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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 9
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Wolf, Georg Jacob: Neue Arbeiten der München Architekten Theodor Veil und Gerhard Herms
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0553

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NEUE ARBEITEN DER MÜNCHNER ARCHITEKTEN
THEODOR VEIL UND GERHARD HERMS
Von Dr. GEORG JACOB WOLF in München

Aus der bildsamen Münchner Kunstatmosphäre,
deren Gebärfreudigkeit ein lustsames Schau-
spiel ist, haben sich im Laufe einiger Jahrzehnte
so bedeutungsvolle, das ganze deutsche Kulturleben
erfrischende Bewegungen und Erscheinungen los-
gelöst, dass es weiter nicht verwundern kann, dass
vor etwa sechs Jahren wiederum eine neue für die
Belebung von Architektur und Innendekoration
ausserordentlich wirksame Gruppe von Architekten
von München aus ihren Weg in die Welt nahm.
Diese Gruppe, die vielleicht von einer späteren
Generation als die Neu-Münchener Schule ange-
sprochen werden wird, obwohl die unter diesem
Kollektivnamen Zusammengebauschten ganz unab-
hängig von einander zu einem gemeinsamen Ziel
gelangten, sind die Gegner des Nur-Konstruktiven.
Der Konstruktivismus in Architektur und Kunst-
gewerbe, dessen Puritanismus oft genug an Arm-
seligkeit erinnerte, war uns sicherlich notwendig.
Aber er durfte nur eine Brücke sein, nur ein Durch-
gangsweg, auf dem kein dauerndes Verweilen mög-
lich ist. Denn nicht im Konstruktiven an sich ruht
unser Heil, die Kultur verlangt nach Schmuck,
Komfort, Vornehmheit, Sinnenfreude. Diesem Be-
dürfnis hat die Architektur, so die äussere der
Paläste, Häuser und Villen, als die innere der Räume,
Möbel und Kleingeräte, Ausdruck zu verleihen. Eine
ebenso natürliche als verkannte Tatsache! Denn
es bedurfte wirklich erst des Vorstosses dieser aus
München hervorgegangenen, aber natürlich auch
mit dem reifen Geist anderer Kulturen durchsetzten
jüngeren Künstlerschaft, um dem Schmuckstil, der
graziösen Art, die anknüpft an die Tradition, nament-
lich an das Empire und an den Stil von 1830, wieder
Geltung zu verschaffen. V
V Eine der interessantesten und erfolgreichsten
künstlerischen Persönlichkeiten dieser Richtung ist
der Architekt Theodor Veil, der sich seit einigen
Jahren mit dem Architekten Gerhard Herms zu
gemeinsamer Tätigkeit zusammengefunden hat. Veil

hat sich zuerst als Innenarchitekt durch seine ele-
ganten, von allen guten Geistern weltmännischer
Noblesse erfüllten Räume auf grossen deutschen
Ausstellungen einen klingenden Namen verschafft.
Seine Spezialität ist die ovale Raumlösung: ein
solcher Ovalraum, der im Einerlei der rechteckigen
Ausstellungshallen geradezu sensationell im ästhe-
tischen Sinn zu wirken vermag, ist der Erscheinung
gewordene Widerspruch zum nüchternen Konstruk-
tivismus. Also sozusagen Veils Kunstprogramm, das
uns in mannigfachen formalen und koloristischen
Abschattierungen auf den Ausstellungen München
1908, Berlin 1909 („Die Dame in Kunst und Mode“),
Paris 1910 und auf der „Bayerischen Gewerbeschau
1912 in München“, sowie im „Parkkasino“ des
Münchner Ausstellungsparkes begegnet. Es ist
charakteristisch für Veils Kunst, dass all diese
Raumgestaltungen entweder reizvollen Gebilden der
Damenmode als Gehäuse dienen oder dass ihr
Zweck, wie beim Parkkasino, der ist: einer ver-
feinerten, kultivierten Geselligkeit Folie zu sein.
Ueberaus apart ist die farbige Nuancierung und
Zusammenstimmung dieser Räume, die allesamt
sehr licht und hell, unter Verwendung von viel
Weiss, gehalten sind, also dass einem eine wahre
Welle von Lebensfreude aus ihnen entgegenschlägt.
In diese Kategorie der Veilschen Arbeiten gehören
auch seine verschiedenen Innenarchitekturen und
Möbelkonstruktionen, von denen die Abbildungen
dieses Heftes einen guten Eindruck vermitteln, und
gehört zumal die reizende Modellbühne der Bay-
rischen Gewerbeschau, ein zierliches Modetheater-
chen, das zur Vorführung von Kostümen aus
Münchner Schneiderinnen - Ateliers an lebenden
Modellen, graziösen jungen Mädchen, dient. Dieser
künstlerische Rahmen eines auf Geschmackskultur
gestellten Unternehmens hat den Charakter seines
Zweckes im tiefsten ausgeschöpft: er ist das Non-
plusultra des Geschmacks. Mit welcher Liebe der
Architekt gerade an die Gestaltung dieses Raumes

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