Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0349
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
348

VI Kirchenreformer in der Mitte des 11. Jahrhunderts

VI.2.2.12 Gervasius, Erzbischof von Reims und Bischof von Le Mans
Der 1007 geborene Gervasius1795 entstammte einer Familie von Burgherren, die
seit dem 10. Jahrhundert den Bischofsstuhl von Le Mans besetzte und auch den
Domkustos Gervasius im Dezember 1035 zu promovieren vermochte.1796 Aus-
einandersetzungen mit dem Grafen von Anjou führten indes zu einer langjäh-
rigen Gefangenschaft und der Aufgabe des Bischofssitzes von Le Mans, wofür
König Heinrich I. von Frankreich Gervasius am 13. Oktober 1055 mit dem Erz-
bistum Reims, an der Grenze zum deutschen Reich gelegen, entschädigte.1797 In
der Folge übernahm Gervasius eine Art Vermittlerrolle1798 zwischen dem fran-
zösischen Königtum und den Päpsten seit Stephan IX.: Die gemeinsame Planung
eines päpstlichen Konzils in Reims scheiterte 1058 am Tod Stephans.1799 Gerva-
sius weihte im Jahr darauf Heinrichs Sohn Philipp I. in Anwesenheit der
päpstlichen Legaten Hugo von Besannen und Ermenfried von Sitten und erhielt
im Gegenzug die Erzkanzlerwürde sowie Grafenrechte übertragen.1800 Nikolaus
II. trug Gervasius ferner auf, den der Simonie verdächtigen Bischof von Beauvais
bei Bestätigung seiner Schuld abzusetzen.1801 Alexander II. sah die Erzbischöfe in
der Pflicht, Sorge für simoniefreie Erhebungen und Amtsführungen zu tragen.
Daher ermahnte er Gervasius einerseits im Jahre 1063, den Archidiakon Jocelin
nicht zum Bischof von Soissons zu weihen1802 und andererseits die vom päpst-
lichen Legaten Petrus Damiani verfügte Deposition des simonistischen Abtes
Reginald von St-Medard in Soissons im Jahr darauf durchzusetzen1803. Noch
1063 hatte Alexander dem Reimser Kirchenoberhaupt befohlen, gemeinsam mit
dem Erzbischof von Sens den Urteilsspruch gegen Bischof Haderich von Orle-
ans, welcher der Simonie überführt worden war, durchzusetzen, doch war auch

Friedensmaßnahmen 1979, S. 47-52; Oexle, Dreiteilung 1978, S. 42-45; Duby, Gerard 1976;
Sproemberg, Gerhard I. 1971, S. 115-117; H. Hoffmann, Gottesfriede 1964, S. 58f.
1793 Vgl. die vieldiskutierte Drei-Stände-Lehre, welche die Gesta epp. Cameracensium Gerhard in
den Mund legen. Der anonyme Verfasser soll diesen Textabschnitt zwischen 1051 und 1055
verfasst haben und nach der jüngsten Neuinterpretation durch Riehes, Bishop 2007, S. 136 sollen
darin nicht länger pro-imperialistische Ansichten des Bischofs, sondern eine „defense of episc-
opal rights as such" durch Gerhard zum Ausdruck kommen.
1794 MGH DD H II 265.
1795 Zu ihm vgl. Demouy, Genese 2005, Register S. 785, besonders S. 608-611.
1796 Vgl. dazu und zum Folgenden ebd., S. 608.
1797 Zu den Grundzügen der Auseinandersetzung am ausführlichsten Sudendorff, Berengarius
1850, S. 118-126 mit dem Brief des Grafen von Anjou an Leo IX. (1053E), S. 212-215.
1798 Vgl. Demouy, Genese 2005, S. 405f., 609.
1799 Laut ebd., S. 405 habe Stephan IX. die Organisation eines weiteren Reimser Konzils angestrebt
und lud zur Vorbesprechung Gervasius und dessen Suffragane für die Zeit nach Ostern 1058
nach Rom ein. Am 29. März verstarb Stephan jedoch.
1800 Zum Erzkanzleramt vgl. ebd., S. 545f. und 566, der S. 610 darauf hinwies, dieses Amt sei bereits
veraltet gewesen; zu den Grafenrechten ebd., S. 491, Anm. 28. Zu den päpstlichen Legaten s.
oben Anm. 1766 und unten 1851.
1801 S. oben Anm. 906.
1802 Alexandri II epistolae, Nr. 16f., Sp. 1296B-1297B an Gervasius bzw. Jocelin; Demouy, Genese
2005, S. 408.
1803 Alexandri II epistolae, Nr. 19 (1063) und 22 (1064); Demouy, Genese 2005, S. 408.
 
Annotationen