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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0191
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III Kommunikation über Kirchenreform zur Zeit Heinrichs III.

War der Text einmal fixiert, wurde ein Bote* * 1075 mit der Übermittlung des
Schriftstückes beauftragt. Ein zentraler Schritt der Kommunikation, wie Dami-
anis häufige Randbemerkungen erkennen lassen: Fürchtete er erstens aufgrund
eines brisanten Inhalts die Augen ungebetener Mitleser, so deutete er das ei-
gentliche Thema nur an und bat den Empfänger, allein auf die mündliche Bot-
schaft seines Boten zu vertrauen.1076 In dieser Hinsicht verfügten mündliche
Nachrichten über einen entscheidenden Vorteil, konnten mit ihrer Hilfe im
Zweifelsfall doch selbst notcirius, antiquarius und lector als Mitwisser ausge-
schlossen werden, wenn sie denn nicht selbst zum Übermittler wurden. Dieser
Vorteil beinhaltete jedoch eine Schwachstelle, denn es bestand stets die Gefahr
der Verfälschung mündlicher Nachrichten.1077 Leider sind von Damianis Helfern
nur die Namen Petrus, Ariprandus und Guido bekannt, selten ist etwas über ihre
Identität und Beziehung zu Damiani zu erfahren; vom Inhalt der ihnen über-
tragenen Botschaften ganz zu schweigen.1078 Eine Ausnahme bildet Damianis
Neffe gleichen Namens, der in Ermangelung des üblichen Typars einmal als Bote
für die Authentizität eines Briefes zu bürgen hatte.1079 Mündliche wie schriftliche
Kommunikation wurden demzufolge einander ergänzend so genutzt, dass ihre
Schwachstellen sich möglichst ausglichen.
Das Fehlen eines Übermittlers bot ihm zweitens einen willkommenen Vor-
wand für die Ausdehnung des Briefumfanges1080 - eine günstige Gelegenheit für
den mitteilsamen Eremiten, der in nahezu jedem zweiten Brief die Überschrei-
tung der legitimen Länge bedauerte. Diese wiederum konnte im Gegenzug als
Argument für die Beendigung eines Briefes dienen, wenn deutlich werden sollte,
dass längst nicht alles Nötige gesagt sei.1081

dum equus offertur, dum sotii omnes iter arripiunt, ecce brevem sperno, strevi vestigia sterno." VgL
Reindel, Studien 1 1959, S. 52.
1075 Zu Begriff und Funktion des Boten im Rahmen der Kirchenreform s. unten S. 271f.
1076 Ders., Briefe 1, Nr. 12, S. 141f.; Briefe 3, Nr. 131, S. 438, Z. 16-19; Briefe 4, Nr. 167, Z. 237, Z. 11-18.
1077 Vgl. Angenendt, Mündlichkeit 1997; Vollrath, Mittelalter 1981 und grundsätzlich Fried, Schleier
2004.
1078 Beispielsweise Petrus Damiani, Briefe 3, Nr. 131, S. 438, Z. 16-19: „De quaestione autem super qua
nos consulere decrevistis, fratrem hunc Petrum, vestrum scilicet nuncium, sollerter inquirite, et quicquid
vobis viva voce protulerit, observate." Dieser Bruder Petrus ist nicht weiter zu identifizieren. Auch
über Ariprandus wissen wir nur, dass es sich um einen Religiösen in Fonte Avellana handelt, der
Damiani als Schreiber diente und später selbst Briefe von ihm erhielt: Briefe 2, Nr. 54f. und Briefe
3, Nr. 117. Ebd., Nr. 106, S. 168, Z. 20f. nennt immerhin „Guidunculus Ule, puer videlicet noster" in
seiner Funktion als Bote. Nicht einmal einen Namen enthält ders., Briefe 4, Nr. 167, S. 237, Z. 11-
18: „Nolumus autem sanctos oculos vestros onerare pluribus litteris, sei omnia, que dicenda sunt,
committimus experiencie portitoris. Hunc igitur sancta clemencia vestra quasi me loquentem diligenter
intendat, sicque duabus peticionibus nostris quas hic in transcursim celeriterque perstrinximus, annuat,
ut et nos nuncios ac veicula misisse per tot terrarium spacia non peniteat (...)."
1079 Ders., Briefe 3, Nr. 122, S. 399, Z. 21f.
1080 Ebd., Nr. 109, S. 207: Damiani suche nach einem Boten, könne aber keinen finden und vermutet
hinter dieser Gelegenheit zum Schreiben weiterer Erbaulichkeiten sogar göttliche Lenkung.
1081 Ebd., Nr. 107, S. 188, Z. 7f. - Damiani kennt aber auch rhetorische Gründe wie adressatenseitiger
Mangel an Interesse in ders., Briefe 2, Nr. 77.
 
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