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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0198
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III.2 Personelle Aspekte

197

Nach dieser Analyse seines generellen Umgangs mit Briefen steht nun seine
kirchenreformerische Kommunikation1116 im Fokus, speziell zunächst seine
kirchenreformerische Korrespondenz. Methodisch findet die quantitative und
qualitative soziale NWA Anwendung, mit deren Hilfe eine egozentrierte Un-
tersuchung eines partiellen Netzwerks der damianischen Korrespondenz vor-
genommen wird.1117 Es werden dabei ausschließlich die brieflichen Kontakte
Petrus Damianis zwischen 1040 und 1064 untersucht, die einen Bezug zur Kir-
chenreform aufweisen.
Mit 54 Briefen thematisieren gut 47% seiner zwischen 1030 und 1064 ver-
fassten Briefe kirchenreformerisch Relevantes.1118 Damit bildet die Kirchenre-
form zusammen mit theologischen und erbaulichen Themen den Hauptgegen-
stand von Damianis epistolarer Kommunikation. Quantitativ galt sein Haupt-
interesse der Simonie, die er in 21 Briefen entweder gänzlich zum Thema erhob
oder zumindest ansprach (Abb. 8). Das Gemeinschaftsleben von Eremiten,
Mönchen und Kanonikern fand in zwölf Briefen Erwähnung, wobei die Vertei-
lung nahezu paritätisch ausfällt. Während er zehnmal den klerikalen Nikolai-
tismus kritisierte, regten ihn Verwandtenehen achtmal zum Verfassen eines
Briefes an. Der generell schlechte Zustand der Kirche sowie die kanonische
Papstwahl, Entfremdung von Kirchengut und der Laieneinfluss animierten ihn
mit fünf bis sechs Briefen etwa gleich häufig zum Schreiben. Die geringste
Aufmerksamkeit widmete Damiani der Pataria, Zibertas-Bestrebungen sowie den
Kanonessammlungen mit nur ein bis zwei Briefen. Bezüglich der Gottesfrie-
densbewegung hat sich kein einziger Hinweis auf ein Interesse Damianis er-
halten.
Sein kirchenreformerisches Engagement verteilte sich demzufolge auf na-
hezu alle Reformaspekte. Für einen Eremiten, der dem weltlichen Treiben zu-
gunsten eines gottgefälligen einsamen Lebens im Gebet entfloh, ein erstaunliches
Verhalten, das selbst im Vergleich zu den übrigen untersuchten Personen als
einzigartig zu bezeichnen ist. Die aktuelle Forschungsmeinung, der zufolge Si-
monie und Nikolaitismus die Hauptthemen des generellen kirchenreformeri-
schen Diskurses bildeten, findet in den Briefen Petrus Damianis zwar eine
grundsätzliche Bestätigung. Allerdings bildet das geistliche Gemeinschaftsleben
von Klerikern und Religiösen als Ganzes betrachtet für den Eremiten einen be-
deutsameren Aspekt als der Bruch des Zölibats. Dass nach Corbet und Ubl aber
auch die Ehe von Verwandten zum kirchenreformerischen Diskurs zu zählen ist,
bestätigen die Briefe des Eremiten ebenfalls.
Betrachtet man die Themenverteilung über den Untersuchungszeitraum
hinweg Abb. 9, engagierte sich Damiani von Anfang an und dauerhaft für die
Entfremdung von Kirchengut im Zusammenhang mit Simonie und Nikolaitis-
mus, wobei bald und nachhaltig das eremitisch-monastische Gemeinschaftsle-
ben, die Verwandtenehe und der schlechte Kirchenzustand hinzutraten. Laikale

1116 Eine Übersicht seiner kirchenreformerischen Kommunikation bietet Tab. 7.
1117 Zur Netzwerkanalyse vgL grundlegend Jansen, Einführung 2006 und speziell zur historischen
Ego-Netzwerkanalyse Dauser, Analyse 2008.
1118 54 von 114 Briefen sind 47,4%. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Tab. 7.
 
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