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Engl, Richard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Trier [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Die verdrängte Kultur: Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.-13. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 59: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61500#0108

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5. Konfrontation und Deportation unter Friedrich II.

107

Siziliens einen empfindlichen Dämpfer versetzt und sogar Ausschreitungen
heraufbeschworen hatten.418
Was bedeutete all dies für die christliche Königsherrschaft? Für Friedrich II.
musste das Verhalten der westsizilischen Muslime einer ungeheuren Anmaßung
gleichkommen. Dreist hatte sich ein Teil seines Reiches der christlichen Herr-
scherautorität entzogen, an seiner statt einen fremden Emporkömmling zum
Herren genommen, ja sich nominell einem islamischen Nachbarreich unterstellt;
die Grenze der christlich-muslimischen Herrschaftssphären im Mittelmeerraum
drohte verschoben zu werden. Friedrichs Privilegien wurden missachtet, die
Güter seiner Getreuen, der Prälaten von Monreale und Agrigent, wurden an-
gegriffen, und die königlichen Münzen wurden für alle sichtbar geschändet. Die
Zerstörung des Herrscherbildes bedeutete eine so fundamentale Beleidigung
königlicher Autorität,419 dass Vorgänger Friedrichs in harmloseren Fällen mit
Konfliktbereitschaft reagiert hatten, an deren Ende Krieg und Deportation
standen;420 dabei verstanden Muslime wie Christen gleichermaßen die Sprache
von Ehre und Schande, wie im vorliegenden Fall eine Notiz al-Hamawis er-
weist.421 Der Konflikt zwischen christlichem Königtum und muslimischer
Schattenherrschaft schien unvermeidlich, sein Ausgang ungewiss. Rein rechtlich
stand im sizilischen Königreich bereits auf die Usurpation des königlichen
Münzregals die Todesstrafe.422
5. Konfrontation und Deportation unter Friedrich II.
als neugekröntem Kaiser
Schon in Friedrichs Jugend bemerkten Zeitgenossen mit leichtem Stimrunzeln
seine beratungsresistente Willensstärke.423 Der Charakter hochmittelalterlicher
Menschen, und seien es Herrscher, bleibt oft unergründbar; doch dass Nach-
geben nicht die Stärke des Staufers war, ist eine der Aussagen, die man gewiss
wagen darf. Seien es normannische Traditionen oder der Wunsch, die Fremd-
bestimmtheit seiner Kindheit hinter sich zu lassen, seine Autorität versuchte
Friedrich II. entschieden durchzusetzen.
Nachdem der junge König seine Herrschaft im Reich nördlich der Alpen
gegen Otto IV. etabliert hatte, kehrte er 1220 nach Italien zurück.424 Im November

418 Vgl. oben in Kapitel 1.2.
419 Vgl. Görich, Missachtung und Zerstörung, S. 123 f., am Beispiel des herrscherlichen Siegelbildes.
420 Am Anfang des Konflikts zwischen Friedrichs II. Großvater Barbarossa und der mächtigen Stadt
Mailand hatte unter anderem die Zerstörung des kaiserlichen Siegelbildes gestanden; vgl. un-
längst Görich, Friedrich Barbarossa, S. 226-231 und 342-347.
421 Dazu unten bei Anm. 443.
422 Vgl. D'Angelo, Le monete delle rivolte, S. 87; Metcalfe, The Muslims of Medieval Italy, S. 282.
423 Vgl. Hampe, Aus der Kindheit Friedrichs II., 4, S. 596 f.; dazu Stürner, Friedrich II., Bd. 1, S. 108-
110, mit weiterer Literatur, sowie Houben, Kaiser Friedrich II., S. 109-111.
424 Vgl. zum Folgenden Stürner, Friedrich II., Bd. 1, S. 246-253; Bd. 2, S. 9-16; Görich, Die Staufer,
S. 92-94; Houben, Kaiser Friedrich II., S. 38-40.
 
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