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Paulus, Eduard [Editor]; Württemberg / Statistisch-Topographisches Bureau [Editor]
Beschreibung des Königreichs Württemberg (Band 60): Beschreibung des Oberamts Balingen: mit fünf Tabellen, einer geognostisch kolorirten Karte des Oberamts und drei lithographirten Ansichten — Stuttgart, 1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.12697#0137
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Sitten und Gebränche.

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den Kopf gelegt nnrd. Dies Mittel wird als helfendes von vielen
hente noch anerkannt. Das Betreten von Kreuzwegen in der Karfrei-
tagnacht und das Niederlegen von Krankheitszeichen auf denselben, nm
Heilung zu erlangen, ist fast nberall. Jn Erzingen wird Heu in dieser
Nacht unter die Dachtraufe gelegt, daß die Pferde nicht rotzkrank wer-
den. In Truchtelfingen werden 3 Nägel über die Stallthüre oder
Kopfnet eingeschlagen zum Schutz gegen Hexen und Unglück. Jn Zill-
hansen läßt man dem Vieh am Ohr zur Ader, daß es gesund bleiüt.
Jn Zillhausen und Dürrwangen, wohl auch sonst noch, werden Essig-
und Mostfässer in dieser Nacht mit Wasser auigefüllt und soll beides an
Qualität nicht verlieren, an Haltbarkeit aber gewinnen. Jn Truchtel-
fingen blüht in der Karfreitagnacht die Aaronsblume um 12 Uhr, wer
sie findet wird glücklich. In Zillhausen halten 3 Zweige der Eiche in
der Frühe gegen Osten znsammen gebrochen und an der inneren Stall-
thüre angenagelt, das Vieh gesund. Jn Pfefsingen vertreibt ein am
Karfreitag geschnitzter Bindnagel die Mäuse von all den Garben, welche
in der kommenden Ernte mit demselben gebunden werden. Karsreitag-
regen ist so schlimm, daß es z. B. in Meßstetten kein Heu geben soll,
wenn es am Karfreitag regnet, und wenn dasselbe auch auf den Bäu-
men wachsen sollte. In Frommern soll man die Hexen am Karfreitag
in der Kirche daran erkennen, daß sie verkehrt sitzend gesehen werden,
den Rücken gekehrt gegen Kanzel und Altar. Harmloser ist die Sitte,
einander Karfreitagsbrezeln zu verehren. Jn Endingen verehren die
ledigen Bursche den Mädchen am Karfreitag Brezeln und diese jenen
an Ostern Eier. Nach Meier S. 387 heben in Onstmettingen die Mäd-
chen immer eine dieser Brezeln im Schranke an einem Nagel auf; so
lange sie nichl schiminelt, ist die Liebe echt und das kann ost viele
Jahre dauern.

Ostern. Ju Endingen und Erzingen ziehen die jüngeren Lente
anf die Osterwiese, werfen Eier und treiben das Ballspiel, die älteren
fehen zu, und schließlich geht alles ins Wirthshaus. Jn Frommern,
Dürrwangen, Laufen, Zillhausen, Weilheini und etlichen anderen Orten
ziehen Vormittags ledige Bursche durch's Ort und sammeln Eier von
Hans zn Haus und erhalten deren oft über 100. Nachmittags geht's
danir anf eine ebene Wiese, auf welche die Eier in doppelter Reihe je
einen Fuß oder Elle von einander entfernt ausgelegt werden. Es bil-
den sich nun zwei Partien; die eine schaart sich um einen ledigen Bur-
schen, der die Eier eines nach dem andern anfzulesen hat nnd sie einem
Mädchen, das stets an derselben Stelle bleibt, in den Schurz werfen
muß, welches dieselben so geschiekt aufznfangen und in einen Korb zn
legen hat, daß keins zerbricht (dies gilt als Ehrenstelle). Die andere
erwählt sich einen zweiten Burschen, dem die Aufgabe zusällt, währeild
der erste Eier liest, in ein Nachbarort zu laufen, entweder um einen
Wecken zu kanfen oder seinen Namen an die Thüre der Kirche zu
schreiben. Wer zuerst mit seiner Aufgabe fertig ist, dessen Partie hat
gewonnen. Hierauf gehen beide Partien ins Wirthshaus und verzehren
gemeinsam alle Eier, Bier und Branntwein dazu muß die verlierende
Partie meist allein bezahlen. Jn Hosfingen sindet das Eierlesen am
Pfingstmontag ftatt.

Pfingsten. Das Maienstecken hört fast ganz auf wegen der
Strenge der Forstgesetze. Jn Zillhansen und Heselwangen geht noch
 
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