DIE PYRAMIDEN
ches andere. Wie kam man zu dem Organismus? Warum
reizt uns nicht einen Augenblick die Willkür, ein mensch-
liches Haupt auf einen Löwenleib zu setzen, während wir
uns in unserer Kastenkunst die geringste Phantasie ä la
Böcklin verbitten und man selbst in der griechischen
Kunst solche Kompilationen nicht ohne Beschwerden er-
trägt? Das Auftreten des Zentauren im Relief bleibt trotz
der Gewöhnung durch eine weitverzweigte klassische
Dichtung immer ein wenig penibel, und niemandem
wird es einfallen, die Schimäre ernst zu nehmen. Woher
kommt es, daß wir nie wagen würden, den Organismus
des Sphinx zu diskutieren? Es fehlt jede Möglichkeit, den
Koloß dekorativ zu nehmen, noch ihn mit rätselvoller
Mystik zu belasten. Seine Funktion ist gebietende Macht.
Noch immer übt er das höchst sachliche Amt des Wäch-
ters, und die Gebärde macht uns zu Untertanen. Wir er-
leben dieses Monument nicht anders wie eines unserer
einheimischen Symbole männlicher Würde, das aus einer
großen Epoche die Weihe empfing. Dasselbe Gefühl, aus
dem die Ehrfurcht vor dem Bamberger Reiter hervor-
bricht, erzwingt hier die Hingabe. Nur trifft es uns ge-
waltiger. Man müßte Dimensionen der Wüste heranziehen,
um den Unterschied zu ermessen.
Heute noch habe ich mich gegen die Superlative gewehrt
und für Europa wie ein braver Zinnsoldat gekämpft. Der
alte Kasten wackelt. Der Sphinx beantwortet mehr, als
man fragen könnte. Ist dies nicht schon die hinreichende
Demonstration ad oculos?
Babuschka meint, man solle doch mal ins Museum
gehen, weil da möglicherweise noch allerlei zum Vorschein
kommen könne. Ich bin nicht dafür, bin meiner Nieren
wegen hier, nicht um mich mit neuen Geschichten zu be-
lasten.
Ohne Frage verlieren neben diesen Monumenten die
unseren, büßen an Konsistenz ein. Es liegt am Terrain.
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ches andere. Wie kam man zu dem Organismus? Warum
reizt uns nicht einen Augenblick die Willkür, ein mensch-
liches Haupt auf einen Löwenleib zu setzen, während wir
uns in unserer Kastenkunst die geringste Phantasie ä la
Böcklin verbitten und man selbst in der griechischen
Kunst solche Kompilationen nicht ohne Beschwerden er-
trägt? Das Auftreten des Zentauren im Relief bleibt trotz
der Gewöhnung durch eine weitverzweigte klassische
Dichtung immer ein wenig penibel, und niemandem
wird es einfallen, die Schimäre ernst zu nehmen. Woher
kommt es, daß wir nie wagen würden, den Organismus
des Sphinx zu diskutieren? Es fehlt jede Möglichkeit, den
Koloß dekorativ zu nehmen, noch ihn mit rätselvoller
Mystik zu belasten. Seine Funktion ist gebietende Macht.
Noch immer übt er das höchst sachliche Amt des Wäch-
ters, und die Gebärde macht uns zu Untertanen. Wir er-
leben dieses Monument nicht anders wie eines unserer
einheimischen Symbole männlicher Würde, das aus einer
großen Epoche die Weihe empfing. Dasselbe Gefühl, aus
dem die Ehrfurcht vor dem Bamberger Reiter hervor-
bricht, erzwingt hier die Hingabe. Nur trifft es uns ge-
waltiger. Man müßte Dimensionen der Wüste heranziehen,
um den Unterschied zu ermessen.
Heute noch habe ich mich gegen die Superlative gewehrt
und für Europa wie ein braver Zinnsoldat gekämpft. Der
alte Kasten wackelt. Der Sphinx beantwortet mehr, als
man fragen könnte. Ist dies nicht schon die hinreichende
Demonstration ad oculos?
Babuschka meint, man solle doch mal ins Museum
gehen, weil da möglicherweise noch allerlei zum Vorschein
kommen könne. Ich bin nicht dafür, bin meiner Nieren
wegen hier, nicht um mich mit neuen Geschichten zu be-
lasten.
Ohne Frage verlieren neben diesen Monumenten die
unseren, büßen an Konsistenz ein. Es liegt am Terrain.
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