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Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0024

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Zur Entwicklung des Forschungsstandes

Schon drei Jahre früher als Santifaller hatte jedoch Theodor Mayer in seinen
verfassungsgeschichtlichen Studien unter dem Titel »Fürsten und Staat« (1950) die
bis heute geltende Differenzierung zwischen »Reichsklöstern« und »Königsklö-
stern« erarbeitet^. In seiner Sichtweise lag der entscheidende, über die Rechtsstel-
lung der dem Königtum zugeordneten Klöster entscheidende Einschnitt beim Aus-
sterben der ostfränkischen Karolinger. Damit sei die gesamte karolingische
Erbmasse, gleich welcher Rechtsqualität, unter ihnen auch die karolingischen Kö-
nigsklöster, dem ottonischen Reich zugefallen. Die Klöster seien damit zu Reichs-
klöstern geworden: »nicht Eigentum des 'Reiches', sondern ein Bestandteil, ein
Glied des >Reiches<, das als Komplex von Rechten und Besitzungen, der Regalien
bestand, in deren Gewere der König eintrat. Die Glieder des 'Reiches', ihre Reprä-
sentanten, die Bischöfe und Äbte waren Teilhaber am 'Reiche', ReichsfürstenV
Diese kanonisch gewordene Definition des Rechtsverhältnisses der Reichsklöster
zum Reich versuchte, den offensichtlich unterschiedlichen Rechtszustand derjeni-
gen Klöster, die in karolingischer Zeit gegründet worden waren, zu trennen von den
späteren Klostergründungen, die nicht auf gleiche Weise Glieder des Reiches ge-
worden seien. Während die erste Gruppe der »Reichsklöster« den am weitesten pri-
vilegierten Status erreicht habe, zur eigenen Rechtspersönlichkeit geworden sei und
als Teil des Reiches in die lehnrechtlichen Verpflichtungen der Heerfolge u. a. inte-
griert sei, stehe daneben eine minder privilegierte Gruppe sogenannter »Königs-
klöster«, die nicht Glieder des Reiches gewesen seien, sondern in seinem Eigentum
stünden, also im Grunde als königliche Hausklöster angesehen werden könnten.
Mayers Lehre von der Differenzierung der Reichs- und Königsklöster ist von
der verfassungsgeschichtlichen Forschung nie konsequent in Frage gestellt wor-
den^, wenngleich er selber einräumte, daß zwischen beiden Gruppen »ein Unter-
schied gemacht wurde, der urkundlich kaum recht zu fassen isbW. Die offenkundi-
gen Schwächen der Mayerschen Argumentation, vor allem die zu weitgehende und
nicht quellengestützte Differenzierung verschiedener Rechtszustände, wurden an-
gesichts des unstreitigen Fortschrittes hingenommen, das Verhältnis der Reichsklö-
ster zum Reich nicht als eines des Eigentums, sondern als das des Teils zum Ganzen
zu begreifen. Die Fiktion der »Teilhabe am Reich«, die Mayer mit seiner Theorie be-
gründete, war auch eher als Fickers Annahme eines Eigentumsverhältnisses geeig-
net, den fürstlichen Anspruch auf Mitregierung des Reiches zu begründen.
Was die Rechtsstellung der Reichsklöster angeht, so ist seit den Forschungen
Theodor Mayers kein wesentlicher Fortschritt mehr erzielt worden. Nicht stillge-
standen haben jedoch die Arbeiten auf denjenigen Teilgebieten, die als die wesent-
lichen Konstituenten des Verhältnisses der Reichsklöster zum Königtum Gegen-
stand dieser Arbeit sein sollen. Das Problem des Servitium regis, die Fragen des
Reichskriegswesens, die Itinerarforschung, die Reichsgutforschung und andere
Teilgebiete der hochmittelalterlichen Geschichte: Sie alle haben in den vergangenen
Jahrzehnten wesentliche Erkenntnisfortschritte über Wesen und Praxis hochmittel-

7 MAYER, Fürsten und Staat, besonders S. 215-247.
8 Ebd. S. 307 ohne die Sperrungen des Originals.
9 KÖLZER, Studien, S. 39 mit Anm. 52.
10 Ebd. S. 222. - Vgl. zur Sache ausführlicher Kapitel 11 dieser Arbeit.
 
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