IBRAHIM
vielen Frauen durchaus nichts, und sie sind womöglich
noch stolz auf ihre Widerstände. Babuschka genoß den
gewaltigen Eindruck vielleicht noch intensiver als ich und
war von dem Hügel, der später unser Hügel werden sollte,
nicht wegzubringen, hielt aber nichtsdestoweniger stets
mit einem Seitenblick Ibrahim im Auge, dem ihre Abnei-
gung nicht entging. Im Grunde hat man ihm bis zu der
dummen Bazargeschichte, die nie aufgeklärt werden wird,
wenig vorwerfen können. Auch mir war seine beharrliche
Vorliebe für die arabischen Viertel Kairos fatal, doch fand
ich es ungerecht, ihn mit unserer Abneigung gegen die
Moscheen zu belasten, die seinem islamitischen Instinkt
unverständlich bleiben mußte und von der Mehrzahl der
Fremden nicht geteilt wird.
Jetzt etwas Furchtbares. Manchmal möchte ich, alles
das läge schon hinter mir und wäre Erinnerung, nicht
mehr der Sonnenball am Himmel, sondern die erlebte und
erledigte Sonne. Denn diese entgeht uns, trotzdem sie stän-
dig unsere Haut belichtet und uns vor der Nase steht, ent-
geht uns, weil tausend Dummheiten uns wegziehen, weil
wir in Ibrahim nicht den treuen Diener der Sonne, son-
dern einen gierigen Fremdenführer erblicken, weil wir
unstät und flüchtig, unfähig und im Grunde gar nicht ge-
willt sind, die Strahlen bis in unser Inneres zu lassen und
das letzte Stückchen nordischen Eises zu schmelzen, jenen
Best kalten Europäertums, der uns immer nur erlaubt,
unsere Haut zu wärmen. Man müßte das, was draußen
ist, in sich haben, selbst wenn es dann nicht mehr drau-
ßen wäre. Also statt der Wirklichkeit ein Gedachtes, eine
künstliche Sonne, die nur so scheint? Ja, wahrscheinlich,
denn wenn alles das wirklich nur physiologischer Effekt
bliebe, müßte man sich aufhängen. Also kann man für
sein Seelenheil nichts Vernünftigeres tun als so bald als
möglich nach Hause zu gondeln.
Wahrscheinlich phantasiert so nur der Mensch, der vor-
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vielen Frauen durchaus nichts, und sie sind womöglich
noch stolz auf ihre Widerstände. Babuschka genoß den
gewaltigen Eindruck vielleicht noch intensiver als ich und
war von dem Hügel, der später unser Hügel werden sollte,
nicht wegzubringen, hielt aber nichtsdestoweniger stets
mit einem Seitenblick Ibrahim im Auge, dem ihre Abnei-
gung nicht entging. Im Grunde hat man ihm bis zu der
dummen Bazargeschichte, die nie aufgeklärt werden wird,
wenig vorwerfen können. Auch mir war seine beharrliche
Vorliebe für die arabischen Viertel Kairos fatal, doch fand
ich es ungerecht, ihn mit unserer Abneigung gegen die
Moscheen zu belasten, die seinem islamitischen Instinkt
unverständlich bleiben mußte und von der Mehrzahl der
Fremden nicht geteilt wird.
Jetzt etwas Furchtbares. Manchmal möchte ich, alles
das läge schon hinter mir und wäre Erinnerung, nicht
mehr der Sonnenball am Himmel, sondern die erlebte und
erledigte Sonne. Denn diese entgeht uns, trotzdem sie stän-
dig unsere Haut belichtet und uns vor der Nase steht, ent-
geht uns, weil tausend Dummheiten uns wegziehen, weil
wir in Ibrahim nicht den treuen Diener der Sonne, son-
dern einen gierigen Fremdenführer erblicken, weil wir
unstät und flüchtig, unfähig und im Grunde gar nicht ge-
willt sind, die Strahlen bis in unser Inneres zu lassen und
das letzte Stückchen nordischen Eises zu schmelzen, jenen
Best kalten Europäertums, der uns immer nur erlaubt,
unsere Haut zu wärmen. Man müßte das, was draußen
ist, in sich haben, selbst wenn es dann nicht mehr drau-
ßen wäre. Also statt der Wirklichkeit ein Gedachtes, eine
künstliche Sonne, die nur so scheint? Ja, wahrscheinlich,
denn wenn alles das wirklich nur physiologischer Effekt
bliebe, müßte man sich aufhängen. Also kann man für
sein Seelenheil nichts Vernünftigeres tun als so bald als
möglich nach Hause zu gondeln.
Wahrscheinlich phantasiert so nur der Mensch, der vor-
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