ZU DEN ARBEITEN DES ARCHITEKTEN J.THEEDE IN KIEL
Man wird unter den deutschen Landen heute nur
schwer noch eine Provinz finden, die eine so
geschlossene, den Charakter von Volk und Land-
schaft klar widerspiegelnde Kunstproduktion auf-
zuweisen hat, wie Schleswig-Holstein. Das Land hat,
von zwei Meeren begrenzt, dank seiner isolierten
Lage zu allen Zeiten seine künstlerische Eigenart
zu wahren gewusst und die von aussen andringenden
Kunsteinflüsse stets nur als Befruchter des eigenen
Bodengewächses genutzt. Insonderheit die Baukunst
Alt-Schleswig-Holsteins zeigt das seltene Bild einer
einheitlichen, von lebendigen Traditionen gesättigten
Entwicklung, die erst in den letzten Jahren durch
die bureaukratisch geförderte Bautätigkeit der Marine
durchbrochen und in ihrer pädagogischen Wirkung
beeinträchtigt worden ist. Es genügt, die frühere
Kunstleistung dieses Landes einmal als Ganzes zu
betrachten, so wie sie etwa die schöne Publikation
von Dr. Ernst Sauermann* vermittelt, um einen
überzeugenden Eindruck von der geschlossenen,
auf der lebendigen Kraft uralter Ueberlieferungen
beruhenden Entwicklung zu gewinnen. Menschen
haben diese Baukunst geschaffen von der vornehmen,
ruhigen, trotzig-zuversichtlichen Art der blauäugigen
Leute von der Wasserkante. In ihren Werken über-
zeugt nicht die Sicherheit des handwerklichen
Könnens; die ist zur selbstverständlichen Voraus-
setzung geworden, ist Anstandspflicht eines jeden,
der das Baugewerbe praktisch übt. Was sie geleistet
haben, ist gut und wertvoll, weil man die Freude
an der Arbeit merkt, die Liebe zum Gestalten, weil
Blut und Seele in diesen Werken ist, weil sie von
Menschen mit Herz und Empfindung geschaffen
wurden, von Menschen, die die Musik in sich hatten,
was mehr bedeutet, als der stärkste Kunstwille von
heute. Ihre Arbeit ist getränkt vom Adel ihrer
Gesinnungen, sie offenbart den Stolz und die Würde
ihres Charakters. Zugleich aber klingt in diesen
Bauten auch eine wundervoll zarte Verhältnismusik,
* Alt-Schleswig-Holstein und die freie Hansestadt Lübeck. Heraus-
gegeben von Dr. Ernst Sauermann. Berlin 1912. Verlag für Kunstwissen-
schaft G. m. b H.
die köstliche Blüte einer sehr gepflegten, bis zum
letzten verfeinerten Kunstübung. V
V Ein Gewächs von so edler Art gilt es zu pflegen.
Es entstand unter dem Einfluss bestimmter klima-
tischer Verhältnisse und sog seine Lebensnahrung
aus dem Boden, in dem es wurzelte. Was in den
letzten Jahren von fremden Elementen nach Schles-
wig-Holstein gebracht wurde, musste sich wie ein
Mehltau auf diese zarte Pflanze legen. Was eine
unpersönliche und darum empfindungslose Bau-
bureaukratie hier geleistet hat, musste namentlich
darum bedenklich sein, weil das Prestige, das einer
Behörde nun einmal anhaftet, Nacheiferung er-
weckte. Unter solchen Umständen werden Not-
standsprodukte, wie sie die Vereine zur Pflege
heimischer Bauweise und zum Schutze des Land-
schaftsbildes gegen Verunstaltung darstellen, wahr-
haft als Kulturwerte empfunden. Wird indessen
der Sinn der bodenständigen Bauweise mit so viel
lebendigem Gefühl erfasst, wie es die Bauten des
Kieler Architekten Theede zeigen, die wir hier
publizieren, so verliert die Heimatschutzidee das
Prekäre und zugleich auch immer Beschämende
einer prohibitiven Massnahme und wächst darüber
hinaus zu produktiver Bedeutung auf. V
V Theede hat sich, das zeigen seine Bauten, mit
Hilfe eines tendenzvoll einseitigen, bewusst be-
schränkten Eklektizismus für den Umkreis seiner
Tätigkeit eine lebendige Tradition geschaffen, und
hat so für seine Person das gewonnen, was ihm die
Zeit aus sich selbst nicht zu bieten vermag. Nur
auf diesem Umweg, der minderen Kräften leicht
gefährlich werden kann, ist es ihm gelungen, sein
schönes Talent zu realisieren. V
V Seine Bauten sind fast alle in roten Handstrich-
steinen ausgeführt, die Sprossenfenster liegen durch-
weg bündig mit dem äusseren Mauerwerk, das
Rahmenwerk ist weiss gestrichen. Er liebt die Bil-
dung einfacher klar gegliederter Baukörper, für die
sich von selbst eine ruhige grosszügige Dachent-
wicklung ergibt. Für die Eindeckung verwendet er
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