Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

DOI issue:
Nr. 10
DOI article:
Neumann, Max: Münchner Wohn- und Geschäftshausbauten
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0673

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MÜNCHENER WOHN- UND GESCHÄFTSHAUSBAUTEN
von Architekt (B.D.A.) MAX NEUMANN, München

Das städtische Miethaus und das Geschäftshaus
sind bauliche Probleme, die trotz aller zum
Teil recht glücklichen Versuche doch restlos noch
nicht gelöst sind. Zwar der Typus für beide ist
wohl gefunden; die ganz bestimmt auftretenden
Zweckforderungen, die der Geschäftsmann wie der
Mieter an die von ihm zu benutzenden Räume
stellt, und die Materialien und Konstruktionen, die
aus technischen wie hygienischen Gründen heute
bevorzugt werden, haben zu architektonischen
Lösungen geführt, die praktisch völlig entsprechen.
Aber ihre Form ist noch immer unsicher. Denn
weder Individualität noch einseitig typische Durch-
bildung allein vermögen geschmacklich befriedigend
zu gestalten. Dabei müssen noch andere Kräfte
mitwirken, die, durch die örtlichen Verhältnisse
bedingt, auf der Grundlage der Typen den rhyth-
mischen baulichen Ausdruck schaffen. Und der
wird ein anderer sein im Norden wie im Süden, ein
anderer in Gegenden, die mit Ziegeln bauen, wie
in solchen, die mit Haustein zu arbeiten gewohnt
sind. Heimatliche Ueberlieferungen müssen moderne
Ausdrucksformen entstehen lassen, die sich, zu
neuer gefestigter Tradition verdichtet, mit der Zeit
bedingungslose Schätzung erringen und so zum
notwendigen Bedürfnis der Allgemeinheit werden.
V Der Weg dahin ist deutlich gewiesen und zum
Teil bereits beschritten. Ueberall in grossen und
kleinen Städten entstehen jetzt auch Miet- und
Geschäftshausbauten, die ohne Stilimitation oder
gesuchte Modernität doch ausgesprochen neuzeit-
lichen Charakter mit feinfühliger Anpassung an die
besonderen Eigentümlichkeiten der Umgebung und
Bewohner vereinen. Zu den Architekten, die das
mit besonderem Geschick und in ausgesprochener
Eigenart zu verwirklichen wissen, gehört Max Neu-
mann, von dessen Münchener Bauten einige Bei-
spiele auf den folgenden Seiten dargestellt werden.
V Besonders wohl gelungen erscheinen mir die
Fassaden der beiden Geschäftshäuser, deren Ge-
staltung noch dadurch erschwert wurde, dass der
Charakter des Kaufhauses mit grossen Laden-
öffnungen im Erdgeschoss mit dem des gut bürger-
lichen Wohnhauses verbunden werden sollte. Für
das Haus Regensteiner, das in der geschäftigen
Weinstrasse zwischen alte behäbige Bürger- und
Kaufmannshäuser einzupassen war, schuf der Archi-
tekt zweckentsprechend eine ruhige, vornehm ge-

gliederte Fassade in Muschelkalk und feinkörnigem
Sandstein. Womöglich noch glücklicher ist die
Fassadendurchbildung des Hauses am Rosental Nr. 15,
das sich mit seinen vermittelnden Arkaden, den
braunen heimeligen Holzerkern und dem weit aus-
ladenden Dache vorzüglich der Stimmung der leicht
gebogenen Strassenflucht einschmiegt. V
V Max Neumanns Wohn- und Miethausfassaden
zeichnen sich durch sachliche Schlichtheit aus. Er
weiss auch mit den einfachsten Mitteln, mit Lisenen,
Gurtgesimsen, Portalumrahmungen, kräftig schat-
tierten Erkern und sparsam aber sicher verteiltem
Schmuck zu wirken; von ganz besonderem Reiz
sind seine mannigfaltigen Dachausbildungen, die
erfolgreich mithelfen, den Fassaden den künst-
lerischen Abschluss zu geben, daneben aber auch
die Ausnützung der Dachgeschosse wesentlich
fördern. Und selbst dort, wo das Haus nach der
Strasse fast nichts zeigt als Mauerbewurf und glatte
Fensterrahmen, ist ihm doch jene anheimelnde
Gemütlichkeit eigen, die Masstab und Ausstattung
der Wohnungen von Familien bestimmen soll. Damit
wird aber nicht nur dem besonderen Lokalcharakter
entsprochen, sondern den hier dargestellten Miet-
hausbauten auch jenes heimelige Cachet verliehen,
das sie sonst leider meist vermissen lassen. V
V Diese Gestaltungskraft, die stets den richtigen
baulichen Ausdruck zu finden weiss, entwickelt sich
dort am wirkungsvollsten, wo ganz besondere Auf-
gaben zu lösen sind. Die Privatheilanstalt in der
Richard Wagner-Strasse und das Wohn- und Atelier-
gebäude von Professor Gg. Schuster-Woldan sind
Beispiele dafür. Beide Male ist es gelungen, den
Häusern, die auch in ihren Grundrisslösungen
interessant und vorbildlich sind, ein äusseres Ge-
wand zu geben, das in seiner vornehmen Zurück-
haltung und doch ansprechenden Liebenswürdigkeit
vortrefflich der Bestimmung der Gebäude ent-
spricht. V
V Künstlerischer Ernst, strenge Sachlichkeit und
feinfühliger Geschmack ist allen Arbeiten Max
Neumanns eigen; aber der Hauptgrund ihrer ein-
dringlichen Wirkung ist doch wohl der, dass sie in
der Erkenntnis des eigentlichsten Zwecks jeder
Architektur nicht nur als Kunstwerke sondern in
bescheidenem Genügen vor allem als Hintergründe
für die Bewohner und Benützer geschaffen worden
sind. C. H. BAER

477
 
Annotationen