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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 11.1912

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Nr. 8
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Beringer, Joseph August: Das Kollegiengebäude der Universität zu Freiburg i.B. von Hermann Billing
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https://doi.org/10.11588/diglit.48361#0486

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-~ Das Kollegiengebäude der Universität zu Freiburg i. B. von Hermann Billing z=z

mit vornehmer Klarheit gegliederten Fassaden durch
eine ebenso ruhig und wuchtig wirkende Silhouette
des Daches organisch zusammenzufassen und zu
steigern, zu einer bewundernswerten Einheit gewor-
den. Wie im Aulablock die ovale Kuppel über der
Aula und die eckige Halbkuppel über dem Plenum
dem ganzen Block seinen spezifischen Charakter
geben, so schiesst im Turm die Idee der den ver-
schiedensten Zwecken dienenden Räume des Turm-
traktes kristallisch zur Einheit zusammen. Im Aula-
block gruppieren sich die Festräume, Sitzungs- und
Dozentenzimmer, die Hörsäle und Seminarien um
den zentral gelegenen Lichthof. Im Turmtrakt reihen
sich die Verwaltungszimmer, Auditorien, Archiv-
und Stiftungsräume rechts und links an den Gang,
der im Wohngebäude der Beamten seinen Abschluss
findet. Demgemäss ist die als geschlossene Einheit
behandelte Schaufassade der Werderstrasse, die
durch vor- und zurücktretende Bauteile in Licht,
Schatten und Silhouette reichgliedrig und in Linien-
und Lichtführung malerisch gehaltene Front der
Beifortstrasse zugewendet. Als eine feine, im höch-
sten Masse befriedigende Lösung darf es angesehen
werden, dass schon in den einzelnen Fassaden die
Zweckbestimmung der dahinter liegenden Räume
als Festsäle, Sitzungszimmer, Auditorien, Wohn-
räume, Gänge usf. unmittelbar zu erkennen sind,
ohne die monumentale Gliederung der Frontflächen
zu verwischen. V
V Die Wucht und Breite der nahezu 70 m langen
Werderstrassenfront erfährt durch den konvexen
Mittelteil mit der Wandelhalle im Erdgeschoss und
der darüberliegenden zweigeschossigen Aula einen
äusserst wirkungsvollen Ausdruck, der durch die
über der Attika sich wölbende Kuppel noch eine
Steigerung erhält. Die 120 m lange Front der Bel-
fortstrasse wird einerseits durch den Bauteil des
Haupteingangs, andrerseits durch den Trakt der
Stiftungsverwaltungen und der Wohnungen mit dem
stattlich daraus emporwachsenden Turm zusammen-
geschlossen. V
V In diesem Turm ist dem türmereichen Freiburg
ein neuer Typ zugesellt worden. Wie sein eigen-
artiger, stufenweiser Aufbau die Vertikaltendenz
der gesamten Baugliederung zu einem hohen Aus-
druck zusammenfasst, so wiederholt er noch einmal
stark die in den Halbsäulen der Aulafensterpfeiler
und in den Pilastern des Wohngebäudes ausge-
sprochene Strebelust der vertikalen Bauelemente,
die sich auf so fein verteilte Art mit der Horizontal-
tendenz der lagernden Gesimse an Fassaden und
Dachlinien mischen. V
V Das ganze Kollegiengebäude ist aussen ein reiner
Werksteinbau aus dem schönen Rotsandstein, der

auch dem altehrwürdigen Münster seine pracht-
volle, satte Wirkung gibt. Das herrliche Steinmaterial
gestattete eine dekorativ bildhauerische Belebung,
von der an den Eingängen, am Sockelgeschoss, den
Fensterbrüstungen, den Gesimsen, an der Aussen-
seite der Aula, am Turm usf. in fein abwägender
Weise Gebrauch gemacht wurde. Der Ernst und
die Würde des Gebäudes werden dadurch sinn-
gemäss betont. Die dekorativen Schmuckpfeiler aus
Muschelkalk auf dem vom kanalisierten Gewerbe-
kanal umflossenen Rasenvorplatz neben der Rotunde
dienen der Raumwirkung. Rundplastiken sind nur
zu beiden Seiten der Aulakuppel angebracht. Die
Statuen der Wahrheit und der Freiheit — beide
von H. Gerstel, Karlsruhe —, drücken lapidar den
Sinn des Wahrspruches an der Attika aus: „Die
Wahrheit wird euch frei machen.“ V
V Die Innengestaltung ist von zwei Gedanken
beherrscht: Eine prunklose, aber feierlich einfache
Pracht in den Fest- und Repräsentationsräumen zu
entfalten, zweckdienliche Sachlichkeit mit allem
zeitgemässen Komfort in den Arbeitsräumen zu ver-
binden. Auch die hygienischen Grundforderungen:
Licht, Luft, Wasser und Stille sind durch die geniale
Raumdisposition aufs glücklichste erfüllt. Der Haupt-
eingang an der Beifortstrasse, noch charakterisiert
durchdas Achsensystem desPlenum im Obergeschoss
mit darüberliegender eckiger Halbkuppel, führt in
die kleine, mit gelben Majolikafliessen, dem far-
bigen Universitäts- und dem badischen Wappen
verkleidete Vorhalle, zu deren Seiten das Pförtner-
und das Oberpedellzimmer liegen. Der Durchgang
leitet in die mit Granitsäulen dreischiffig angelegte
untere Wandelhalle, die ihr Licht teils vom Licht-
hof, teils vom Rasenvorplatz empfängt. Ein plastisch
und architektonisch gegliederter Brunnen in grau-
blauer Majolika gibt dem wuchtig kühlen Raum mit
kassettierter Rauhputzdecke eine heimelige Note.
Alle Majolika-Arbeiten stammen aus der Grossh.
Manufakturin Karlsruhe. Das unter der Aula gelegene
Auditorium maximum mit der 25 m langen und 15 m
breiten, stützenlosen, freischwebenden Flachdecke
darf wohl als eine statische Meisterleistung von
grösster Kühnheit gelten, zumal starke Belastungs-
proben nichtdie mindeste Senkung veranlassten. Der
räumliche und architektonische Kern dieses ganzen
Baublockes ist indes die Aula mit dazugehöriger Vor-
halle, gleich hervorragend gelungen in seiner farbi-
gen, wie in der räumlichen Wirkung. Die durch zwei
Geschosse gehende Vorhalle mit der grauweiss
geäderten Marmorverkleidung der Säulen und der
Wandflächen, die goldene, kassettierte Decke, die
von Professor Dr. H. Volz (Karlsruhe) geschaffenen
Kolossalbüsten der Grossherzoge Friedrich I. u. II.,
 
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