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Engl, Richard; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Trier [Contr.]; Jan Thorbecke Verlag [Contr.]
Die verdrängte Kultur: Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.-13. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 59: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61500#0126

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III. Staufische Neuordnungen: Die Muslime
zwischen Sizilien und Apulien (1225-1250)
1. Die Erschließung des neuen Raumes unter Friedrich II.
als Bevölkerungspolitiker
Das südliche Königreich der Staufer war von seiner Nordgrenze in den Abruz-
zen bis zu Siziliens äußersten Spitzen von Hügeln und Bergland überzogen. Die
italienische Halbinsel weist ja insgesamt nur wenige Ebenen auf; die weitläu-
figsten sind die Poebene im Norden und das apulische Tafelland im Süden.
Letzteres, der Ta votiere, war die größte Ebene des mittelalterlichen Königreichs
Sizilien. Zwischen der Adriaküste, dem Vorgebirge des Gargano und den an-
steigenden Hängen des Apennin erstrecken sich dort 3000 Quadratkilometer
fruchtbare Ebene. Römer, Byzantiner und Langobarden besiedelten die Region,
bevor Apulien im 1130 begründeten Normannenkönigreich aufging.527 Byzan-
tinisch inspiriert blieb der Name des Landes: ,Capitanata' wurde das nördliche
Drittel Apuliens genannt, nach dem vormaligen byzantinischen Provinzadmi-
nistrator, dem Katepan (KaTEnävco). Noch im beginnenden 13. Jahrhundert war
die Capitanata, einst byzantinisches Grenzgebiet zu den Langobarden, ver-
hältnismäßig dünn besiedelt. Dies war das Land, in dem die 1223 und 1224 von
Friedrich II. deportierten Muslime eintrafen.
Der zermürbende sizilische Krieg Kaiser Friedrichs II. gegen die muslimi-
schen Rebellen hatte zumal die ländlichen Hörigen zur Bestellung der Felder
ihrer Grundherren in die Ebene zurückbringen wollen; so sollte ihr Widerstand
auf den leicht zu verteidigenden Hochplateaus Siziliens beendet werden. Doch
veranlasste die immer neue Gegenwehr Friedrich II. zur Deportation eines Teils
der Unterworfenen in die nordapulische Stadt Lucera und die umgebende
Ebene.
Für die kaiserliche Ortswahl wurden viele plausible Motive von der For-
schung erörtert,528 ein entscheidender Punkt ist meines Erachtens stärker als
bisher hervorzuheben: In Apulien fand der Staufer jenes Tiefland, in dem die
Muslime für seine Truppen im Falle erneuten Widerstands vergleichsweise leicht
unter Kontrolle zu bringen gewesen wären.529 Weitab vom Gewirr bergiger

527 Zu Apulien in byzantinischer und normannischer Zeit grundlegend Von Falkenhausen, Unter-
suchungen über die byzantinische Herrschaft; Von Falkenhausen, Die Capitanata in byzantini-
scher Zeit; Martin, La Pouille.
528 Vgl. insbes. Egidi, Lacolonia saracena di Lucera, 36,1911, S. 604 f.; Martin, Lacolonie sarrasinede
Lucera, S. 798, bzw. Martin, I Saraceni a Lucera, S. 12; Taylor, Muslims in Medieval Italy, S. 37-40,
47.
529 Vgl. die Gegenüberstellung in HB, Bd. IV.2, S. 828-832: ... e montanis Sicilie Sarracenorum remo-
vimus incolatum, ipsos in media christianorum planitie collocantes die Hoffnung auf eine
 
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