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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 6
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Schulze, Dr. Hans: Edgar Hönig, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0397

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EDGAR HÖNIG, BERLIN
von Dr. HANS SCHULZE, Berlin

Auf die übertriebene Schlichtheit, die reine,
nüchternst ausgesprochene Zweckmässigkeit
der Architektur und des Möbels, ist erfreulicher-
weise bald die Reaktion erfolgt. Wieder tritt der
Architekt bei der Gestaltung seiner Bauten, Innen-
räume und Möbel in Beziehung zu dem Maler und
Bildhauer. Vor allem im Möbel macht diese Be-
wegung sich geltend. Berlin und hier vor allem
Bruno Paul, dann Rudolf Alexander Schröder und
für sie schaffend Josef Wackerle sind die Führenden.
Aber auch unter den jungen Künstlern sind solche,
die reichere Wohnräume und Möbel zu schaffen
imstande sind und nicht im Puritanismus stecken
bleiben. Zu diesen zählt Edgar Honig, dem als
Mitarbeiter der Maler Paul Leni und der Bild-
hauer Hans Schellhorn helfend zur Seite stehen. V
V Honigs Arbeiten zeugen von einer starken Eigen-
art. Zuweilen wird noch des Guten etwas zuviel
getan, aber langsam und sicher beginnt sich seine
Kunst zu klären und schärfere Formen anzunehmen.
V In Berlin hat er eine Reihe von Miethausbauten
ausgeführt, die stets in dem Strassenbilde als äusserst
glückliche Lösungen auffallen. Er fasst einzelne
Fassadenpartien stark zusammen, scheut sich in
keiner Weise vor einem Abweichen von der Mittel-
achse, wenn er dadurch eine besondere Lebhaftig-
keit, ein besonderes Betonen eines Baugliedes
bringen kann. Die Dächer sind einfach gehalten
und weit heruntergezogen. Plastik wird in den stark
dekorativen Figuren Schellhorns an hervorragenden
Punkten, wie an Portale, in Friesen etwa in der
Höhe des ersten Stockes und in Giebel angebracht.
Zeigen schon seine Fassaden eine ausgesprochene
Vorliebe für Farbigkeit, so tritt die Farbenfreudig-
keit noch mehr in seinen Innenräumen hervor.
V Typische Lösungen sind die zwei Berliner Restau-
rationslokale, „Die Bierritze“ und „Der Schlemmer-
keller“. Ersteres ein Bierlokal mit starken humo-

ristischen Wirkungen, das Genre der Bauernkneipe
von einem Künstler gebändigt. V
V Letzteres ein vornehmes Restaurant, wo von
gutgetönten Stoffen, silbergrau, blau oder grün mit
graziösen Stickereien in sehr starken Farben nach
Entwürfen Lenis, orange, grün und blau bezogene
Sofas mit schrägen Rücklehnen und Klubsessel in
den gleichen Farben stehen. V
V Auch seine Wohnräume zeigen in der Wahl der
Wandbespannung, dem Fussbodenbelag, der Möbel-
stoffe die gleiche lebhafte Farbenfreudigkeit, die
sich aber stets zu glücklicher Harmonie eint. V
V Das einzelne Möbel ist in seinen Formen überaus
einfach und gradlinig, nur die Beine treten in
leichten Schwingungen hervor. Die Vorderflächen der
Schränke, der Anrichten usw. sind dann meist mit
plastischem Schmucke verziert. Hier tritt Schell-
horn helfend zur Seite. Seine Reliefs mit Früchten,
Tieren und Blumen, oder seine kleinen Puttenfiguren
fügen sich glücklich in die Architektur des Möbels ein.
V Auch Intarsien wendet Honig gerne an. Das
Tierornament ist seine Liebhaberei. An einem
seiner Wohnhäuser sind die Balkongitter z. B. stili-
sierte Flamingos, die eine reizvolle Linie ergeben. V
V Seine Beleuchtungskörper, mit Vorliebe aus Eisen
getrieben, sind durchweg zweckmässig erfunden. V
V In der letzten Zeit ist Honig auch an den Bau
von Privathäusern herangetreten, deren Grundriss-
gestaltung, von den persönlichen Bedürfnissen des
Bestellers ausgehend, sehr reizvolle und gefällige
Lösungen sind. Es wäre sehr zu wünschen, dass
Honig öfters vor diese ihm sehr naheliegende Aufgabe
gestellt würde. Wenn Honig noch einige Ueber-
treibungen, die aber schon bei seinen letzten Ar-
beiten kaum mehr ins Gewicht fallen, abgelegt haben
wird, wird er wohl bald in die Reihe derer gestellt
sein, die etwas bei der Ausgestaltung der modernen
Architektur mitzusprechen haben. V

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