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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 4
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Bredt, Ernst Wilhelm: Carl Jaegers neue Villen in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0269

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CARL JAEGERS NEUE VILLEN IN MÜNCHEN
von Dr. E. W. BREDT, München

Carl Jaeger, dessen preisgekrönter Entwurf für
das Deutsche Museum allen, die ihn gesehen,
in bester Erinnerung bleibt, darf auch als Architekt
kleinerer Privatbauten schon auf manch schönen,
reichlich verdienten, Erfolg zurückschauen. V
V Diesmal sei nur auf einige seiner Villen in
Münchens bevorzugtem Herzogpark hingewiesen:
Das Haus Kolbergerstrasse 16 liegt zwischen Villen,
vor einer bald ansteigenden öffentlichen Anlage mit
grossen Bäumen. Carl Jaeger hat in dieses schöne
grüne, doch städtische Terrain, das recht geeignete
Haus zu stellen gewusst. Das Haus, das Terrain
begünstigen sich wechselseitig. Durch Ausge-
glichenheit wirkt der Bau ruhig. Schmuck erscheint
er durch Mässigung farbiger Mittel. Die Läden nur
sind grün. Das Dach grau, die Fassade weiss. Die
Isolierung macht das Haus herrenartig. Die gedeckte
Vorhalle, nicht eng vom Gitter umschlossen, ver-
bindet zurückhaltend das Haus mit der Strasse.
Grosse Terrassen sind nur dem Garten zugewendet.
Der Garten ruhig angelegt, wie ein weicher Teppich
vor der Terrasse, der behaglichen Vermittlerin
zwischen Schatten und Licht. V
V Nichts ist gesucht, nichts fällt auf — vornehmer
Mittel, keiner anderen, hat sich der Architekt bedient.
V Das gilt auch vom Innern des Hauses. V
V Die Halleistausgezeichnet. Etwas festlichBelebtes
hat das Treppengeländer von Paul Ludwig T r o o s t,
Wackerles Blumenkorb auf dem Treppenpfosten
ist würdiger Gruss den Gästen, immerwährender
heimischer Schmuck. Beide Künstler wissen fein
den Architekten zu unterstützen. Keiner hat Nach-
teil von solch verständigem Ineinanderarbeiten.
V Im Grundriss schon fällt die Verschiedenartigkeit
der Grössenverhältnisse der einzelnen Zimmer, fällt
die möglichste Trennung der Küche von den Wohn-
zimmern, die Lage der wichtigsten Wohnräume nach
der sonnigen Gartenseite auf. V
V Die Kellermauern sind Beton, die übrigen Mauern
Backsteinmauerwerk mit Kalkmörtelbewurf. Falz-
ziegel graubraun. Die Baukosten betragen 50000Mark
oder 26 Mark für den cbm umbauten Raumes.
V Beim Villenbau des Kommerzienrat Woerner

hatte der Architekt in Grundriss und Gestaltung
die Wünsche des Bauherrn zu berücksichtigen.
V Der Vorliebe des Bauherrn für Erker — sehr
berechtigt in unserem sonnenkargen Klima — ist
Carl Jaeger mit bemerkenswertem künstlerischem
Verlangen nach Gleichklang gerecht geworden. Ist
doch das Bild des Hauses, das einen rechten Winkel
bildet, zu ergänzen durch einen Anbau von gleicher
Anlage. Die Wirtschaftsräume beider Häuser würden
ein Zwischenteil bilden, das die Baugruppe schliesst,
doch die Wohnhäuser trennt. V
V Jaegers herrenmässige Art, das schlichte Ganze
durch einige organisch fest eingefügte aber durch
Material und Durchbildung ausgezeichnete Teile zu
nobilisieren, gewinnt auch hier den Betrachter.
V Der Vorhof des Hauses ist mit Steinplatten belegt.
Das unterstützt gut den Charakter der Strassen-
seite im Gegensatz zur baumbeschatteten Garten-
seite des reizenden landstädtischen Grundstücks.
V Auch hier hat Jaeger die Diele besonders ein-
drucksvoll zu gestalten gewusst. Sie ist behaglich
und bürgerlich bewusst. Den einzelnen Räumen
ist Wohnzweck oder Repräsentation durch Raum-
verhältnisse, Wand- und Deckengestaltung künst-
lerisch abzulesen. Je grösser die Anlage, um so
mehr tritt Jaegers künstlerisches Vermögen, ver-
schiedenartiger Stimmung und Bestimmung der
Räume gerecht zu werden, in Erscheinung. Beim
Hause Wörner bemerkt man nur unlieb eine
gewisse Schwäche vieler Bauherren. Das ist
die zu grosse Genügsamkeit in der Beschaffung
plastischen Schmucks. -— Weshalb sehen wir, zu-
mal in München, fast immer nur dieselben billigen
Reliefs, Büsten, Freifiguren zum Schmuck selbst
reicher Villen und Gärten verwendet? Was soll
die antike Cäsarenbüste, das Relief Michelangelos
und anderes Altes an einem neuen deutschen Hause?
Reliefs, die nachgerade jeder Gipsfigurenfabrikant
massenhaft feilbietet. Ja wenn wir nicht Bild-
hauer hätten, die eine Plastik vorzüglich zur Hebung
des Ganzen schaffen könnten. Der Mehraufwand
von einigen hundert Mark käme dem Ansehen des
Bauherrn gar sehr zu gute — und mit dem der

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