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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 1.1926/​1927

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Swarzenski, Georg: Um Max Beckmann
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Renner, Paul: Vom Stammbaum der Schrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.17290#0115

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kret feine Subftanz iff, erfcheint die Realität hier doch nicht als ein Abfolufes,

\ _I wie es in der Mechanik und Abftraktion befteht, im geiftigen Leben aber

"jtfi^ i\\£>3Cx3&) A L 1 nur e'n *°*er Punkt wäre. Diefem geiftigen Verhalten — die deutfche Sprache

U\vNu-^ (mkuK Im lric\<na* C'as Wort Welt-Anfchauung — entfpricht auch die formale Stellung
LcTUpV- ^?^u CU- [mCu^Ü Beckmanns inmitten des Ringens der Malerei unferer Zeit. Er fcheidet fich

fcharfvon ihren Abfichten und Gepflogenheiten. Ihm gegenüberwirkt derüber-
fchwang des Expreffionismus disziplinlos, die Abftraktion geftaltlofer Flächen
und Kuben fpielerifch, die fogenannte neue Sachlichkeit langweilig undillu-
ftrativ. Freilich kommt es auch hier nicht auf die Richtung an, fondern auf
die Potenz.

Xuf,

rzz

Bild 24: pompejanische wachstafel

VOM STAMMBAUM DER SCHRIFT von Paul Renner

Wenn der Münchner Paläontologe Dacque recht hat, ftammt der Menfch nicht
vom Affen ab; der Affe ift wie die ganze Tierwelt ein Zweig an dem vielfach
veräftelten Stammbaum des Menfchen. Der Menfch enthält zum mindeften in
feiner Ahnenreihe die Anlage zu jedem Tier. Er allein ift noch fähig, über fich
hinauszuwachfen. Das Tier ift durch Spezialifierung einfeitig entartet. Wir be-
kommen durch Dacque ein neues Symbol des Menfchlichen; der Menfch

Bild 25: altere romische kursive i. jh. ,. , c ■ ■ ■ ■ , .,. , , , ,, .

nimmt die oberlte bpitje des Lebensbaumes ein und ift doch dem Urgrund
unmittelbar verbunden; ift ihm näher als die letjten Ausläufer niedrigerer
Seitenäfte. So zeigt der Menfch Merkmale einer älteren „Stilperiode" der
Schöpfung als der Affe; weitere Augenftellung ufw.

Die ältere Deszendenztheorie hat zur kritiklofen Anerkennung der Macht, des
Erfolges, des Fortfehrittes verpflichtet. Wenn die Auslefe automatifch durch
den Sieg des Befferen erfolgt, dann ift das neuefte auch immer das befte,
und der Abreißkalender wird zum Wertmeffer. Dacque ftellt uns aufs neue
vor die Frage: Bleibt das Neuefte auf der „menfchlichen" Linie, die nach oben
weiterführt? oder ift es eine abfeitige Spezialifierung?

Die deutfehen Buchdrucker verwenden heute einige Dutjend verfchiedener
Schriften aus allen Zeiten wahllos nebeneinander. Niemand glaubt, dafj den
Schriftkünftlern mehr zu tun übrig bleibe, als diefe Drucktypen von Jahr zu
Jahr ein wenig nach dem jeweils herrfchenden Modegefchmack abzuwandeln.
Bild 26- römische versale Ii jh ^us ^° undurch(ichtigem Geftrüpp rettet nur die Schere. Wir müffen die Zweige

foweit zurückfehneiden, dafj der Haupttrieb Luft bekommt. Wo aber ift der

JNTFF] JX"VF 11* AS HauPttrieb?

* J. y 1 i L. L.rl /v V 1_ 1V / A\. [)as ältefte Alfabet der heute noch gebräuchlichen Schriften find die römifchen

l'l^Jvj5 Y*) 1 C3J\\/j Verfalien. Sie bauen fich auf aus Kreis, Dreieck und Geviert, den einfachften

• • • ' und gegenfätjlichften Flächenformen. Sie opfern ihre Abgefchloffenheit noch

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