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Engl, Richard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Trier [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Die verdrängte Kultur: Muslime im Süditalien der Staufer und Anjou (12.-13. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 59: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.61500#0205

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204

IV. Spätstaufische Nachfolgekonflikte (1250-1266)

an, die er zuvor aus Rücksicht auf den lebenden Heinrich abgelehnt hatte.957
Überhaupt erhoben auch diesmal fast nur päpstliche Parteigänger den Mord-
vorwurf,958 wiederum überwiegend gestützt auf Hörensagen.959 Nicht einmal
Innozenz IV. selbst beharrte auf der Beschuldigung gegen Johannes Morus, als er
ihn ein Jahr später höchstpersönlich in Dienst nahm.960 So erscheint folgender
Hergang plausibel: Zwar hatte es einen unterschwelligen Konflikt zwischen den
Stauferbrüdem gegeben, aufgrund dessen Konrad IV. Heinrich zu sich rief, um
ihn möglicherweise sogar in höfischen Gewahrsam zu nehmen,961 doch wurde
kein Mord auf Initiative Konrads IV. oder seines Getreuen Johannes Morus
verübt. Der Tod am Königshof dürfte lediglich Gerüchte genährt haben, die das
Papsttum ausnutzte.
Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Wahrnehmung des Johannes Morus.
Schließlich blieb die Konstante der Kolportage der angeblich „nichtsnutzige
Mohr"962, „ein Speichellecker", der mit Gift und Strangulation sein „blutgieriges
und verbrecherisches"963 Werk vollbracht haben soll. Eine solch undankbare
Rolle als Hassobjekt rückt Johannes erneut in die Nähe der Eunuchen am Kö-
nigshof der Normannenzeit:964 Wie jene zog er offenbar als Aufsteiger jenseits
alteingesessener Familiennetzwerke Missgunst und Verdächtigungen auf sich.
Allein aus königlicher Gnade war er in eine exponierte, beneidete Position ge-
langt, und - wie seinerzeit die Eunuchen - machte ihn seine körperliche An-

957 Vgl. Foedera, conventiones, literae, et cujuscunque generis acta publica, ed. Rymer, Bd. 1, S. 513 f.;
dazu RI V,2,3, 8735; vgl. schon die gleiche Rücksicht des Richard von Cornwall laut Matthäus
von Paris, Chronica majora, ed. Luard, Bd. 5, S. 347.
958 Thomas von Pavia und Salimbene de Adam standen als Mendikanten auf Seiten des Papsttums,
Bartholomäus von Neocastro stützte sich für die Stauferzeit auf prokirchliche Quellen und die
Annalen der Stadt Genua nahmen tendenziell die Position ihres Landsmannes Innozenz IV. ein;
vgl. Sommerlechner, Stupor mundi?, Nr. 21, S. 500 f.; Nr. 38, S. 507 f.; Nr. 58, S. 517 f.; Nr. 99, S. 535;
Petti Balbi, La storiografia genovese, S. 58-61; dementsprechend Matthäus von Paris, Chronica
majora, ed. Luard, Bd. 5, S. 448:... Interiit autem, prout ab aemulis Conradi regis Siciliae asseritur, ipso
rege Conrado procurante.
959 Vgl. Annales lanuenses, ann. MCCLI-MCCLXIV, ed. Imperiale di Sant' Angelo, Bd. 4, S. 8: ...
dicitur (!) quod lohannes Morus ex mandato ipsius regis [Conradi] ipsum [Enricum] strangulauit;
Thomas [von Pavia], Gesta imperatorum et pontificum, ed. Ehrenfeuchter, S. 516: Conradus ... per
lohannem Morum ei dicitur (!) fecisse propinari venenum; Foedera, conventiones, literae, et cu-
juscunque generis acta publica, ed. Rymer, Bd. 1, S. 513f:... eodem nepote tuo impie, ut asseritur (!),
sublato de medio ...
960 Vgl. MGH Epp. saec. XIII, ed. Rodenberg, Bd. 3, 342, S. 310 f.; zum Hintergrund unten bei Anm.
992-1006.
961 Dies könnte der Hintergrund von Konrads Verteidigung gegenüber dem päpstlichen Vorwurf
der Inhaftierung seines Bruders gewesen sein: Konrad entgegnete, er habe Heinrich „ehrenvoll
behandelt"; vgl. Matthäus von Paris, Chronica majora, ed. Luard, Bd. 6, S. 302.
962 Bartholomäus von Neocastro, Historia sicula, ed. Paladino, cap. 1, S. 3: Maurus Ule nequam manus
gerit inde pollutas ...
963 Matthäus von Paris, Chronica majora, ed. Luard, Bd. 5, S. 412: Quidam vero illius terrae incola et
indigena, cruentus et facinorosus valde, Johannes dictus Maurus, adulator et sub amicitiae [forma]
homines veneno necans ...; die Übersetzung nach: Auszüge aus der größeren Chronik des Mat-
thäus von Paris, übers. Grandaur / Wattenbach, S. 262.
964 Vgl. oben Kapitel 1.1.
 
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