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Formengebung ist glücklich vermieden zugunsten einer
wohltuenden Zurückhaltung in der stilistischen Pointierung.
An Stelle einer gewollten architektonischen Formspielerei
steht hier der Wille zur Klarheit und Übersichtlichkeit in
der Gesamtanlage. Dabei sprechen die betonte Ruhe und
die Einheitlichkeit der Mauerflächen im Gesamteindruck
ganz wesentlich mit. Diese Wirkung erwächst zugleich aus
dem Gefühl für die sichere konstruktive Auswertung der
modernen Baustoffe und technischen Hilfsmittel. Das weit-
ausladende Vorkragen der Balkonbetonplatten ist ebenso
fest in dem Gesamtumriß des Baues eingebunden wie die
straffen Horizontalgesimse als oberer Abschluß der einzelnen
Kuben. Auch das Einschneiden der Fensterreihen in den
Mauerkörper ist nach den modernen Gesichtspunkten durch-
geführt worden, so daß technische und formale Gestaltung
der Architektur als einheitliche Erscheinung zur Geltung
kommen. Auch hier muß wieder betont werden, wie wenig
aufdringlich all diese Einzelelemente zutage treten und
wie sehr sie alle dem großen Gesamtentwurf dienend ein-
geordnet sind. Gerade darin beruht aber das Wesen einer
in sich geschlossenen architektonischen Schöpfung.
Ausgangspunkt aller Baugestaltung muß natürlich die
Raumgruppierung sein, wenn Innenbau und Außenansicht
ein organisches Ganzes sein sollen. Studiert man die Grund-
risse der abgebildeten Bauten und vergleicht sie dann mit
der Form des Hauses, dann ergibt sich zunächst bei der
Grundrißanlage eine einleuchtende klare Gliederung, die
eine sinnvolle und praktische Folge der Räume wieder-
spiegelt. Und dieser Anordnung entspricht die Gruppierung
der Fenster im Außenbau, so daß die Beziehungen zwischen
der Architektur des Baukörpers und der inneren Raum-
gestaltung hergestellt sind. Gerade die kubische Staffelung
des Baues ermöglicht eine restlose Ausnutzung des Raumes,
da bei dem Fortfall besonderer Fassadenbildungen jene
unglücklichen toten Ecken und Zwickelräume ganz aus-
scheiden. — Schließlich sei noch bemerkt, daß die Fenster-
weite und die große Zahl der Lichtöffnungen in ausgiebigem
Maße Lichtfülle ins Hausinnere leiten und dadurch das
Wohnen zu einem freien und frohen werden lassen.
Gegen die modernen Bauten, besonders die mit flachem
Dach, wird so oft der Vorwurf der Eintönigkeit und des
Mangels künstlerischer Phantasie erhoben. Das Kastenför-
mige, ja oft Gefängnisähnliche des Äußeren töte jegliche
Lebensfreude, stempele den Menschen zum Sachlichkeits-
fanatiker. — Die Bauten von H H. Lüttgen beweisen
gerade das Gegenteil. Das Einladende der weiten Fenster
und der großen Balkone, der Zusammenklang der Archi-
tektur mit der der Gartenanlage, legen das beste Zeugnis
ab von dem neuen Wohnstil, der uns aus der falschen
Palast- und Villenarchitektur befreit. In diesen modernen
Häusern kann man nicht dem hohlen Schein huldigen. Die
Wahrhaftigkeit in der neuen Baugesinnung muß sich auch
auf unseren Lebensstil und unsere Wohnkultur übertragen.
Auch H. H. Lüttgen sieht seine Bauaufgabe mit der Er-
richtung des eigentlichen Hauses nicht erfüllt. Der moderne
Architekt ist durchdrungen von der Notwendigkeit einer
einheitlichen künstlerischen Bau- und Raumgestaltung. Bis
zum Einzelmöbel muß die Entwurfsarbeit des Bau-
meisters gehen, wenn die Raumwirkung in der beabsich-
tigten Harmonie zur Geltung kommen soll. Wie stark der
künstlerische Faktor beim Innenausbau sich auswirkt, zeigt
in fast abstrakter Formulierung der Ausstellungsraum des
Westdeutschen Rundfunks auf der Pressa. Neben der klaren
Flächenwirkung, vor allem von Decke und Fußboden, spricht
hier das Netz der Wagerechten und Senkrechten der Ein-
bauten und das Filigran der Buchstaben im Raumbilde sehr
stark mit. Statt überlauter Reklameaufmachung herrscht
systematische Belehrung mittels ästhetischer Funktionen. Die
Propaganda wird dank der Entwurfsarbeit des Architekten
zum nachhaltigen künstlerischen Eindruck und erweckt da-
mit viel eher das Vertrauen der Besucher als marktschreie-
rische Betörungsversuche.
Die Nutzanwendung raumkünstlerischer Gestaltung zeigt
sich aber im Wohnhausbau, nicht im Ausstellungsaufbau.
Die Innenräume und Möbel, die von Lüttgens neueren Ar-
beiten hier abgebildet sind, verraten den gleichen Geist
wie die Großarchitektur. Auch hier fällt die wohltuende
Ruhe und Mäßigung in der Formensprache sehr angenehm
auf. Eine Wohnung ist kein Ausstellungsraum, in dem der
Künstler seine Ideen in programmatisch scharfer Formu-
lierung zur Diskussion stellen kann, sondern eine Wohnung
soll seinem Bewohner zum behaglichen Aufenthalt dienen,
soll ihm Heim sein. Lüttgen betont auch in seiner Innen-
architektur die ruhige Flächenwirkung und schafft dadurch
klare Raumverhältnisse. Damit ist aber die Grundstimmung
schon gegeben. Das zeigt treffend der Wohnraum der Düssel-
dorfer Ausstellung. Die Möbel treten hier als sekundäre
Erscheinung hinzu. Das ist auch bei all den anderen Bei-
spielen ersichtlich, wie die Ausstattung sich den Funktionen
des Ganzen anpassen muß. Die Möbel selbst aber bieten
die Möglichkeit, bei aller Sachlichkeit und Werkgerechtigkeit
der Ausführung belebend reiche Wirkung in der Verwen-
dung ausgesuchten Materials spielen zu lassen und die zweck-
bedingte Form zum künstlerisch empfundenen Ausstattungs-
stück werden zu lassen. Denn trotz aller Forderungen an
die sachliche Durchbildung und ihre Nutzbarkeit sollen die
Möbel dem Besitzer doch auch Freude bereiten. Und dieses
Plus, das über die reine Zweckmäßigkeit hinausgeht, läßt
erst den Künstler recht zu Worte kommen. Damit soll einer
ausgesprochenen Luxuskunst, die leider in der Innenaus-
stattung herrschaftlicher Wohnungen eine gefährliche Rolle
spielt, keineswegs das Wort geredet werden.— Einige be-
sonders glückliche Lösungen stellen neben dem Düssel-
dorfer Wohnraum das Herrenzimmer und Ankleidezimmer
im Hause Friedländer in Barmen und das Schlafzimmer der
Firma R. in Köln dar. Die Sicherheit der Proportionen, der
klare technische Aufbau und das schöne Material vereinigen
sich hier zu prachtvoller Harmonie.
Ein wertvolles Hilfsmittel zur Beurteilung der Raum-
wirkung ist die Einfühlung in die Wohnlichkeit des be-
treffenden Zimmers. Legt man diesen Maßstab bei den
Innenräumen der Lüttgenschen Bauten an, so kommt man
zu einem äußerst günstigen Ergebnis. Es ist zweifellos ein
besonders gutes Zeugnis, das man damit der künstlerischen
Wirksamkeit eines Architekten ausstellen kann. Da aber
gerade in unserer innerlich noch sehr zerrissenen Zeit mit
ihren verwirrenden Kulturerscheinungen stille Besinnlichkeit
und innere Sammlung sehr not tun, kann auf die Pflege
einer harmonischen Wohnkultur nicht genug Wert gelegt
werden. Hier hat der Baukünstler Missionen zu erfüllen,
denn er kann mit seinem Schaffen wertvolle Voraussetzungen
für eine gesunde Entwicklung aufstellen. Dr. W.-K.
Formengebung ist glücklich vermieden zugunsten einer
wohltuenden Zurückhaltung in der stilistischen Pointierung.
An Stelle einer gewollten architektonischen Formspielerei
steht hier der Wille zur Klarheit und Übersichtlichkeit in
der Gesamtanlage. Dabei sprechen die betonte Ruhe und
die Einheitlichkeit der Mauerflächen im Gesamteindruck
ganz wesentlich mit. Diese Wirkung erwächst zugleich aus
dem Gefühl für die sichere konstruktive Auswertung der
modernen Baustoffe und technischen Hilfsmittel. Das weit-
ausladende Vorkragen der Balkonbetonplatten ist ebenso
fest in dem Gesamtumriß des Baues eingebunden wie die
straffen Horizontalgesimse als oberer Abschluß der einzelnen
Kuben. Auch das Einschneiden der Fensterreihen in den
Mauerkörper ist nach den modernen Gesichtspunkten durch-
geführt worden, so daß technische und formale Gestaltung
der Architektur als einheitliche Erscheinung zur Geltung
kommen. Auch hier muß wieder betont werden, wie wenig
aufdringlich all diese Einzelelemente zutage treten und
wie sehr sie alle dem großen Gesamtentwurf dienend ein-
geordnet sind. Gerade darin beruht aber das Wesen einer
in sich geschlossenen architektonischen Schöpfung.
Ausgangspunkt aller Baugestaltung muß natürlich die
Raumgruppierung sein, wenn Innenbau und Außenansicht
ein organisches Ganzes sein sollen. Studiert man die Grund-
risse der abgebildeten Bauten und vergleicht sie dann mit
der Form des Hauses, dann ergibt sich zunächst bei der
Grundrißanlage eine einleuchtende klare Gliederung, die
eine sinnvolle und praktische Folge der Räume wieder-
spiegelt. Und dieser Anordnung entspricht die Gruppierung
der Fenster im Außenbau, so daß die Beziehungen zwischen
der Architektur des Baukörpers und der inneren Raum-
gestaltung hergestellt sind. Gerade die kubische Staffelung
des Baues ermöglicht eine restlose Ausnutzung des Raumes,
da bei dem Fortfall besonderer Fassadenbildungen jene
unglücklichen toten Ecken und Zwickelräume ganz aus-
scheiden. — Schließlich sei noch bemerkt, daß die Fenster-
weite und die große Zahl der Lichtöffnungen in ausgiebigem
Maße Lichtfülle ins Hausinnere leiten und dadurch das
Wohnen zu einem freien und frohen werden lassen.
Gegen die modernen Bauten, besonders die mit flachem
Dach, wird so oft der Vorwurf der Eintönigkeit und des
Mangels künstlerischer Phantasie erhoben. Das Kastenför-
mige, ja oft Gefängnisähnliche des Äußeren töte jegliche
Lebensfreude, stempele den Menschen zum Sachlichkeits-
fanatiker. — Die Bauten von H H. Lüttgen beweisen
gerade das Gegenteil. Das Einladende der weiten Fenster
und der großen Balkone, der Zusammenklang der Archi-
tektur mit der der Gartenanlage, legen das beste Zeugnis
ab von dem neuen Wohnstil, der uns aus der falschen
Palast- und Villenarchitektur befreit. In diesen modernen
Häusern kann man nicht dem hohlen Schein huldigen. Die
Wahrhaftigkeit in der neuen Baugesinnung muß sich auch
auf unseren Lebensstil und unsere Wohnkultur übertragen.
Auch H. H. Lüttgen sieht seine Bauaufgabe mit der Er-
richtung des eigentlichen Hauses nicht erfüllt. Der moderne
Architekt ist durchdrungen von der Notwendigkeit einer
einheitlichen künstlerischen Bau- und Raumgestaltung. Bis
zum Einzelmöbel muß die Entwurfsarbeit des Bau-
meisters gehen, wenn die Raumwirkung in der beabsich-
tigten Harmonie zur Geltung kommen soll. Wie stark der
künstlerische Faktor beim Innenausbau sich auswirkt, zeigt
in fast abstrakter Formulierung der Ausstellungsraum des
Westdeutschen Rundfunks auf der Pressa. Neben der klaren
Flächenwirkung, vor allem von Decke und Fußboden, spricht
hier das Netz der Wagerechten und Senkrechten der Ein-
bauten und das Filigran der Buchstaben im Raumbilde sehr
stark mit. Statt überlauter Reklameaufmachung herrscht
systematische Belehrung mittels ästhetischer Funktionen. Die
Propaganda wird dank der Entwurfsarbeit des Architekten
zum nachhaltigen künstlerischen Eindruck und erweckt da-
mit viel eher das Vertrauen der Besucher als marktschreie-
rische Betörungsversuche.
Die Nutzanwendung raumkünstlerischer Gestaltung zeigt
sich aber im Wohnhausbau, nicht im Ausstellungsaufbau.
Die Innenräume und Möbel, die von Lüttgens neueren Ar-
beiten hier abgebildet sind, verraten den gleichen Geist
wie die Großarchitektur. Auch hier fällt die wohltuende
Ruhe und Mäßigung in der Formensprache sehr angenehm
auf. Eine Wohnung ist kein Ausstellungsraum, in dem der
Künstler seine Ideen in programmatisch scharfer Formu-
lierung zur Diskussion stellen kann, sondern eine Wohnung
soll seinem Bewohner zum behaglichen Aufenthalt dienen,
soll ihm Heim sein. Lüttgen betont auch in seiner Innen-
architektur die ruhige Flächenwirkung und schafft dadurch
klare Raumverhältnisse. Damit ist aber die Grundstimmung
schon gegeben. Das zeigt treffend der Wohnraum der Düssel-
dorfer Ausstellung. Die Möbel treten hier als sekundäre
Erscheinung hinzu. Das ist auch bei all den anderen Bei-
spielen ersichtlich, wie die Ausstattung sich den Funktionen
des Ganzen anpassen muß. Die Möbel selbst aber bieten
die Möglichkeit, bei aller Sachlichkeit und Werkgerechtigkeit
der Ausführung belebend reiche Wirkung in der Verwen-
dung ausgesuchten Materials spielen zu lassen und die zweck-
bedingte Form zum künstlerisch empfundenen Ausstattungs-
stück werden zu lassen. Denn trotz aller Forderungen an
die sachliche Durchbildung und ihre Nutzbarkeit sollen die
Möbel dem Besitzer doch auch Freude bereiten. Und dieses
Plus, das über die reine Zweckmäßigkeit hinausgeht, läßt
erst den Künstler recht zu Worte kommen. Damit soll einer
ausgesprochenen Luxuskunst, die leider in der Innenaus-
stattung herrschaftlicher Wohnungen eine gefährliche Rolle
spielt, keineswegs das Wort geredet werden.— Einige be-
sonders glückliche Lösungen stellen neben dem Düssel-
dorfer Wohnraum das Herrenzimmer und Ankleidezimmer
im Hause Friedländer in Barmen und das Schlafzimmer der
Firma R. in Köln dar. Die Sicherheit der Proportionen, der
klare technische Aufbau und das schöne Material vereinigen
sich hier zu prachtvoller Harmonie.
Ein wertvolles Hilfsmittel zur Beurteilung der Raum-
wirkung ist die Einfühlung in die Wohnlichkeit des be-
treffenden Zimmers. Legt man diesen Maßstab bei den
Innenräumen der Lüttgenschen Bauten an, so kommt man
zu einem äußerst günstigen Ergebnis. Es ist zweifellos ein
besonders gutes Zeugnis, das man damit der künstlerischen
Wirksamkeit eines Architekten ausstellen kann. Da aber
gerade in unserer innerlich noch sehr zerrissenen Zeit mit
ihren verwirrenden Kulturerscheinungen stille Besinnlichkeit
und innere Sammlung sehr not tun, kann auf die Pflege
einer harmonischen Wohnkultur nicht genug Wert gelegt
werden. Hier hat der Baukünstler Missionen zu erfüllen,
denn er kann mit seinem Schaffen wertvolle Voraussetzungen
für eine gesunde Entwicklung aufstellen. Dr. W.-K.