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III. Staufische Neuordnungen (1225-1250)
„kaiserlichen Kriegsvolk", das sie dabei mitführten, kamen apulische Muslime
hinzu.623
Es war ein Neubeginn: Erstmals in der Stauferzeit waren muslimische
Kontingente für die kaiserliche Festlandspartei tätig. Wie viele es waren, und ob
sie größere militärische Bedeutung hatten, wissen wir nicht. Zunächst traten sie
nur bei der Hinrichtung von Rebellen in Erscheinung, die sie offenbar auf Befehl
ihrer kaiserlichen Heerführer kreuzigten; in den päpstlichen Schreiben ist sogar
von der Verstümmelung von Klerikern die Rede.624
Die Reaktion des Papstes ließ nicht lange auf sich warten: Zu Beginn des
neuen Jahres 1229 standen seine Truppen, die nach dem päpstlichen Feldzeichen
, Schlüsselsoldaten' genannt wurden, an der Grenze des sizilischen Königreichs;
einige Monate später gelang ihnen der Einbruch in dessen Nord westen, die
kampanische Terra di Lavoro.625 Doch kehrte Friedrich II. auf diese Nachrichten
hin eilends aus dem Heiligen Land zurück. Seine überraschende Präsenz änderte
die Lage völlig: Als er von Apulien aus mit Kreuzfahrern, Rainalds Truppen und
wiederum mit muslimischen Kontingenten626 den Päpstlichen entgegenzog,
brach deren Gegenwehr rasch in sich zusammen627. Zum Ende des Jahres hatte
Friedrich die Eindringlinge vertrieben und die Aufständischen unterworfen. Im
folgenden August gelang die Einigung mit dem Papst; der Kaiser wurde vom
Bann gelöst.
Was blieb, war aus Sicht der Muslime im sizilischen Königreich die Wie-
derbelebung einer fernen Tradition: In all den Jahrzehnten seit Friedrichs Geburt
waren sie nicht mehr für einen amtierenden christlichen Herrscher zu Feld ge-
zogen, wie es hingegen in der Normannenzeit üblich gewesen war.628 Nun je-
doch, nur fünf Jahre nach ihrer gewaltsamen Deportation, unterstützte die
muslimische Gemeinschaft des Festlandes ihren erbitterten Gegner von einst.
Dies ist umso bemerkenswerter, als andere Städte Nordapuliens wie Foggia,
623 Vgl. Richard von San Germano, Chronica, ed. Garufi, S. 152, zu 1228:... Raynaldus dux Spoleti cum
imperiali gente dominos Popliti in Capitinnano obsidet:... Tune dux ipse Marchiam intrat, ac Bertholdus
frater eins circa Nursie prouinciam remanet. Qui castrum quoddam, quod Brusa dicitur, sibi rebelle
destruxit, eiusque incolas penis addixit uariis et tormentis; et Sarracenorum traditos potestati, quos secum
de Apulia duxerat, in ipsis, cruciatibus exalare coegit.
624 Vgl. ebd.; im Vergleich zu MGH Epp. saec. XIII, ed. Rodenberg, Bd. 1, 375, S. 291 f.: ... et quod non
est tacendum, sicut dicitur, presbyteros et alias clericos ausu sacrilego mutilans, eos variis cruciatibus
afflixisti, quosdam per Sarracenorum ministerium crucis affigendo patibulo, quosdam cecando, reliquis
afflictis talliis etcollectis, etspoliatis ecclesiis in manifestumsubversionem ecclesiastice libertatis...; ebd.,
378, S. 295 f.:... processit ad beati Petri patrimonium hostiliter occupandum, ubi per Raynaldum natum
Conradi quondam ducis Spoletani, suum vicarium et ministrum, quasdam terras apostolice sedis cor-
ruptis earum habitatoribus fecit invadi, presbyteris et aliis clericis a Sarracenis impie mutilatis ...
625 Vgl. zum Folgenden erneut Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 172-174.
626 Vgl. Richard von San Germano, Chronica, ed. Garufi, S. 161, zu 1229: ... Imperator cumfortunato
crucesignatorum exercitu uenit Capuam mense Septembris, et ab iste parte Capue Sarracenorum cuneos
ordinauit, seque Neapolym contulit eris et gentis a ciuibus auxilium petiturus.
627 Zum Folgenden wiederum Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 178-181; Görich, Die Staufer, S. 100;
Houben, Kaiser Friedrich II., S. 53-55.
628 Vgl. zur Normannenzeit beispielsweise Metcalfe, The Muslims of Medieval Italy, S. 95, 133.
III. Staufische Neuordnungen (1225-1250)
„kaiserlichen Kriegsvolk", das sie dabei mitführten, kamen apulische Muslime
hinzu.623
Es war ein Neubeginn: Erstmals in der Stauferzeit waren muslimische
Kontingente für die kaiserliche Festlandspartei tätig. Wie viele es waren, und ob
sie größere militärische Bedeutung hatten, wissen wir nicht. Zunächst traten sie
nur bei der Hinrichtung von Rebellen in Erscheinung, die sie offenbar auf Befehl
ihrer kaiserlichen Heerführer kreuzigten; in den päpstlichen Schreiben ist sogar
von der Verstümmelung von Klerikern die Rede.624
Die Reaktion des Papstes ließ nicht lange auf sich warten: Zu Beginn des
neuen Jahres 1229 standen seine Truppen, die nach dem päpstlichen Feldzeichen
, Schlüsselsoldaten' genannt wurden, an der Grenze des sizilischen Königreichs;
einige Monate später gelang ihnen der Einbruch in dessen Nord westen, die
kampanische Terra di Lavoro.625 Doch kehrte Friedrich II. auf diese Nachrichten
hin eilends aus dem Heiligen Land zurück. Seine überraschende Präsenz änderte
die Lage völlig: Als er von Apulien aus mit Kreuzfahrern, Rainalds Truppen und
wiederum mit muslimischen Kontingenten626 den Päpstlichen entgegenzog,
brach deren Gegenwehr rasch in sich zusammen627. Zum Ende des Jahres hatte
Friedrich die Eindringlinge vertrieben und die Aufständischen unterworfen. Im
folgenden August gelang die Einigung mit dem Papst; der Kaiser wurde vom
Bann gelöst.
Was blieb, war aus Sicht der Muslime im sizilischen Königreich die Wie-
derbelebung einer fernen Tradition: In all den Jahrzehnten seit Friedrichs Geburt
waren sie nicht mehr für einen amtierenden christlichen Herrscher zu Feld ge-
zogen, wie es hingegen in der Normannenzeit üblich gewesen war.628 Nun je-
doch, nur fünf Jahre nach ihrer gewaltsamen Deportation, unterstützte die
muslimische Gemeinschaft des Festlandes ihren erbitterten Gegner von einst.
Dies ist umso bemerkenswerter, als andere Städte Nordapuliens wie Foggia,
623 Vgl. Richard von San Germano, Chronica, ed. Garufi, S. 152, zu 1228:... Raynaldus dux Spoleti cum
imperiali gente dominos Popliti in Capitinnano obsidet:... Tune dux ipse Marchiam intrat, ac Bertholdus
frater eins circa Nursie prouinciam remanet. Qui castrum quoddam, quod Brusa dicitur, sibi rebelle
destruxit, eiusque incolas penis addixit uariis et tormentis; et Sarracenorum traditos potestati, quos secum
de Apulia duxerat, in ipsis, cruciatibus exalare coegit.
624 Vgl. ebd.; im Vergleich zu MGH Epp. saec. XIII, ed. Rodenberg, Bd. 1, 375, S. 291 f.: ... et quod non
est tacendum, sicut dicitur, presbyteros et alias clericos ausu sacrilego mutilans, eos variis cruciatibus
afflixisti, quosdam per Sarracenorum ministerium crucis affigendo patibulo, quosdam cecando, reliquis
afflictis talliis etcollectis, etspoliatis ecclesiis in manifestumsubversionem ecclesiastice libertatis...; ebd.,
378, S. 295 f.:... processit ad beati Petri patrimonium hostiliter occupandum, ubi per Raynaldum natum
Conradi quondam ducis Spoletani, suum vicarium et ministrum, quasdam terras apostolice sedis cor-
ruptis earum habitatoribus fecit invadi, presbyteris et aliis clericis a Sarracenis impie mutilatis ...
625 Vgl. zum Folgenden erneut Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 172-174.
626 Vgl. Richard von San Germano, Chronica, ed. Garufi, S. 161, zu 1229: ... Imperator cumfortunato
crucesignatorum exercitu uenit Capuam mense Septembris, et ab iste parte Capue Sarracenorum cuneos
ordinauit, seque Neapolym contulit eris et gentis a ciuibus auxilium petiturus.
627 Zum Folgenden wiederum Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 178-181; Görich, Die Staufer, S. 100;
Houben, Kaiser Friedrich II., S. 53-55.
628 Vgl. zur Normannenzeit beispielsweise Metcalfe, The Muslims of Medieval Italy, S. 95, 133.