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Engl, Richard; Universität Trier [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die verdrängte Kultur: Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.-13. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 59: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61500#0144

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2. Treue und Privilegien unter Friedrich II.

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führten die Umsiedlungen letztlich zur sichtbaren Verpflanzung der islamischen
Kultur in die Capitanata und auf das süditalienische Festland. Wie in dieser
Studie erstmals festgestellt, konnten die Muslime dabei in Lucera selbst fast wie
Eroberer auftreten, wenn auch von Gnaden Friedrichs II. Offenbar entsprach es
dessen Strategie der Pazifizierung und Prosperitätsförderung, die Umgesiedel-
ten diesbezüglich gewähren zu lassen. Im Augenblick des Konflikts mit dem
Papsttum bezog der Staufer dafür natürlich herbe Kritik. Bei den Muslimen
hingegen mag die Möglichkeit, ihr Umfeld in gewissen Grenzen selbst zu er-
schließen, zu erstaunlich rascher Kaisertreue geführt haben; der Verlust ihrer
alten Heimat konnte etwas verblassen.
2. Treue und Privilegien unter Friedrich II. als Kreuzfahrer
und Wirtschaftsförderer
Mit der erfolgreichen Aufteilung der rebellischen Bevölkerung auf Sizilien und
das italienische Festland hatte Friedrich II. den muslimischen Widerstand er-
stickt, war aber in Zeitnot geraten. Immerhin drängte auch im Osten des Mit-
telmeerraumes eine Auseinandersetzung mit islamischen Reichen: Hier lagen
seit Jahrhunderten die Ziele der Kreuzfahrer; seit der weitgehenden Eroberung
Palästinas durch den Ayyubidensultan Saladin im späten 12. Jahrhundert war
die christliche Rückgewinnung der Heiligen Stätten Herzensangelegenheit eines
jeden Papstes.622 So hatte Friedrich II. schon bei seiner Kaiserkrönung 1220 einen
neuen Kreuzzug für das Folgejahr terminiert. Im Jahr 1227 jedoch hatte der
Staufer den entsprechenden Eid noch immer nicht eingelöst. Gregor IX., der neue
Papst, wurde zunehmend misstrauisch. Und als Friedrich II. endlich abfahrbereit
war, aber ausgerechnet an einer Seuche unter den versammelten Kreuzfahrern
erkrankte und auch noch die letzte Nachfrist überschritt, war das Maß für Gregor
voll: Am 29. September 1227 exkommunizierte er den Kaiser. Zusätzliche, so-
zusagen nachbarschaftliche Konfliktpunkte zwischen dem mittelitalienischen
Papsttum und Friedrich II. als sizilischem König verhinderten die baldige Lö-
sung des Staufers vom Bann. Als dieser daraufhin trotzdem die Kreuzfahrt an-
trat, um Jerusalem auf ungewöhnlichem Verhandlungsweg zurückzugewinnen,
brach im zurückgelassenen Süditalien der direkte militärische Konflikt mit dem
Papst aus. Kriegstreibend wirkten dabei Friedrichs Stellvertreter im Königreich
Sizilien, Rainald von Urslingen und dessen Bruder Berthold, deren väterliches
Herzogtum Spoleto das Papsttum an sich gezogen hatte. Als Gregor IX. im Juli
1228 die Untertanen Friedrichs II. von ihren Treueiden löste, wurden die Brüder
Rainald und Berthold aktiv. Sie operierten im Grenzgebiet gegen antikaiserliche
Rebellen und griffen bald in den päpstlichen Herrschaftsbereich über. Zum

622 Vgl. zum Folgenden Jaspert, Die Kreuzzüge, S. 47-53; Stürner, Friedrich II., Bd. 1, S. 174, 250;
Bd. 2, S. 91-98,130-143,170-173; Görich, Die Staufer, S. 94, 97-100; Houben, Kaiser Friedrich II.,
S. 47-53.
 
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