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II. Staufische Anfänge (1189-1225)
fenbar in Eigenregie zu erfolgen hatte. Die Durchsetzung des Mandats wurde
durch Androhung von Strafe gewährleistet.
Man darf annehmen, dass die Deportationen der sizilischen Muslime in
ähnlicher Weise geregelt wurden. Voraussetzung war demnach wohl, dass die
Betroffenen den Weisungen der sizilischen Verwaltung folgten und sich in ihr
Schicksal fügten. Tatsächlich scheinen sie sich geordnet unter Mitnahme der
wichtigsten Habseligkeiten auf den Weg gemacht zu haben: An ehemaligen
muslimischen Siedlungsplätzen Westsiziliens bemerkten Archäologen ein auf-
fälliges Fehlen von Funden auf dem letzten Siedlungshorizont vor den Depor-
tationen, was sich am ehesten aus der Mitnahme des mobilen Besitzes erklären
lässt.522 Dies erscheint insofern ohnehin plausibel, als es im Interesse des Kö-
nigtums lag, seine abgabenleistenden Untertanen am Bestimmungsort mit ge-
wissen Grundlagen des Alltagslebens ausgestattet zu wissen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Voraussetzung einer solchen Zwangs-
umsiedelung die in der lateinischen Welt fast einmalige Durchsetzungsfähigkeit
der sizilischen Verwaltung war, die Friedrich II. aus normannisch-arabisch-by-
zantinischer Tradition ererbt hatte.523 Diese Fortschrittlichkeit' gewährleistete
ironischerweise die Zwangsgewalt, die zur Entwurzelung und Verpflanzung
eines erheblichen Bevölkerungsteils des sizilischen Königreichs nötig war.524 Die
Kosten zeigten sich an den Reaktionen der Betroffenen: Die Erinnerung des
achtzigjährigen Apuliers an den Schmerz der Deportierten legt nahe, dass mit-
telalterliche Menschen den Verlust der Heimat nicht grundsätzlich anders
empfanden als heutige. Die Muslime Siziliens jedenfalls mussten ungleich weiter
als die Gravinesen in die Fremde reisen; um wieviel schwerer muss ihnen der
Aufbruch gefallen sein.
Zusammenfassung: Der Primat des Politischen und die
Offenheit der interreligiösen Beziehungen
Die epochale Zäsur, die die Deportation eines Großteils der muslimischen Be-
völkerung Siziliens bedeutete, war die Folge einer zunehmend beschleunigten
Entwicklung seit der Wende zum 13. Jahrhundert - soweit die Bilanz der bis-
herigen Überlegungen zu den Muslimen während der staufischen Anfänge im
Königreich Sizilien. Nur das Aufeinanderprallen zweier Positionen der Stärke
und Entschlossenheit konnte einen derart erbitterten Konflikt auslösen, wie ihn
Friedrich II. und die Muslime von 1222 bis 1225 austrugen.
Fast die gesamte bisherige Forschung verstand die Deportationen als kon-
sequente Fortsetzung des Niedergangs muslimischen Lebens unter christlicher
Herrschaft. Die hier vorgenommene Analyse lässt dank erweiterter Aufmerk-
522 Dazu Isler, Monte lato, S. 125.
523 Dazu oben bei Anm. 135.
524 Dazu in vergleichender Perspektive Engl, Religionskonflikt im Protostaat?, S. 95-97.
II. Staufische Anfänge (1189-1225)
fenbar in Eigenregie zu erfolgen hatte. Die Durchsetzung des Mandats wurde
durch Androhung von Strafe gewährleistet.
Man darf annehmen, dass die Deportationen der sizilischen Muslime in
ähnlicher Weise geregelt wurden. Voraussetzung war demnach wohl, dass die
Betroffenen den Weisungen der sizilischen Verwaltung folgten und sich in ihr
Schicksal fügten. Tatsächlich scheinen sie sich geordnet unter Mitnahme der
wichtigsten Habseligkeiten auf den Weg gemacht zu haben: An ehemaligen
muslimischen Siedlungsplätzen Westsiziliens bemerkten Archäologen ein auf-
fälliges Fehlen von Funden auf dem letzten Siedlungshorizont vor den Depor-
tationen, was sich am ehesten aus der Mitnahme des mobilen Besitzes erklären
lässt.522 Dies erscheint insofern ohnehin plausibel, als es im Interesse des Kö-
nigtums lag, seine abgabenleistenden Untertanen am Bestimmungsort mit ge-
wissen Grundlagen des Alltagslebens ausgestattet zu wissen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Voraussetzung einer solchen Zwangs-
umsiedelung die in der lateinischen Welt fast einmalige Durchsetzungsfähigkeit
der sizilischen Verwaltung war, die Friedrich II. aus normannisch-arabisch-by-
zantinischer Tradition ererbt hatte.523 Diese Fortschrittlichkeit' gewährleistete
ironischerweise die Zwangsgewalt, die zur Entwurzelung und Verpflanzung
eines erheblichen Bevölkerungsteils des sizilischen Königreichs nötig war.524 Die
Kosten zeigten sich an den Reaktionen der Betroffenen: Die Erinnerung des
achtzigjährigen Apuliers an den Schmerz der Deportierten legt nahe, dass mit-
telalterliche Menschen den Verlust der Heimat nicht grundsätzlich anders
empfanden als heutige. Die Muslime Siziliens jedenfalls mussten ungleich weiter
als die Gravinesen in die Fremde reisen; um wieviel schwerer muss ihnen der
Aufbruch gefallen sein.
Zusammenfassung: Der Primat des Politischen und die
Offenheit der interreligiösen Beziehungen
Die epochale Zäsur, die die Deportation eines Großteils der muslimischen Be-
völkerung Siziliens bedeutete, war die Folge einer zunehmend beschleunigten
Entwicklung seit der Wende zum 13. Jahrhundert - soweit die Bilanz der bis-
herigen Überlegungen zu den Muslimen während der staufischen Anfänge im
Königreich Sizilien. Nur das Aufeinanderprallen zweier Positionen der Stärke
und Entschlossenheit konnte einen derart erbitterten Konflikt auslösen, wie ihn
Friedrich II. und die Muslime von 1222 bis 1225 austrugen.
Fast die gesamte bisherige Forschung verstand die Deportationen als kon-
sequente Fortsetzung des Niedergangs muslimischen Lebens unter christlicher
Herrschaft. Die hier vorgenommene Analyse lässt dank erweiterter Aufmerk-
522 Dazu Isler, Monte lato, S. 125.
523 Dazu oben bei Anm. 135.
524 Dazu in vergleichender Perspektive Engl, Religionskonflikt im Protostaat?, S. 95-97.