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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 9
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Wagenführer, Max Adolf: Moderne Gasträume
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0597

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425


PAUL RENNER, BERLIN
Herrenzimmer. Möbel aus Nussbaum mit grünen Lederbezügen; Wand grün-schwarz gestreift;
Fussboden grün Boucle mit schwarzem breitem Fries; Nische auf blauem Grund bunt ausgemalt

MODERNE GASTRAUME

Eine Stätte weltstädtischer Geselligkeit hat Paul Renner im
Hause Potsdamerstrasse 91 in Berlin errichtet. Es gibt
noch kein deutsches Wort für das hier Geschaffene, man muss
aus den internationalen Begriffen die Bezeichnung suchen.
Klubräume sind es in Form eines offenen Restaurants, aus
einem up to date gesteigerten Luxus- und Kulturempfinden
entworfen, und der Name „Klubrestaurant“ wird dem Zweck
noch am besten gerecht, wenn man aus dem Begriff „Klub“
nur die Form der Geselligkeits- und Wohnkultur entnimmt,
nicht aber seine Geschlossenheit. Man gab dem Restaurant
nach französischem Vorbild einen Namen: „Grand Gala“, — er
ist das einzig Geschmacklose an dieser geschmackvollen Sache.
V Eigenartig wirkt schon der Eintritt. Die Räumlichkeiten
liegen in den beiden unteren Geschossen, der Eingang befindet
sich aber im Obergeschoss. Man schreitet, nachdem man durch
einen Fahrstuhl hinaufbefördert ist, durch einen grossen mit
leuchtend moosgrüner Velourstapete und ebensolchem Teppich
ausgestattetem Empfangsraum in den in vornehm grauer
Stimmung gehaltenen Schreib- und Lesesaal, den
Klubsessel mit buntem Cretonne beleben. Ihm schliesst sich
ein roter Wa n d e 1 r a u m an, in dem auch Kaffee und Tee
eingenommen wird. Nun endlich führt eine 3 m breite, mit
rotem Teppich belegte und mit elfenbeinfarbigem Geländer
dekorativ gestaltete Treppe in die eigentlichen, im Erdgeschoss
liegenden Restaurationsräume hinab. Auf halber Höhe erschliesst
der geräumige Podest einen überraschenden Ueberblick, und
für die unten Sitzenden bieten die fliessenden Gewänder elegan-
ter Damen, wie im Rahmen, Sensationen raffinierter Schönheit.

V Man tritt unten in den dreifach gegliederten Speisesaal.
Zunächst in den seltsam und doch anheimelnd mit Ruskus
ausgeschlagenen und mit braunen Korbmöbeln bestellten Teil.
Durch Pfeileröffnungen getrennt liegt parallel der mit Ober-
licht versehene Raum, der an seiner Längswand facettierte,
elfenbeinfarbig gefasste Spiegel und einen Marmorkamin hat.
Die Beleuchtungskörper hängen hier über der Glasdecke,
so dass mildes, zerstreutes Licht herrscht. Möbel und Fuss-
boden sind grün. Quer vor beiden Räumen liegt der dritte,
den dunkelrote Plüschmöbel und Perserteppiche zieren.
V Vorn an der Strasse, aber von dieser nicht zugängig,
bildet den Abschluss der Barraum, dessen Wände gold-
gelber Seidenstoff in elfenbeinfarbiger Leistenfassung bespannt.
In derselben Farbenstimmung sind Fussboden und Möbel
gehalten. V
V Die besondere Charakteristik der Räume steht in der
Hauptsache auf einem einfachen scharf betonten Farbenakkord.
Selbst starke Gegensätze wie Rot und Grün, die in den Teilen
des Speiseraumes hart aneinander grenzen, sind durch neu-
trales Weiss oder Elfenbeingelb und sorgfältiges Nuancieren
zum Einklang gebracht. Bemerkenswert ist, dass überall die
Wirkung mit verhältnismässig billigen Mitteln erreicht wurde.
Nirgends sieht man aufdringliches, gleissendes Material. Form,
Linie, Farbe und ein feines Raumgefühl schufen ein beson-
deres Interieur, das, weil es den Zielen unseres modernen
Kunstwollens entspricht, als vorbildlicher Typ gelten darf,
— nicht zur sklavischen Nachahmung, aber für die Art,
solche Räume zu gestalten. WAGENFÜHR
 
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