Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Engl, Richard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Trier [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Die verdrängte Kultur: Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.-13. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 59: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61500#0079

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
78

II. Staufische Anfänge (1189-1225)

aufhin in großer Einmütigkeit gegen Heinrich erhoben haben: „Lateiner wie
Griechen und Sarazenen"296 rebellierten, bis die Unversehrtheit der Kaiserin
feststand. Eine solche Aktion zahlreicher Inselbewohner erscheint insofern nicht
unglaubwürdig, als Konstanze während der Abwesenheit ihres Mannes 1195 bis
1196 ihre Bindungen zu nahestehenden Einheimischen erneuert haben dürfte,
während der ohnehin landfremde Heinrich nach seiner Rückkehr viele Sizilianer
verprellte.297 Dazu passt auch, dass Konstanze, als ihr Mann wenig später
überraschend starb, eine Wiederbelebung des alten Systems inklusive der ara-
bischen Verwaltung angestrebt zu haben scheint.298
Was bedeutet all dies für die Geschichte der sizilischen Muslime? Der neue
Quellenfund führt nochmals eindrücklich vor Augen, dass die interreligiöse
Entwicklung bis zum Ende des 12. Jahrhunderts keine Einbahnstraße in Rich-
tung fortschreitender Exklusion war. Allem Pessimismus der bisherigen For-
schung zum Trotz, der modus vivendi der religiösen Kulturen Siziliens sei im Jahr
1189 endgültig zerbrochen,299 konnten noch am Ende der Regierungszeit des
ersten sizilischen Stauferkönigs lateinische wie griechische Christen und Mus-
lime unter einem Banner vereint agieren. Auch wenn die Palermitaner Palast-
kultur im Kontakt mit dem Kaisertum stark latinisiert worden war, blieben
wichtige interreligiöse Beziehungen im Land intakt. Was sich im Jahrzehnt bis
1197 verfestigt hatte, war lediglich das Zusammenfinden vieler Muslime zu einer
eigenen politisch aktiven Gruppierung, die an den Entwicklungen des sizili-
schen Königreiches gestaltend und nicht getrieben Anteil zu nehmen bestrebt
war.
3. Politisch-soziale Emanzipation unter der Regentschaft
Papst Innozenz' III.
Diese neue Haltung der Muslime, die die jeweilige christliche Herrschaft nicht
mehr zwangsläufig hinnahm, sondern nach Verbündeten suchte, prägte noch-
mals gesteigert die beiden Folgejahrzehnte.300 Den Hintergrund dieser Ent-
wicklung bildete jene chaotische Ara im Königreich Sizilien, die als ,Zeit der

296 Ignoti monachi cisterciensis S. Mariae de Ferraria Chronica, ed. Gaudenzi, S. 32, zu 1197:... Quod
audientes Siculi, tarn latini quam greci et sarraceni, rebellati sunt omnes contra imperatorem. Sed con-
gregato exercito et audito quod imperatrix viveret, populus conticuit, et subiecerunt se cuncti imperatori.
297 Dazu zuletzt Engl, Der lange Weg, S. 107-119; zu Heinrichs Affronts gegenüber den Einhei-
mischen auch Csendes, Heinrich VI., S. 189 f.; Stürner, Friedrich II., Bd. 1, S. 63.
298 Vgl. Jamil / Johns, A New Latin-Arabic Document, S. 138.
299 Vgl. beispielsweise Norwich, Die Normannen in Sizilien, S. 324; Ahmad, A History of Islamic
Sicily, S. 61; Johns, La Monreale Survey, S. 83, als Arbeitshypothese; Koller, Toleranz im Kö-
nigreich Sizilien, S. 183; Maurici, L'emirato sulle montagne, S. 34 f.; Maurici, Breve storia degli
Arabi, S. 144; Csendes, Heinrich VI., S. 79; Dalli, Contriving Coexistence, S. 39; Feniello, Sotto il
segno del leone, S. 235; Scheller, Migrationen und kulturelle Hybridisierungen, S. 173.
300 Vgl. Maurici, L'emirato sulle montagne, S. 36.
 
Annotationen