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Der Rechtsstatus der Reichsabteien
sich auf eine Reihe verschiedener Aspekte bezieht, die sich untereinander stützen
und ergänzen: Hausklöster sind nicht nur Orte der Grablege und der Pflege der Me-
moria, sondern auch Orte der Selbstvergewisserung der Stifterfamilien, oftmals in
Form von Historiographie (»Hausüberlieferung«), sie sind Witwensitze und Orte
der Tätigkeit von Töchtern der Familie als Äbtissinnen. Es ist angesichts dieser Viel-
falt von Funktionen keineswegs übertrieben, »ottonische Frauenklöster als Herr-
schafts- und Überlieferungszentren« ihrer Zeit anzusprechen/
a. Gandersheim - das liudolfingische Hausstift
des 9. Jahrhunderts^
Im Jahre 852 gründeten der sächsische Graf Liudolf (+ 866) und seine Ehefrau
Oda (+ 913) in Brunshausen ein Kanonissenstift, das 856 nach Gandersheim verlegt
wurde und unter der Leitung von beider Tochter Hathumod (f 874) stand. 877 er-
hielt das Stift von König Ludwig dem Jüngeren Königsschutz und Immunität ver-
liehen, außerdem das Recht, das Äbtissinnenamt innerhalb der Familie weitergeben
zu dürfend Die Ausstattung mit liudolfingischem Hausgut wurde ergänzt durch
Zuweisungen des wichtigsten Förderers der Gründung, des Hildesheimer Bischofs
Altfrid (851-874), der dadurch ebenso wie durch die Verschiebung einer Diözesan-
grenze den Grund für Ansprüche der Hildesheimer Bischöfe wie der Mainzer Erz-
bischöfe auf das Stift lieferte, die um die Wende des 10. zum 11. Jahrhundert zum
langanhaltenden »Gandersheimer Streit« führen sollten.
Der ersten Vorsteherin Hathumod folgten ihre Schwestern und weitere Ver-
wandte als Äbtissinnen ; insoweit wurden die Bestimmungen der Stifter verwirk-
licht. Die umkämpfte Freiheit des Stiftes stellte Otto I. selber 947 und durch Diplome
der Päpste Agapit II. 948 und Johannes XIII. 968 sichert
Insbesondere unter Otto II. und Otto III. erlebte Gandersheim eine Phase star-
ker Nähe zum Herrscherhaus. Die damals amtierende Äbtissin Gerberga II.
(949/956-1001), eine Schwester Heinrichs des Zänkers und damit Cousine Ottos II.,
führte das Stift auch zu kultureller Blüte. Ihre Nachfolgerin Sophia (1001-1039) war
eine Tochter Ottos II/. Beider Amtszeit wurde durch den jahrelangen Streit um die
Diözesanzugehörigkeit Gandersheims zwischen Mainz und Hildesheim überla-
gert, der endgültig erst 1028 beigelegt werden sollte*".
4 So der Untertitel von ALTHOFF, Gandersheim und Quedlinburg.
5 Grundlegend: GOETTING, Gandersheim, wo alle im folgenden nicht mehr eigens aufgeführten
Belege zu finden sind.
6 MGH DD LJ 3.
7 Gerberga (874-896/97), Christina (896/97-919) (beide Schwestern Hathumods), Liutgard
(919-923) (Enkelin Liudolfs und Odas), später Gerberga (949/956-1001) (Tochter Heinrichs von
Bayern und Schwester Heinrichs des Zänkers).
8 MGH DD O I 89, 180; JAFFE-LOEWENFELD 3642 - ZiMMERMANN, Papsturkunden, S. 201f. Nr. 115
(Agapit II.); JAFFE-LOEWENFELD 3721 = ZiMMERMANN, Papsturkunden, S. 360-362 Nr. 184.
9 Dazu nach GoETTiNG, wenngleich nicht weiterführend: WOLF, Sophia.
10 GÖRICH, Gandersheimer Streit (mit ält. Lit.); GoETTiNG, Gandersheimer Streit.
Der Rechtsstatus der Reichsabteien
sich auf eine Reihe verschiedener Aspekte bezieht, die sich untereinander stützen
und ergänzen: Hausklöster sind nicht nur Orte der Grablege und der Pflege der Me-
moria, sondern auch Orte der Selbstvergewisserung der Stifterfamilien, oftmals in
Form von Historiographie (»Hausüberlieferung«), sie sind Witwensitze und Orte
der Tätigkeit von Töchtern der Familie als Äbtissinnen. Es ist angesichts dieser Viel-
falt von Funktionen keineswegs übertrieben, »ottonische Frauenklöster als Herr-
schafts- und Überlieferungszentren« ihrer Zeit anzusprechen/
a. Gandersheim - das liudolfingische Hausstift
des 9. Jahrhunderts^
Im Jahre 852 gründeten der sächsische Graf Liudolf (+ 866) und seine Ehefrau
Oda (+ 913) in Brunshausen ein Kanonissenstift, das 856 nach Gandersheim verlegt
wurde und unter der Leitung von beider Tochter Hathumod (f 874) stand. 877 er-
hielt das Stift von König Ludwig dem Jüngeren Königsschutz und Immunität ver-
liehen, außerdem das Recht, das Äbtissinnenamt innerhalb der Familie weitergeben
zu dürfend Die Ausstattung mit liudolfingischem Hausgut wurde ergänzt durch
Zuweisungen des wichtigsten Förderers der Gründung, des Hildesheimer Bischofs
Altfrid (851-874), der dadurch ebenso wie durch die Verschiebung einer Diözesan-
grenze den Grund für Ansprüche der Hildesheimer Bischöfe wie der Mainzer Erz-
bischöfe auf das Stift lieferte, die um die Wende des 10. zum 11. Jahrhundert zum
langanhaltenden »Gandersheimer Streit« führen sollten.
Der ersten Vorsteherin Hathumod folgten ihre Schwestern und weitere Ver-
wandte als Äbtissinnen ; insoweit wurden die Bestimmungen der Stifter verwirk-
licht. Die umkämpfte Freiheit des Stiftes stellte Otto I. selber 947 und durch Diplome
der Päpste Agapit II. 948 und Johannes XIII. 968 sichert
Insbesondere unter Otto II. und Otto III. erlebte Gandersheim eine Phase star-
ker Nähe zum Herrscherhaus. Die damals amtierende Äbtissin Gerberga II.
(949/956-1001), eine Schwester Heinrichs des Zänkers und damit Cousine Ottos II.,
führte das Stift auch zu kultureller Blüte. Ihre Nachfolgerin Sophia (1001-1039) war
eine Tochter Ottos II/. Beider Amtszeit wurde durch den jahrelangen Streit um die
Diözesanzugehörigkeit Gandersheims zwischen Mainz und Hildesheim überla-
gert, der endgültig erst 1028 beigelegt werden sollte*".
4 So der Untertitel von ALTHOFF, Gandersheim und Quedlinburg.
5 Grundlegend: GOETTING, Gandersheim, wo alle im folgenden nicht mehr eigens aufgeführten
Belege zu finden sind.
6 MGH DD LJ 3.
7 Gerberga (874-896/97), Christina (896/97-919) (beide Schwestern Hathumods), Liutgard
(919-923) (Enkelin Liudolfs und Odas), später Gerberga (949/956-1001) (Tochter Heinrichs von
Bayern und Schwester Heinrichs des Zänkers).
8 MGH DD O I 89, 180; JAFFE-LOEWENFELD 3642 - ZiMMERMANN, Papsturkunden, S. 201f. Nr. 115
(Agapit II.); JAFFE-LOEWENFELD 3721 = ZiMMERMANN, Papsturkunden, S. 360-362 Nr. 184.
9 Dazu nach GoETTiNG, wenngleich nicht weiterführend: WOLF, Sophia.
10 GÖRICH, Gandersheimer Streit (mit ält. Lit.); GoETTiNG, Gandersheimer Streit.