibt sich eine klare Scheidung von Vorder- und Hinter-
bühne (Theben und Kithairon). Den rechten Teil der Vorderbühne nimmt der
Königspalast ein, der mit seinen zart gelb-braun schimmernden Säulen fast an
den Parthenon in einer bestimmten Beleuchtung erinnert. Wachen sind durch
Statuen angedeutet, von denen besonders zwei Reiterstatuen durch ihre Ähnlich-
keit offenbar ganz bestimmte Assoziationen beim Zuschauer hervorrufen sollen:
das Reiterstandbild des alten Fritz gesellt sich zum Bamberger Reiter. - Die
Hinterbühne mit dem Kithairon, einem steil ansteigenden Felsgelände, wirkt
fast realistisch. Im Mittelgrund trennt ein niedriger Zaun, wie man ihn z. B. in
Rom als Abgrenzung der Kaiserfora verwendet hat, ein tiefer gelegenes Terrain
ab, aus dem einige Plastiken, u. a. ein Kolossalkopf, hervorragen (starker An-
klang an den Kopf des Konstantin im Hofe des Konservatorenpalastes in Rom
in der Form); düstere Häuserwürfel einer modernen Großstadt reihen sich an
mit Fernsehantennen auf den flachen Dächern (etwa Ausfallstraße von Neapel
nach Süden). Dem Zuschauer, der Italien und Griechenland auch nur flüchtig
kennt, kommt vieles bekannt vor, aber er kann sich doch nur schwer zurecht-
finden. Die Zusammenstellung soll durch Inkongruenz der historischen Relationen
überraschen genau v/ie die Kostüme aus verschiedenen Zeitepochen; allerdings
hilft die wechselnde Beleuchtung durch Abgrenzung verschieden großer Teil-
gebiete der Bühne zu einer gewissen Orientierung.

Licht und Farbe, Wort und Ton müßten in engern Zusammenwirken betrachtet
werden; zur Musik kann ich als - wenn auch interessierter - Laie kein Urteil
abgeben. Mir erschien der orgiastisch-dionysische Charakter sehr gut getroffen
zu sein in den Chören wie auch in den Dialogpartien, die sich zum Teil vor dem
Hintergrunde chorischer Musik entwickelten.

Es ist auch daher unmöglich, einen direkten Vergleich - Szene für Szene -
mit dem euripideischen Werk durchzuführen, da uns dort eine sehr wichtige
Komponente, die Musik, fehlt. Zwei Szenen der Oper möchte ich aber noch als
besonders eindrucksvoll hervorheben, deren Spannungsgehalt durch die unheim-
liche Lautlosigkeit im Zuschauerraum fühlbar wurde. Vor Beginn der Jagd auf
den verkleideten Pentheus wurden die angedeuteten Waldgebiete des Kithairon
durch Gazeschleier gleichsam entrückt, man erlag der Fiktion, von einem höheren
Standpunkte aus einen Blick über die fast dunkle Landschaft zu haben; Fackel-
züge belebten schwach die Szenerie, die Hinterbühne schien „durch das Laub
hindurch wie von tanzenden Leuchtkäfern bewegt.“ Über die Vorderbühne
stürmten die Bassariden, durch eine Stimme (Dionysos) angestachelt, einen ver-
steckten Fremden zu suchen. Schließlich konnten sie ihn fangen, einkreisen, nicht

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