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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0212
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ASSUAN

in der Hand. Ich skizzierte nochmals meine Gleichgültig-
keit. Dann, als komme mir plötzlich ein Einfall, ersetzte
ich die Statuette in seiner Hand durch meine Banknote,
steckte sehr langsam und umständlich das Ding unter mei-
nen Rock aus Homespun, nickte kurz und ging Babuschka
nach, die bereits halb unten war. Ich verschwieg ihr das
Resultat und gab die Hoffnung anheim, vielleicht morgen
auf die Angelegenheit zurückzukommen. Beim Einsteigen
in das Boot wäre mir das Ding beinahe heruntergefallen,
aber Babuschka in ihrer Niedergeschlagenheit merkte
nichts. Natürlich gab sie mir schuld, aber verzichtete auf
jeden Vorwurf.

Zu Hause begab sie sich sofort zu Frau Schacht, um sich
auszusprechen. Inzwischen reinigte ich das Stück mit
Sorgfalt und konstatierte, daß die Verletzungen der lin-
ken Gesichtshälfte viel geringfügiger waren, als zuerst am
genommen werden mußte. In der Hoffnung, einen pro-
visorischen Sockel zu finden, begab ich mich zu unserem
Händler. Er hatte richtig einen, der dafür gemacht schien.
Auf meine Frage, wie er das Stück finde, lächelte er ver-
fänglich und gestand mir schließlich, er halte es für einen
guten, sehr guten aber ganz modernen Abguß. Nun war
es an mir, zu lächeln. So weit ging händlerische Eifersucht.
Sie richtete bei uns genug Verworrenheit an und gab dem
Kunsthandel den diffamierenden Beigeschmack. Nun, er
brauche in diesem Fall keinen Konkurrenten zu verun-
glimpfen. Dieses Stück, bedeckt mit tausendjährigem Sand,
hätten wir an einsamer Stelle mit eignen Händen aus-
gegraben.

Meine Mitteilung verfehlte den Eindruck. Es sei Masse,
kein Stein, behauptete der Händler, und zum Beweis biß
er hinein. Es war mir unangenehm, den Gegenstand im
Munde des Menschen zu sehen. Tatsächlich zeigte sich der
deutliche Abdruck der Zähne in dem Material, und die
Bißstelle wurde rosa. Aber diese Demonstration bewies

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