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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0024
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1.2 Quellenlage

23

den Quellen fanden als lediglich auf die Reform fokussierte Personen. Insbe-
sondere wegen der Anwendung statistischer Methoden im Rahmen der Daten-
bank- und Netzwerkanalyse müssen beide Aspekte bedacht werden. Während
ähnlich ausgerichtete Studien für das Spätmittelalter zudem auf eine Vielzahl
unterschiedlicher Quellen zurückgreifen können,40 kamen die an der früh-/
hochmittelalterlichen Kirchenreform Beteiligten noch ohne den Großteil solcher
Verschriftlichung aus oder erachteten sie der Aufbewahrung für nicht würdig.41
Immerhin fand die generelle Überlieferung meist in geistlichen Archiven statt, so
dass ein Großteil der Quellen auf kirchlichen Angelegenheiten beruht - doch
gerade dies beeinflusst über Qualität und Quantität wiederum die Perspektive
der Überlieferung.42
Ein spezifisches Charakteristikum der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts
ist die Parteilichkeit der Quellen, verursacht durch die eingangs erwähnten
Auseinandersetzungen zwischen weltlichen und kirchlichen Machthabern im
Rahmen des so genannten Investiturstreites.43 Abhängig von der Entstehungs-
zeit ist demnach auf eine mögliche Parteilichkeit und Polemik zu achten.44
Demzufolge muss jede überlieferte Quelle als ein potentieller Träger von
Informationen über Kommunikationsbeziehungen aufgefasst werden. Wenn-
gleich prosopographische Forschung einer möglichst großen Quellengrundlage
bedarf, scheint angesichts der in einer Vorstudie eruierten Zahl aktiver Reformer,
der Größe des Untersuchungsraumes sowie der Rolle von Papsttum und König-
bzw. Kaisertum eine Eingrenzung auf möglichst informationsreiche Quellen
dennoch angeraten.45

40 Vgl. Studt, Reformverbände 2008: Reformpläne, -akte, -Handbücher oder -denkschriften,
-kommissionen der Konzilien, Reformkonstitutionen, -Statuten, -dekrete oder -avisamente.
41 Dies ist wahrscheinlicher als zu vermuten, trotz ihrer Existenz habe sich weder ein direkter noch
indirekter Hinweis auf solche Texte erhalten.
42 Weil die geistlichen Archive lediglich die Urkunden aufbewahrten, in denen Bischof oder
Domkapitel begünstigt wurden oder Rechtsstreitigkeiten für sich entscheiden konnten, mache
die Urkundenüberlieferung „das Mittelalter noch kirchlicher, als es ohnehin schon ist" (Esch,
Überlieferungs-Chance 1985, S. 538) bzw. begünstige die Kirche und benachteilige die Laien (S.
540). Weil zudem Grundbesitzdokumentation die größte Chance auf Überlieferung hatte, er-
scheine das Mittelalter noch agrarischer als es das ohnehin schon gewesen sei (S. 536).
43 Vgl. allgemein zuletzt W. Hartmann, Investiturstreit 2007; Goetz, Investiturstreit 2006. Kon-
kreter Anlass war der Streit um die Besetzung des Erzstuhles von Mailand, vgl. hierzu auch W.
Goez, Kirchenform 2008, S. 123-125; Blumenthal, Investiturstreit 1982, S. 131. - Der Deutungs-
versuch von Suchan, Königsherrschaft 1997, S. 20-30, den Investiturstreit als Versagen bisher
praktizierter Ordnungsmuster zur Konfliktbeilegung zu interpretieren, stieß bei R. Schieffer,
Rez. Suchan 1999 auf Kritik.
44 Vgl. zuletzt Münsch, Fortschritt 2006. „Die Warnung Gerd Tellenbachs vor der unbesehenen
Übernahme dessen, was Gregorianer über sich und andere, über den Zustand der Kirche, nicht
allein Fakten mitteilend, sondern auch beurteilend, etwa hinsichtlich der realen Bedeutung von
Simonie und Nikolaitismus im 11. Jahrhundert verbreiteten, müßte der Forschung noch stärkere
Impulse geben als bisher." (Staab, Reform 1992, S. 121 mit Verweis auf Tellenbach, Reform 1985,
S. 100-107 und dens., Kirche 1988, F136-F145).
45 Zur Prosopographie vgl. Gebert, Tagungsbericht 2011; bei der Vorstudie handelt es sich um
meine unveröffentlichte Magisterarbeit von 2007,Aktionsgemeinschaften in der Frühphase der
 
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